Frage an Rolf Mützenich von Oliver T. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Mützenich,
aktuell wird mit einer extrem hohen ´Rotationsgeschwindigkeit´ im Innenministerium ständig Neues entwickelt um die Innere Sicherheit gegenüber dem Terrorismus zu wahren. (Vorratsspeicherung von Kommunikationsdaten, Mautkameras zur Überwachung/Ermittlung, Online Durchsuchung, Zugriff für Polizei und Dienste auf biometrischer Passdaten um nur die aktuellen Auswüchse zu nennen).
Wieso wird versucht mit der massiven Kontrolle und Beschneidung der persönlichen Freiheit der Bevölkerung ein politisches Problem zu lösen?(Die meisten Terroristen sehen sich schließlich als eine Art Rebellen oder Befreiungskämpfer) Wobei auch die Sinnhaftigkeit der angestrebten Lösungen von technischer Seite durchaus umstritten ist, da jedes technische System umgangen oder missbraucht werden kann.
Kameras überall in England haben die Subwaybombs nicht verhindert, Alle möglichen Dienste wussten von Atta und Co. aber haben den 11.09.2001 nicht verhindern können.
Was ist die konkrete Begründung für die Notwendigkeit dieser Aktionen?
So schlimm das Attentat auf das WTC war, die Anschläge in Madrid oder London liegen jetzt bis zu 6 Jahre zurück und haben weltweit alle zusammen sicherlich weniger Opfer gekostet als allein in Deutschland Alkohol, Straßenverkehrstote oder die 15 - 20 Tausend Grippetote im letzten Winter. Wird hier nicht ein Bedrohungsszenario erzeugt und als Rechtfertigung für Kontrollmittel genutzt, welches so gar nicht besteht?
Unsere Verfassung ist ein hart erkämpftes kulturelles Gut welches das Verhältnis des Staates zum einzelnen Bürger beschreibt und die Freiheit des Einzelnen garantiert. Sie ist es die uns von eben solchen totalitären und fanatischen Menschen und Staaten unterscheidet. Sie sollte mehr sein als ein formelles Hindernis was es bei Gelegenheit zu ändern gilt um Begehrlichkeiten zu befriedigen.
Sehr geehrter Herr Thoms,
vielen Dank für Ihre Mail.
Ich kann Ihre Bedenken durchaus verstehen. Auch mich erfüllt mit Sorge, was derzeit aus dem Innenministerium unseres Koalitionspartners zum Thema „Innere Sicherheit“ an neuen Vorschlägen und Ideen kommt. Bei der Diskussion um die Verschärfung der Sicherheitsgesetze geht es letztlich immer wieder um die Frage, wie sehr die Rechte aller Bürger eingeschränkt werden dürfen, um terroristische Gefahren abwehren zu können. Dabei ist der jüngste Vorstoß von Innenminister Schäuble abzulehnen. Im Strafrecht muss die Unschuldsvermutung uneingeschränkt auch für Terroristen gelten. Die SPD-Bundestagsfraktion ist auch strikt gegen die von Schäuble geforderte digitalisierte Speicherung der Fingerabdrücke auf den Personalausweisen.
Zum Thema Vorratsdatenspeicherung: Die grundsätzlich bis Herbst 2007 umzusetzende Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten und damit auch Deutschland zur Einführung von Speicherungspflichten für bestimmte Telefon- und Internetdaten zu Zwecken der Terror- und Verbrechensbekämpfung für eine Dauer von mindestens sechs und höchstens 24 Monaten. Die SPD-Bundestagsfraktion nimmt sowohl ihre Verantwortung für eine wirksame Kriminalitätsbekämpfung als auch ihre Verpflichtung für Bürgerrechte ernst. Sie hat ihren Vorbehalt gegen die EU-Regelung zur „Vorratsdatenspeicherung“ erst aufgegeben, nachdem die Bundesregierung in Brüssel einen zufriedenstellenden Kompromiss erzielt hat, dem letztlich auch das Europäische Parlament zustimmte. Der deutschen Regierung ist es auf europäischer Ebene gelungen, die „Vorratsdatenspeicherung“ auf das zu reduzieren, was zur Bekämpfung von Terrorismus und Kriminalität tatsächlich erforderlich und angemessen ist.
Ich bin wie Sie auch der Meinung, dass totale Sicherheit nicht zu haben ist. Einen präventiven Sicherheitsstaat, in dem der Bürger nicht mehr das Recht hat, in Ruhe gelassen zu werden, sondern jeder unter Terrorismusverdacht geraten kann, lehne ich ab.
Mit freundlichen Grüßen
Rolf Mützenich