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Rolf Mützenich
SPD
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Frage von Britta J. •

Frage an Rolf Mützenich von Britta J. bezüglich Verkehr

Sehr geehrter Herr Dr. Mützenich,

ich bin empört über die Vorgehensweise zur Autobahnprivatisierung.
Wie die taz heute berichtet, will die große Koalition ihre Grundgesetzänderung zur Autobahnprivatisierung nicht nur morgen, also am Donnerstag, 01.06.2017 in 2. und 3. Lesung im Bundestag beschließen.

Das Grundgesetz soll bereits weniger als 24 Stunden später, am Freitag, 02. Juni 2017 endgültig vom Bundesrat abschließend geändert werden. Die Grundgesetzänderung soll dafür per Bote vom Bundestag in den Bundesrat überbracht und in der laufenden Sitzung auf die Tagesordnung gehoben. Das ist wirklich unglaublich. Denn schließlich handelt es sich um die größte Grundgesetzänderung seit dem Jahr 2006.

Mich würde ihre Haltung dazu interessieren, da es maßgeblich meine Stimmabgabe zur Wahl beeinflussen wird.

Ich danke ihnen im voraus und verbleibe mit
Herzlichen Grüßen

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Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau Jakobs,

vielen Dank für Ihre Frage zum Thema Privatisierung der Autobahnen.

Vorweg: ich stehe Privatisierungen sehr skeptisch gegenüber und vertrete die Meinung, dass die öffentliche Daseinsvorsorge auch weiter in öffentlicher Hand bleiben soll. Das schließt die kommunale Wasserversorgung und Müllabfuhr genauso ein wie den Betrieb von Autobahnen und Schulen. Dafür kämpfe ich auch in meiner Fraktion in Berlin. Daher bin ich sehr froh, dass es der SPD-Bundestagsfraktion gelungen ist, die Privatisierungspläne der Unionsminister Schäuble und Dobrindt bei den Autobahnen und Bundestraßen zu verhindern.

Ihre Kritik am schnellen Verfahren kann ich nicht ganz teilen. Heute hat der Bundestag ein Paket verabschiedet. Zu diesem Paket gehören unter anderem auch mehr Geld für Alleinerziehende sowie Unterstützung finanzschwacher Kommunen bei der Sanierung von Schulen. Von dem heute beschlossenen Paket profitieren unsere Kinder und viele bedürftige Menschen. Auch werden die Länder und Kommunen milliardenschwer durch den Bund entlastet. Je schneller dies geschieht, umso besser. Weiter war die erste Lesung im Deutschen Bundestag zu diesem Reformpaket im Februar diesen Jahres. Im letzten Jahr begannen hierzu die Verhandlungen zwischen den Ministerpräsidenten der Landesregierungen und der Bundesregierung. Die Ministerpräsidenten haben dieses Reformpaket, wie es heute beschlossen wurde, einstimmig so gewollt. Im Paket. Zugestimmt haben da auch der Ministerpräsident der Linken, Bodo Ramelow wie auch der von Bündnis90/Die Grünen, Winfried Kretschmann sowie die 16 Landesregierungen unterschiedlichster Parteienkoalitionen. Es ist also kein reines Gesetzesvorhaben der großen Koalition.

Zurück zu Ihrer Befürchtung, wir hätten heute die Privatisierung der Autobahnen beschlossen. Hier möchte ich festhalten: mit der SPD wird es keine Privatisierung der Autobahnen und Bundesstraßen geben, weder ganz noch teilweise. Daran haben wir auch im parlamentarischen Verfahren festgehalten und heute den entsprechenden Beschluss gefasst.

Richtig ist zwar, dass sich der Bund zur Erfüllung seiner zukünftigen Aufgaben einer Gesellschaft privaten Rechts bedienen kann. Das betrifft jedoch nur die formale Rechtsform, ist jedoch gerade keine materielle Privatisierung. So bedienen sich zum Beispiel auch Kommunen zur Erfüllung der Daseinsvorsorge sehr oft der Rechtsform einer GmbH, ohne dass dies als Privatisierung angesehen werden kann, weil die Kontrolle der Kommune erhalten bleibt. Übrigens nutzen auch Gewerkschaften und andere Organisationen diese Rechtsform. Der Grund sind jeweils bessere Steuerungsmöglichkeiten. So ist es auch hier.

