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Frage von Uta Marie P. •

Frage an Rolf Schwanitz von Uta Marie P. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrtr Herr Schwanitz,

in einer gestern gesendeten ZDF-Sendung nahmen Sie Stellung gegen den Besuch des Papstes im Bundestag. Sie erklärten Ihre Ablehnung sinngemäß auch damit, daß Sie in mehrern Punkten nicht einer Meinung mit ihm seien und Teile seiner Lehre für bedenklich und reaktionär hielten.

Angesichts dieser Begründung drängt sich die Frage auf, wie Sie es seinerzeit mit der Rede von US-Präsident Bush hielten. Er hatte am 23.5.2002 vor dem Bundestag gesprochen. Bush war, wie Sie wissen, Staatsoberhaupt und Regierungschef eines Landes, unter dessen Führung die USA internationale Verträge und eigenes Recht außer Kraft setzten, "unlawful combatants" erfanden, um sie unter menschenwürdigen Bedingungen ohne Kontakt zur Außenwelt, geschweige denn zu einem Rechtsbeistand, zu internieren, systematisch Folter anwandten und, nach 2002 dann, Massenvernichtungswaffen im Irak herbeifantasierend, um des Öls willen in den Irak einfielen.

Herr Bush selbst war entschiedener Befürworter der Todesstrafe; in seiner Zeit als Gouverneur waren in Texas mehr Menschen als irgendwo sonst in den USA hingerichtet worden. Eine seiner ersten Amthandlungen hatte darin bestanden, den endgültigen Ausstieg der USA aus dem Kyoto-Abkommen zu beschließen. Anfang 2002 hatte er die Militärbasis auf Guantanamo um ein Internierungslager erweitern lassen, in dem die o. g. "ungesetzlichen Kombattanten", darunter 13- und 14jährige, gefangen gehalten wurden, ohne Urteil, ohne Kriegsgefangenenstatus, d. h. auch ohne Rechtsbeistand.

Sind Sie seiner Rede ferngeblieben? Wenn nein, warum nicht? Und, ggf., falls Sie Bushs Politik ablehnten, warum haben Sie, ihm, anders als dem Papst, trotzdem zugehört?

Die Antwort würde mich sehr interessieren.

Ich bedanke mich im Vorhinein für Ihre Bemühungen und die Ihrer Mitarbeiter.

Mit freundlichem Gruß

UM Pieper

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Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau Pieper,

es gibt zwischen den Fraktionen eine Absprache, zu bestimmten Anlässen die Repräsentanten von Israel und unserer ehemaligen Kriegsgegner vor dem Deutschen Bundestag sprechen zu lassen. Dies sollte eine besondere Geste der Versöhnung sein und ich habe deshalb an diesen Veranstaltungen in der Regel teilgenommen (auch als George W. Bush und Wladimir Putin sprachen - mit deren politischen Meinungen ich in vielen Fällen nicht übereinstimme). Eine entsprechende Absprache zur Einladung von Religionsführern existiert dagegen nicht. Deshalb konnte beispielsweise der Dalai Lama nicht vor dem Bundestag sprechen (der Abgeordnete Volker Beck hat dies in einem Interview mit der Augsburger Allgemeinen beschrieben http://www.augsburger-allgemeine.de/politik/Ich-halte-das-fuer-merkwuerdig-id16746351.html). Um so überraschter war ich, als ich aus der Zeitung erfuhr, dass der Papst im Deutschen Bundestag sprechen soll und ich zuvor in keiner Weise in die Entscheidung darüber eingebunden war. Deshalb kann auch nicht die Rede davon sein, dass der Deutsche Bundestag den Papst eingeladen hätte. Eingeladen wurde er von einigen Mitgliedern des Parlaments, ohne dass diese vorher mit den anderen Bundestagsabgeordneten darüber gesprochen hätten. Das Ergebnis dieses Vorgehens ist daher für mich auch nicht verwunderlich.

Die häufig vorgebrachte Rechtfertigung, dass der Papst ja ein Staatsoberhaupt sei, ist zwar formal richtig, jedoch hat diese letzte absolute Monarchie in Europa - Art. 1 Abs. 1 Vatikanverfassung lautet: "Der Papst besitzt als Oberhaupt des Vatikanstaates die Fülle der gesetzgebenden, ausführenden und richterlichen Gewalt." - weniger als 1000 Einwohner. Es ist deshalb völlig klar, dass der Papst von der Öffentlichkeit als geistliches Oberhaupt und nicht als Chef eines Zwergstaates wahrgenommen wird. Und der Papst hat sogar selbst klargestellt, in welcher Eigenschaft er im Plenarsaal des Deutschen Bundestags spricht. Er sagte gleich zu Beginn seiner Rede: "Aber die Einladung zu dieser Rede gilt mir als Papst, als Bischof von Rom, der die oberste Verantwortung für die katholische Christenheit trägt." Für mich ist die Tatsache, dass ein religiöses Oberhaupt im Plenarsaal des Deutschen Bundestages sprechen durfte, ein Verstoß gegen die verfassungsrechtlich gebotene Neutralität des Staates. Die einzig glaubwürdige Konsequenz meiner Auffassung konnte daher nur das Fernbleiben von dieser Veranstaltung sein.

Mit freundlichen Grüßen

Rolf Schwanitz