Frage an Rolf Pannicke von Sarah M. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrter Herr Pannicke,
interessiert beobachte ich den Wahlkampf der Parteien in Bayern. Anders als bei den anderen Parteien, finde ich die Berufe bei den Linken spanend, da von Zeitungen und Fernsehen ja immer gesagt wird, dass die Linke nur aus Arbeitslosen, frustrierten Arbeitern und Altkommunisten bestehen würde. Nach dem ich bei Kandidatenwatch die Profile der Linken-Bewerber durchgelesen habe, stelle ich fest, dass es Polizisten, Schulleiter, Dipl-Ing., Lehrer, Therapeuten, Mediziner, Facharbeiter etc. also eher untypische, teilweise völlig unerwartete (Polizist, Leherer), Berufe sind. Alle Verfassungsfeinde, laut bayerischer Staatsregierung.
Sie haben angegeben, dass Sie Polizist sind, also doch eher ein Kandidat für die CSU. Warum engagieren Sie sich jetzt mit ihrem Beruf ausgerechnet bei der Linken? Danke für ihre Antwort.
Sehr geehrte Sarah M.
Vielen Dank für Ihre Frage.
Auf Grund meines einwöchigen Urlaubes und vieler Arbeit wegen der Wahl komme
ich erst heute dazu Ihnen zu antworten.
Warum soll sich ein Polizist nicht bei der Linken engagieren? Ich bin Bürger wie jeder andere.
Ich habe zu Beginn meiner Dienstzeit auf die Verfassung und deren Schutz meinen Eid geleistet. Dazu stehe ich bis heute. Ich habe meinen Eid nicht auf einen bestimmten Innenminister oder eine Regierung abgelegt.
In meiner Ausbildung zum gehobenen Polizeivollzugsdienst hatte die Ehre im Fach Staats- und Verfassungsrecht sehr kompetente Professoren zu haben. Ich habe viel über die freiheitlich- demokratische Grundordnung der Bundesrepublik und ihrer Wurzeln erfahren. Sie entstand aus den unsäglichen Erfahrungen der Nazizeit sowie aus den Lehren des Scheiterns der Weimarer Republik. Auch die Parteien der jungen Bundesrepublik schienen aus diesem Debakel gelernt zu haben. So heißt es u.a. im Ahlener Programm der CDU von 1947:
„Das kapitalistische Wirtschaftssystem ist den staatlichen und sozialen Lebensinteressen des deutschen Volkes nicht gerecht geworden. (…) Inhalt und Ziel (einer) sozialen und wirtschaftlichen Neuordnung kann nicht mehr das kapitalistische Gewinn- und Machtstreben, sondern nur das Wohlergehen unseres Volkes sein. Durch eine gemeinschaftliche Ordnung soll das deutsche Volk eine Wirtschafts- und Sozialverfassung erhalten, die dem Recht und der Würde des Menschen entspricht, dem geistigen und materiellen Aufbau unseres Volkes dient und den inneren und äußeren Frieden sichert.“
Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Ahlener_Programm
Das Gelener Programm der SPD ließt sich ähnlich.
Leider haben die sog. Entscheider in diesem Land offensichtlich die Lehren aus der Vergangenheit schon wieder vergessen. Konzerne und Reiche werden hofiert und man macht Ihnen großzügige Geschenke in Form von Steuererleichterungen etc., während man den kleinen Bürgern im Land erzählt es wäre kein Geld da für eine vernünftige Rente, für gute kostenfreie Bildung, für Arme und Arbeitslose. Dies führt zu einer immer weiteren Spaltung in der Gesellschaft. Nicht nur zwischen Jung und Alt oder Arbeiter und Arbeitslosem, sondern zwischen Reich und privilegiert und Arm und chancenlos. Ich wollte dem nicht länger zu sehen. Denn nur zu Hause vorm Fernsehen zu sitzen und zu meckern ändert nichts. Auch mache ich mir weniger Sorgen um mich als um mein und um all unsere Kinder. Wenn diese Politik so weiter geht ,werden wir die erste Elterngeneration nach dem Krieg sein die sagen muss, dass es ihren Kindern nicht besser geht als es ihnen selbst gegangen ist.
Warum aber gerade die Linke werden sich viele denken.
Nun zum einen bin ich zuerst Mitglied in der WASG geworden. Diese Partei, gründete sich als Antwort auf den neoliberalen Kurs der SPD unter Schröder. Sie wäre aber höchst wahrscheinlich eine Splitterpartei geblieben und so entschlossen wir uns ein Bündnis mit der Linkspartei.PDS einzugehen um bei den Bundestagswahlen 2005 eine echte Chance zu haben, Mitglieder der WASG in den Bundestag zu bekommen. Dort wirken sie für eine gerechtere und soziale Politik in Deutschland. Nach der Wahl wurde dieses Bündnis nach und nach bis zum Zusammenschluss weiter ausgebaut. Nicht alle waren über dies Fusion glücklich und viele sind auch ausgetreten. Auch ich bin nicht über jedes Mitglied aus der Linken glücklich. Aber wir wollen eine breite pluralistische linke Partei sein. Wir werden noch über viele Dinge streiten und nicht immer Einigkeit erlangen. Aber ich will auch einer Partei angehören, die noch streitet, sachlich und fair, natürlich. Damit sich am Ende die besten Ideen durchsetzten können. Diesen Idealzustand haben wir sicher noch nicht erreicht. Es gibt noch viel Arbeit. Daher wünsche ich mir viele neue Mitglieder auch aus den sog. bürgerlichen Lager in unserer Partei, denn wir wollen eine Volkspartei werden, in der sich viele Interessen wiederspiegeln, die aber allen der Wunsch nach einem friedlichen und sozial gerechtem Land eint.
Im übrigen freut es mich als lebendes Beispiel zu gelten, dass Vorurteile gegen bestimmte Gruppen oft falsch sind. Viele meiner Kollegen unterstützen mich übrigens bei meiner politischen Arbeit, auch wenn es kaum einer offen zu geben würde.
m.f.G.
Rolf Pannicke