Um das zu schaffen, hat die SPD die eigentlich bereits für den 19. Mai vorgesehene Beschlussfassung in 2./3. Lesung im Bundestag blockiert, um sich bei diesen strittigen Punkten durchsetzen zu können. Jetzt können wir verkünden: Versprochen – gehalten! Das Verbot von funktionaler Privatisierung bei Teil-Netz-ÖPP kommt ins Grundgesetz und wird somit verfassungsrechtlich festgeschrieben. Grundgesetzlich schließen wir auch eine unmittelbare und mittelbare Beteiligung von Privaten an der neu zu gründenden Gesellschaft und ihrer regionalen Tochtergesellschaften aus – nach Auffassung unserer SPD-Gutachter von der Anhörung am 27. März, Prof. Dr. Georg Hermes und dem Bundesrechnungshof, die beiden wichtigsten Grundgesetzänderungen, ohne die wir das Paket hätten platzen lassen. Damit errichten wir im Gesetz – und auch im Grundgesetz – Schranken, wo es vorher keine gab.

Die tatsächlichen Veränderungen am Regierungsentwurf zur Privatisierung der Autobahnen, die wir Abgeordneten im Haushaltsausschuss in den letzten Wochen durchgesetzt haben, um eine mögliche Privatisierung der Autobahnen „durch die Hintertür“ zu verhindern, und jetzt im Parlament verabschiedet wurde, finden Sie in folgender Zusammenfassung:

1. „Eine unmittelbare oder mittelbare Beteiligung Dritter an der Infrastrukturgesellschaft und möglichen Tochtergesellschaften ist ausgeschlossen.“ Dies wird verfassungs-rechtlich und einfachgesetzlich geregelt.
2. Eine funktionale Privatisierung durch die Übertragung eigener Aufgaben der Gesellschaft auf Dritte, z.B. durch Teilnetz-ÖPP, wird ausgeschlossen. In Artikel 90 Ab-satz 2 des Grundgesetzes wird dazu der Satz eingefügt: „Eine Beteiligung Privater im Rahmen von Öffentlich-Privaten Partnerschaften ist ausgeschlossen für Streckennetze, die das gesamte Bundesautobahnnetz oder das gesamte Netz sonstiger Bundesfernstraßen in einem Land oder wesentliche Teile davon umfassen.“
3. Eine Übertragung von Altschulden auf die Gesellschaft wird ausgeschlossen.
4. Die Gesellschaft wird nicht kreditfähig. Damit ist die Gefahr einer Aufnahme von privatem Kapital zu hohen Zinsen gebannt. Um effizient wirtschaften und „atmen“ zu können, kann die Gesellschaft aber Liquiditätshilfen (zinslose Darlehen) aus dem Bundeshaushalt erhalten – wie andere Bundesgesellschaften auch.
5. Das wirtschaftliche Eigentum an den Fernstraßen, geht nicht an die Gesellschaft über, sondern bleibt beim Bund. Die Übertragung und die Überlassung von (Nieß-brauch-)Rechten werden ausgeschlossen.
6. Mautgläubiger bleibt der Bund (für Lkw-Maut und Pkw-Maut). Die Option, dass die Gesellschaft das Mautaufkommen direkt vereinnahmen kann, ist gestrichen. Die zweckgebundenen Einnahmen (Lkw-Maut, Pkw-Maut) fließen der Gesellschaft wie bisher über den Bundeshaushalt zu.
7. Das Verkehrsministerium kann Befugnisse und Aufgaben der Gesellschaft und des Fernstraßen-Bundesamtes nur dann auf andere vom Bund gegründete Gesellschaften übertragen, wenn diese im ausschließlichen Eigentum des Bundes stehen.
8. Spartengesellschaften sind ausgeschlossen. Zur Herstellung der Präsenz in der Fläche kann die Gesellschaft aber bedarfsgerecht bis zu zehn regionale Tochtergesellschaften gründen, die denselben Restriktionen unterliegen wie die Muttergesellschaft.
9. Die Gesellschaft wird als GmbH errichtet. Die Evaluationsklausel, die eine einfache Umwandlung zur AG ermöglicht hätte, wird gestrichen.
10. Der Gesellschaftsvertrag (= Satzung) der GmbH und wesentliche Änderungen bedürfen der vorherigen Zustimmung durch den Haushaltsausschuss und den Verkehrsausschuss des Deutschen Bundestages.
11. Eine unabhängige externe Prüfung der Haushalts- und Wirtschaftsführung der Gesellschaft sowie möglicher Töchter wird sichergestellt, indem entsprechende Prüfrechte des Bundesrechnungshofes verankert werden.
12. Kontroll- und Einflussmöglichkeiten des Parlaments auf Verkehrsinvestitionen bleiben vollumfänglich erhalten.
13. Der fünfjährige Finanzierungs- und Realisierungsplan für Verkehrsinvestitionen der Gesellschaft bedarf der vorherigen Zustimmung durch den Haushaltsausschuss und den Verkehrsausschuss des Deutschen Bundestages (während dieser 5-Jahresplan nach heutigem Recht den Ausschüssen vom Verkehrsministerium nur „zur Kenntnis“ und damit ohne Zustimmungsvorbehalt vorgelegt wird).

