Frage an Rolf Mützenich von Benjamin W. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Mützenich,
die Auswahl der Themenkategorie, mit der ich mich in ebenso angewiderter wie besorgter Stimmung an Sie wende, hätte anstatt "Internationales" genauso gut "Demokratie und Bürgerrechte","Integration" oder auch " Faschismus/Rechtsextremismus in Deutschland" lauten können.
Denn es geht um den türkischen bzw. erdoganischen Wahlkampf auf deutschem Boden, konkret heute am 5. März in Köln und Leverkusen.
Sinnigerweise geht es genauso um zukünftige Bestrebungen solcher Art der türkischen Regierungen hier oder anderenorts in der Bundesrepublik, denn was was macht es für einen Unterschied, ob das Marketing für Diktatur, Folter und Todesstrafe in Leverkusen, Limburg oder Lüdenscheid stattfindet.
Ich weiß nicht, ob sich Kommunen, Länder und der Bund in dem Gefühl der Unzuständigkeit gegenseitig zu unterbieten beabsichtigen.
Aber ich weiß, dass ich mich von der Bundesregierung weder als Bürger beschützt noch als Teil ihres Souveräns würdig vertreten fühle, wenn ebendiese einem Unrechtsregime das Forum auf dem Weg in die totalitäre Vollendung bereitet.
Das alles überschattet und wohl auch beeinflusst, das mag ich nicht verschweigen, von einem heuchlerischen " Flüchtlingsdeal", der der Türkei unter halbseidenen Begleitumständen jene Grenzschutzmacht und -Funktion zukommen lässt, zu der meine Regierung nicht die Courage hat.
Doch auch unter weniger unverschämten und weniger radikalen Umständen, so stelle ich für mich bei dieser Gelegenheit fest, erachte ich den Wahlkampf anderer Nationen in unserem Land für als nicht wünschenswert.
Meine Frage nun an Sie: Was gedenken Sie in dieser Problematik zu unternehmen?
Sind Sie der Meinung, die Regierung sollte diese Art Wahlkampf bzw, Auftritte unterbinden?
Genau dazu möchte ich Sie auffordern.
Vielen Dank für Ihr Engagement, mit freundlichen Grüßen,
Benjamin Wroczinski, Köln-Nippes
Sehr geehrte Herr Wroczinski,
haben Sie vielen Dank für Ihre Frage, in welcher Sie Ihren Unmut über geplante Wahlkampfauftritte türkischer Regierungsmitglieder in Deutschland äußern und Ihre Kritik an der deutschen Türkeipolitik äußern. Ich teile Ihren Ärger und bin der Meinung, dass Wahlkampfauftritte ausländischer Regierungen in Deutschland nichts zu suchen haben. Daher war ich auch sehr froh über die Absagen aus Gaggenau und Köln zu der Zeit.
Die damalige Absage des Gesprächstermins mit unserem Bundesjustizminister Heiko Maas durch den türkischen Justizminister in diesem Zusammenhang ist bezeichnend und ärgerlich. Für uns als Sozialdemokraten ist der diplomatische Austausch mit der türkischen Regierung wie auch und insbesondere mit der Opposition gerade in diesen schwierigen Zeiten sehr wichtig und wir wollen und müssen diese Gespräche aufrecht erhalten.
Auf der anderen Seite kann ich es verstehen, wenn es Stimmen gibt, die sich auf unsere im Grundgesetz verankerte Meinungsfreiheit und das Versammlungsrecht beziehen. Aber die ausländischen Regierungsvertreter müssen sich dann auch an unser Recht und Gesetz halten. Eine weitere Polarisierung der türkischen Gesellschaft in Deutschland gilt es zu verhindern. Wahlkampfauftritte unter falschen Voraussetzungen anzumelden sind hierfür nicht dienlich.
Im November letzten Jahres gab ich dem WDR ein Radiointerview zur Türkeipolitik der Bundesregierung, welches Sie unter folgendem Link abrufen können: https://www.rolfmuetzenich.de/interview/rolf-muetzenich-kritik-tuerkeipolitik-bundesregierung
Leider hat sich die Situation seitdem eher verschärft. Europa sollte besonnen und gemeinsam auf die neuerlichen Angriffe aus der Türkei auf die europäische Demokratie reagieren. Die türkische Bevölkerung wäre gut beraten, beim anstehenden Referendum mit Nein zu stimmen. Unser neugewählter Bundespräsident hat letzte Woche bei seiner Vereidigung kluge und deutliche Worte in dieser Frage gefunden, die ich vollkommen unterstütze.
Mit freundlichen Grüßen
Rolf Mützenich