Frage an Rolf Mützenich von Norbert F. bezüglich Verkehr
Sehr geehrter Herr Dr. Mützenich,
mit Erstaunen habe ich abgeordetenwatch.de entnommen, dass Sie für die Einführung der PKW-Maut gestimmt haben.
Das überrascht und enttäuscht mich zugleich.
Ich hatte gehofft, dass Sie bei dem durchsichtigen Manöver, die Maut trotz unzulässiger Diskriminierung einzuführen, um dann nach der zu erwartenden Entscheidung des EuGH zwar nicht die Maut, jedoch die Entlastung über die Kfz-Steuer abschaffen und die Schuld dann "Brüssel" geben zu können, nicht unterstützen.
Als 1962 Geborener durfte ich schon einige Wahlen auf Europa-, Bundes,- Landes- und Kommunalebene miterleben. Ich habe keine dieser Wahlen verpasst und noch nie anders als SPD gewählt.
Nun bin ich so sehr von der Politik, insbesondere von der SPD, enttäuscht, dass ich diese Partei nicht mehr wählen kann.
Politik ist in meinen Augen verkommen zu einem Geschachere wie auf dem Bazar. Das hat mit Kompromissfindung nichts mehr zu tun.
Die SPD ist gegen die Maut. Die Abgeordneten - auch Sie - stimmen der Einführung zu.
Die SPD ist gegen die Herdprämie und was macht die Familienministerin der SPD? Nichts.
Frau Nahles reguliert und reguliert. Nun wird überlegt, Teeküchen in Betrieben zu verbieten, wenn sie keine Fenster haben. Das ist albern. In dem Betrieb, in dem ich arneite, befindet sich eine solche "gefährliche" Teeküche ohne Fenster. Dort verbringe ich ca. 60 Sekunden am Tag, um meine Teetasse zu spülen. In mehr als 40 Jahren Beschäftigung habe ich dadurch keinen erkennbaren Schaden genommen.
Was soll das?
Als Vorstandsmitgleid eines ehrenamtlich geführten Sportvereins beschäftigen wir eiene Platzwart als Geringfügig Beschäftigten. Die Arbeitszeit sind jaherzeitenbedingt unterschiedlich hoch. Nie liegen wir jedoch mit der bezahlung unterhalb des gesetzlichen Mindestlohns. Im gegenteil. Wir liegen deutlich darüber.
Der enorme administrative Aufwand hat dazu geführt, dass wir niemanden mehr finden, der diese Bürokratie ehrenamtlich erledigt.
Was soll das?
Sehr geehrter Herr Fausten,
wie Sie wissen steht die SPD-Bundestagsfraktion der Maut nach wie vor kritisch gegenüber. Im Gegensatz zur CSU, für welche die Maut nicht nur das wichtigste Kernthema für die jetzige Legislaturperiode ist, sondern auch das bisher einzige Projekt war und wahrscheinlich auch bleiben wird.
Wir Sozialdemokratinnen und -demokraten sind 2013 zur Bundestagswahl angetreten, weil wir das Land gerechter gestalten wollten. Leider hat uns das Bundestagswahlergebnis nicht den Stimmenanteil gegeben, um diesen Willen als stärkste Kraft im Bundestag umzusetzen. Die Menschen im Land wählten weiter Angela Merkel zusammen mit der CSU als Kanzlerin und uns als ihren Juniorpartner.
Die CSU hat noch vor Beginn der Koalitionsverhandlungen deutlich gemacht, dass es für sie keine Koalition ohne PKW-Maut geben würde. Es wäre die Rolle einer starken Kanzlerin gewesen, ihre Parteifreunde in der Union zu stoppen. Leider kam es anders. Während wir als SPD Projekte wie den Mindestlohn, die Rente ab 63, die Mietpreisbremse, die Frauenquote und viele andere Dinge auf den Weg gebracht haben und noch auf den Weg bringen werden, drehte sich bei der Union alles nur um die PKW-Maut.
Im Koalitionsvertrag wurden nun sehr viele einzelne Vorhaben vereinbart. Viele Punkte stammen aus dem SPD-Programm. Für uns Sozialdemokraten ist der Mindestlohn essenziell gewesen, weil wir es nicht länger akzeptieren wollten, dass Menschen für eine Stunde ihrer Lebenszeit beispielsweise unanständige drei bis vier Euro erhalten. Dafür mussten wir ärgerliche Kompromisse machen, beispielsweise die PKW-Maut von CSU/CDU in den Verhandlungen über den Koalitionsvertrag akzeptieren. Deshalb wird mit Angela Merkel heute die PKW-Maut in Deutschland eingeführt.
Die SPD war es, die in den Koalitionsvertrag drei klare Bedingungen für die Einführung einer Maut gestellt hat: EU-Konform, keine Mehrbelastung für deutsche Autofahrer und ein signifikanter Ertragsgewinn muss spürbar sein. Die seitdem eingegangen Gesetzesvorschläge des zuständigen CSU-Ministers Dobrindt erfüllten die Anforderungen lange nicht. In den monatelangen Verhandlungen gelang es unseren Verkehrspolitikern letztendlich, eine gesetzlich vorgeschriebene Evaluierung zwei Jahre nach Einführung der PKW-Maut festzuschreiben. Erweist sich das Kernthema der CSU dann als nicht praxistauglich und wenig gewinnbringend, ist eine Absetzung der Maut durchaus vorstellbar.
Viele Bürgerinnen und Bürger sind nun enttäuscht über unsere Zustimmung zur Maut, ein Stückweit kann ich Sie dabei auch verstehen. Allerdings nun der SPD hierfür die Schuld zu geben ist nicht fair. Auch sollte man eine Wahlentscheidung nicht nur von einem einzelnen Punkt abhängig machen. In der bisherigen Regierungsbilanz kann sich unser Handeln durchaus sehen lassen, wie ich finde und auch eingangs beschrieben habe. Manchmal ist es schon die bestmögliche Politik, wenn es gelingt noch Schlimmeres zu verhindern.
Viele Bürgerinnen und Bürger schrieben uns auch im Vorfeld der Gesetzgebung, einfach unserem Gewissen zu folgen. Die Erwartung, dass wir als SPD-Abgeordnete unserem Gewissen folgen, erfüllen wir gern, denn dies ist in der SPD-Fraktion einer der wichtigsten, wenn nicht der wichtigste Maßstab. Die PKW-Maut, eine Straßenbenutzungsgebühr, gehört in unserem Wertekanon allerdings nicht zu den Gewissensentscheidungen.
Nun hoffen wir, dass durch unseren Beschluss wenigstens ein echter zusätzlicher Beitrag zur Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur übrig bleibt, von dem sowohl deutsche als auch ausländische Autofahrerinnen und Autofahrer profitieren werden.
Mit freundlichen Grüßen
Rolf Mützenich