In dem Aufruf von Change.org wird gefordert, folgende Formulierung ins Grundgesetz aufzunehmen: „Die Bundesrepublik Deutschland haftet für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft“. Diese Formulierung unserer Sachverständigen stammt aus dem März 2017 auf der Grundlage des Regierungsentwurfes, der vorsah, dass die Gesellschaft sich – ohne parlamentarische Kontrolle – unbeschränkt am Markt verschulden hätte dürfen. Genau DAS allerdings ist jetzt von uns ausgeschlossen worden. Die Gesellschaft HAT KEINE Verbindlichkeiten und wird keine haben dürfen, weil sie und ihre möglichen „Töchter“ zu 100 Prozent dem Staat zuzurechnen sind. WENN jetzt trotzdem die von „Change.org.“ vorgeschlagene Formulierung ins Grundgesetz aufgenommen werden würde, wäre verfassungsrechtlich verankert, dass diese Gesellschaft Verbindlichkeiten haben SOLL – ein fataler Fehler.

Des Weiteren beschreibt Change.org in diesem Zusammenhang die Gefahr, dass „unter einer möglichen neoliberalen schwarz-gelben Koalition“ genau diese gesetzlichen Restriktionen, die wir heute für diese „Autobahngesellschaft“ beschließen, ausgehebelt werden könnten. Das stimmt teilweise. Allerdings konnte eine schwarz-gelbe Regierung eben leider auch die Verlängerung der Laufzeiten der Atomkraftwerke nur wenige Monate vor Fukushima beschließen und NUR DADURCH den vier Energiemonopolisten Klagemöglichkeiten auf milliardenschweren Regress nach der Energiewende eröffnen. Man kann eben leider nicht grundgesetzlich aus-schließen, dass künftige Regierungen folgenschwere negative Entscheidungen für die Menschen treffen – in der Demokratie haben genau diese Verantwortung die Wählerinnen und Wähler. Aktuell soll Schwarz-Gelb im Bund in den Umfragen der Demoskopen eine Mehrheit haben – helfen sie mit, dass sich das bis zum 24. September 2017 ändert. Unser Land braucht wieder eine SPD-geführte Bundesregierung mit einem Bundeskanzler Martin Schulz, damit der neoliberale Wahnsinn der Union wie auch der FDP verhindert werden kann.

Mit freundlichen Grüßen
Rolf Mützenich

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