Frage an Rolf Mützenich von Frank B. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Mützenich,
wie ich sehe haben Sie dem, nicht nur in der Öffentlichkeit, umstrittenen BKA Gesetzt zugestimmt.
Mich würde interessieren welche Gründe für Sie ausschlaggebend waren diesem Gesetz zuzustimmen. Konkret: welchen Sicherheitsgewinn erwarten Sie durch dieses Gesetz im Verhältnis zu den weitreichenden Einschnitten in Sachen Onlinedurchsuchung, Pressefreiheit, Arztgeheimnis usw.?
MfG,
Frank Bergknecht
Sehr geehrter Herr Bergknecht,
vielen Dank für Ihre Frage.
Das nun beschlossene Gesetz weicht in wesentlichen Teilen vom Gesetzentwurf der Bundesregierung ab. In intensiven und langwierigen Beratungen wurden bedenkliche Regelungen verändert und der Rechtsprechung angepasst. Fachleute meiner Fraktion, die dem Gesetzentwurf zu Beginn kritisch gegenüber standen, haben uns daraufhin eine Annahme empfohlen.
Der Rechtsstaat muss im Zusammenwirken mit anderen politischen Mitteln den Herausforderungen des internationalen Terrorismus begegnen. Wir haben deshalb mit dem BKA-Gesetz ein modernes und rechtsstaatlich anspruchsvolles Polizeigesetz geschaffen. Dieses umfasst bekannte und bewährte polizeiliche Standardbefugnisse, wie die Vorladung und die erkennungsdienstlichen Maßnahmen. In den Polizeigesetzen der Länder sind diese Maßnahmen seit Jahrzehnten festgeschrieben. Die einzige neue Befugnis des BKA-Gesetzes ist die sogenannte "Online-Durchsuchung". Und diese Befugnis ist kriminalistisch notwendig, sagen uns die Experten und verfassungsrechtlich in engen Grenzen erlaubt, urteilen die Bundesverfassungsrichter. Wenn ein terroristischer Anschlag über das Internet geplant oder koordiniert wird, reichen die herkömmlichen Instrumente nicht aus. Die Polizei muss terroristische Kommunikation überwachen, um den internationalen Terrorismus effektiv bekämpfen zu können. Es ist deshalb angemessen die, Sicherheitsbehörden technisch in die Lage zu versetzen, adäquat auf die veränderte Bedrohungslage reagieren zu können, genauso wie wir es als unsere Pflicht ansehen, dies im Rahmen der verfassungsrechtlichen Vorschriften zu tun.
Die gefundenen Regelungen genügen den hohen Anforderungen, die das Bundesverfassungsgericht an die Durchführung der Online-Durchsuchung gestellt hat. Danach kann dieses Instrument nur unter sehr hohen Hürden durch den Richter angeordnet werden. Auch der Eilfall, der im Gesetz vorgesehen ist, kann nur dann in Anspruch genommen werden, wenn ein Richter tatsächlich nicht erreichbar ist. Ein solcher Fall darf auch nur dann angenommen werden, wenn selbst ein effizienter Richter-Notdienst keine Abhilfe schaffen kann. Wir werden darauf drängen, dass Bereitschaftsdienste an allen BKA-Standorten vorhanden sind. Dies ist im Übrigen auch verfassungsrechtlich geboten. Die SPD hat erfolgreich für die Evaluierung und die Befristung insbesondere dieser neuen Maßnahme gekämpft. Bisher haben wir keine Erfahrungen mit der Durchführung von Online-Durchsuchungen bzw. deren praktische Auswirkungen. Nun muss ein unabhängiger Sachverständiger, der im Einvernehmen mit dem Deutschen Bundestag bestellt wird, diese Maßnahme begutachten. In Verbindung mit der Befristung der Maßnahme haben wir so die effektiven Vorraussetzungen für Korrekturmöglichkeiten durch den Gesetzgeber geschaffen. Eine Befristung nach acht Jahren wäre angemessen gewesen, war jedoch nicht durchsetzbar. Eine Befristung von zwölf Jahren ist besser als keine.
Die Privat- und Intimsphäre (vom Bundesverfassungsgericht als Kernbereich privater Lebensgestaltung bezeichnet) der von einer Online-Durchsuchung erfassten Personen wird wirksam geschützt. Hierüber wacht der unabhängige Datenschutzbeauftragte des Bundeskriminalamts. Bei der Auswertung der Kernbereichsinhalte wird er von zwei Beamten des Bundeskriminalamts unterstützt. In Zweifelsfällen sind die Daten zu löschen oder zur Entscheidung, ob der Kernbereich betroffen ist, einem Richter vorzulegen. Dieser gesamte Prozess muss dokumentiert werden. So hat auch der Bundesdatenschutzbeauftragte die Möglichkeit, den Vorgang zu kontrollieren. Peter Schaar hat sich zu dieser Regelung im Innenausschuss bereits positiv geäußert. Die bisherige Arbeit des BKA im repressiven Bereich zeigt, dass es auch mit seinen neuen Präventivkompetenzen, insbesondere denen die schwerere Grundrechtseingriffe nach sich ziehen, verantwortungsvoll umgehen wird. In den letzten zehn Jahren hat das BKA ganze zwei Rasterfahndungen durchgeführt. Von 2001 bis zum zweiten Quartal 2007 gab es nur sieben Wohnraumüberwachungen, also im Schnitt eine Wohnraumüberwachung pro Jahr! Von dem Instrument der Online-Durchsuchung, so BKA-Präsident Zierke, werde nur restriktiv Gebrauch gemacht werden. Die Maßnahme sei sehr komplex und aufwendig im Hinblick auf Personal-, Zeit-, und Kosteneinsatz. Es ist also zu erwarten, dass das BKA auch von seinen präventiven heimlichen Ermittlungsbefugnissen nur maßvoll Gebrauch machen wird. Die Balance zwischen Freiheit und Sicherheit bleibt mit dem BKA-Gesetz gewahrt.
In der Hoffnung, Ihre Frage damit beantwortet zu haben, verbleibe ich
mit freundlichen Grüßen
Rolf Mützenich