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Rolf Mützenich
SPD
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Frage von Jonas T. •

Warum gibt es ausgerechnet bei so einem extrem wichtigen Thema wie Suizidhilfe keinen Fraktionszwang?

Hallo,
beim Thema Suizidhilfe geht es, wie das Bundesverfassungsgericht urteilte, um ein Grundrecht. Es geht um körperliche Autonomie und Selbstbestimmung.
Vielleicht können Sie als Fraktionsvorsitzende mir also folgende Frage beantworten: Warum wird ausgerechnet bei so einem wichtigen Thema der Fraktionszwang ausgesetzt? Und bitte sagen Sie jetzt nicht "weil es bei ethischen Fragen so üblich ist"!
Ich als Wähler möchte doch, dass die Abgeordneten der Partei, die ich gewählt habe, auch deren Wahlprogramm vertreten und nicht einfach so davon abweichen. Sonst ist meine Stimme doch umsonst gewesen oder nicht?
Rein von der Parteienkonstellation her haben wir die wohl gesellschaftspolitisch liberalste Regierung in der Geschichte der Bundesrepublik, mit Fraktionszwang hätte man einiges erreichen können. Das Ergebnis ist nun: Suizidhilfe bleibt ungeregelt und der Zugang für Suizidwillige zu tödlichen Medikamenten extrem schwer!

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr T.,

das Thema Sterbehilfe ist in der Tat ein sehr wichtiges Thema. Deshalb haben wir auch in unserem Koalitionsvertrag von 2021 formuliert, dass wir eine zeitnahe Entscheidungsfindung bezüglich der Neuregelung des assistieren Suizids über fraktionsübergreifende Anträge begrüßen. Wie eine solche Neuregelung ausgestaltet werden sollte, haben wir an dieser Stelle jedoch bewusst nicht konkretisiert. Das ist, in der Tat, bei ethischen Fragen so üblich.

Der Grund hierfür ist aber nicht einfach Gewohnheit, sondern die Erwägung, dass es sich um echte Gewissensfragen handelt, die moralische, ethische oder religiöse Aspekte berühren und bei denen es keine einheitlichen Meinungen innerhalb der Fraktionen gibt.

Politiker und Gesetzgeber stehen bei bioethischen Fragen im Allgemeinen, und beim Thema Sterbehilfe im Besonderen, vor der Herausforderung, einen angemessenen und ausgewogenen Ansatz zu finden, der die individuelle Freiheit respektiert und gleichzeitig den Schutz der Schwächsten gewährleistet. Es ist wichtig, dass diese komplexen Fragen sorgfältig und sensibel behandelt werden, um einen angemessenen rechtlichen Rahmen zu schaffen, der den Bedürfnissen der Betroffenen und den ethischen Überzeugungen der Gesellschaft gerecht wird.

Dass die Neuregelung der Sterbehilfe in der Abstimmung am 06. Juli gescheitert ist, ist vor dem Hintergrund der anhaltenden Rechtsunsicherheit sehr bedauerlich. Sie zeigt aber auch, dass hier für viele Parlamentarier*innen noch weiterer Diskussionsbedarf besteht. Dem sollten wir nicht mit Fraktionszwang begegnen, sondern mit vertieften Debatten über die Umsetzungsmöglichkeiten des vom Bundesverfassungsgericht festgestellten Grundrecht auf selbstbestimmtes Sterben.

Mit freundlichen Grüßen

Rolf Mützenich

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