Frage an Rolf Mützenich von Manfred G. bezüglich Verbraucherschutz
Fehlende Wohnfläche, Folgen für Käufer und Mieter, Änderungsvorbehalt §308 4. BGB
Sehr geehrter Herr Mützenich,
im kommenden Wahlkampf sollte es nicht nur um CORONA und Klima gehen. In der FAZ vom 07.05.2021 war zu lesen, „Der Wohnungswahlkampf hat begonnen“. Wie die SPD mehr Wohnungen in den Ballungsgebieten schaffen will ist uns nicht bekannt. Bei uns werden Eigentumswohnungen und Häuser gebaut obwohl viele Wohnungen und Häuser leer stehen.
Unser Anliegen ist aktuell, deshalb die Fragen nach Unterstützung der SPD.
1. Wird sich die SPD der Forderung anschließen, dass nicht gelieferte Wohnfläche auch nicht zu bezahlen ist?
Begründung: Käufer und Benutzer der Wohneinheit sind ohnehin benachteiligt, wenn die Wohnung kleiner geliefert wird, die Baufirma Dank Toleranzgrenze und Wohnflächenverordnung sich schadlos halten kann.
2. Ist die SPD mit uns der Meinung, dass es für Erwerber und Bewohner einer Wohneinheit nur noch eine Quadratmeterzahl mit der dazu berechneten Tausendstelangabe geben darf; der Unterschied nach Mietrecht und Wohneigentumsrecht verschwindet?
3. Erkennt auch die SPD die Notwendigkeit, wenn ein Bewohner seine falsche Quadratmeterzahl feststellt, er Anspruch auf Korrektur gegenüber dem Träger (Wohnungseigentümergemeinschaft, Baugenossenschaft etc.) und Eigentümer in Bezug auf Miete und Umlage der Kosten hat?
4. Steht auch für die SPD fest, dass in der Teilungserklärung neben der Angabe der Tausendstel die Anzahl der Quadratmeter (Nutzfläche) stehen muss und der Eigentümer gegenüber seiner Wohnungseigentümergemeinschaft auf deren Kosten einen Anspruch auf Änderung der Teilungserklärung hat?
5. Ist die SPD auch der Meinung, dass wenn ein Bauträgervertrag geschlossen wurde, ohne Zustimmung des Käufers keine bauliche Veränderung in der Wohneinheit durchgeführt werden darf?
Mit freundlichen Grüßen
Barbara und Manfred Güntsch
Sehr geehrte Frau Güntsch, sehr geehrter Herr Güntsch,
haben Sie vielen Dank für Ihre Fragen.
Zur Angabe der Wohnfläche im Wohnraummietvertrag ist der Vermieter nicht verpflichtet. Er benötigt diese Größe jedoch spätestens für die erste Betriebskostenabrechnung oder die erste Mieterhöhung nach §§ 558 ff. BGB. Deshalb ist es weit verbreitete Praxis, dass Vermieter die Größe der Wohnfläche in Mietverträgen angeben. Die Rechtsprechung beurteilt Wohnflächenangaben nicht als unverbindliche Objektbeschreibung, die – wie andere Angaben zur Mietwohnung – lediglich der Unterscheidung von anderen Wohnungen im Mietgebäude dienen, sondern als Beschaffenheitsvereinbarung. Mit dieser legen die Vertragsparteien die nach § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB vom Vermieter geschuldete Soll-Beschaffenheit der Mietsache fest, ohne dass hiermit eine Zusicherung der Wohnungsgröße verbunden ist. Dabei sind ca.-Zusätze nicht geeignet, eine Beschaffenheitsvereinbarung zu verhindern.
Grundsätzlich begründet jede Flächenunterschreitung, die den vertragsgemäßen Gebrauch der Wohnung beeinträchtigt, einen Sachmangel der Mietsache. Beweist der Mieter, dass die tatsächliche Wohnfläche kleiner ist als vereinbart und dass dies seinen Mietgebrauch beeinträchtigt, so obliegt es dem Vermieter, darzulegen und zu beweisen, dass die Beeinträchtigung nur unerheblich ist.
Die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes besagt, dass für Wohnflächenabweichungen nicht mehr generell eine 10-prozentige Toleranzgrenze gilt. Bei Mietererhöhungen gilt jetzt die tatsächliche Wohnfläche – egal, welche Wohnungsgröße im Mietvertrag vereinbart ist, und egal, wie hoch die prozentuale Abweichung ist. Für Mieter*innen ist die folgende Frage wichtig: Was ist, wenn die Wohnung tatsächlich kleiner ist als im Mietvertrag angegeben? Hier gilt: Es kommt auf die tatsächliche Wohnfläche und nicht auf die vereinbarte an.
Der BGH hält aber ausdrücklich daran fest, dass ein zur Minderung der Miete führender Mangel der Wohnung im Sinne des § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB infolge Überschreitung der Erheblichkeitsschwelle (§ 536 Abs. 1 Satz 3 BGB) gegeben ist, wenn die tatsächliche Wohnfläche um mehr als 10 Prozent unter der im Mietvertrag angegebenen Wohnfläche liegt.
Für die Verteilung der Betriebskosten nach Wohnfläche kommt es auch auf die tatsächliche Wohnfläche an. Seine Rechtsprechung, dass die vereinbarte Wohnungsgröße für Betriebskosten maßgeblich sei, hat der BGH im Jahr 2018 gekippt. Somit stellt für Mietzahlungen, Mieterhöhungen oder den Betriebskosten die Wohnungsgröße einen notwendigen Maßstab zur Beurteilung dar, soweit die vertraglich angegebene Größe um mehr als 10 Prozent abweicht.
Ob eine geringe Unterschreitung der vereinbarten Wohnfläche von höchstens 10 Prozent den Mietgebrauch des Mieters erheblich beeinträchtigen kann, hat der BGH bislang nicht entschieden. Bei einer Flächenabweichung von bis zu maximal 10 Prozent greift die von der Rechtsprechung aufgestellte tatsächliche, unwiderlegliche Vermutung für einen Mangel nicht. Die Mieterin bzw. der Mieter muss beweisen, dass sein Mietgebrauch konkret beeinträchtigt war und er konkrete Nachteile erlitten hat.
Die SPD hat dieses Thema nicht in dem Wahlprogramm aufgenommen, weil die ständige Rechtsprechung für Klarheit sorgt und wir diese Urteile unterstützen. Die Frage von leichten Abweichungen im Mietvertrag (weniger als 10 Prozent) halten wir für vertretbar. Für uns ist hingegen wichtig, dass mehr Wohnraum bzw. mehr sozialer Wohnraum entsteht, Mietwucher unterbunden wird und die Rechte von Mieter*innen gestärkt werden.
Mit freundlichen Grüßen
Rolf Mützenich