Frage an Rolf Mützenich von Marvin M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Mützenich,
wie sehen Sie die Rolle der Swoboda Partei in der ukrainischen Regierung?
Laut Linkspartei ist diese Partei "faschistisch", laut Spiegel, Süddeutsche und Zeit zumindest "rechtsextrem" und "radikal nationalistisch".
Das EU-Parlament sprach in einer Resolution von 2012 von „Rassistische(n), antisemitische(n) und ausländerfeindliche(n) Auffassungen“ , welche im Widerspruch zu den Grundwerten der EU stehen würden und appellierten an alle „demokratisch gesinnten Parteien in der Werchowna Rada“, nicht mit der Swoboda zusammen zu arbeiten. Im Mai des letzten Jahres setzte sich der Jüdische Weltkongress (WJC) für ein Verbot der Partei ein.
Nun will die Regierung die KPU verbieten, welche mehr Prozente erhalten hat, als die Swoboda Partei hat. Trotz der Größe wurde die KPU-Fraktion nun aufgelöst, weil diese "nicht genug Mitglieder" hat. Was bei 13% bei der letzten Wahl für die KPU und einer Sperrklausel von 3% undemokratisch ist.
Die Ukrainische Regierung wird von Seiten der Regierung aber mit keinem Wort kritisiert. Sehen Sie dies alles nicht so? Haben sie kein Problem mit den Ansichten der Swoboda-Partei? Haben Sie kein Problem mit einer nur durch Abstammung vergebenen Staatsbürgerschaft, einer ethnischen "Ukrainer-Quote" für Unternehmen, Verschärfung der Pressefreiheit usw?
Wie sehen Sie die Auflösung der KPU-Fraktion? (ich bin kein Freund des (osteuropäischen) Kommunismus respektive der Parteien, die sich so nennen. Jedoch muss auch bei solch einer Partei die Rechtsstaatlichkeit gelten - und in diesem Falle ist sie nicht hergestellt.
Bin ich auf russische Propaganda reingefallen und falls nicht - warum unterstützt man eine Regierung mit vier Ministern einer solchen Partei? (und dubiosen "Unabhängigen")
Liebe Grüße,
Marvin
EU-Resolution: http://bit.ly/1nE7nW4
Auflösung und Verbotsverfahren der KPU+Brief von Linkspartei an Poroschenko: http://bit.ly/1pIHt7O
Ziele des Parteivorsitzenden der Swoboda: http://bit.ly/Xa1b3a
Sehr geehrter Herr Müller,
haben Sie vielen Dank für Ihre Anfrage.
Die Auflösung der KPU-Fraktion durch den ukrainischen Parlamentspräsidenten Oleksandr Turtschinow verurteile ich wie Sie und habe für diesen Schritt wenig Verständnis. Für ebenso falsch halte ich die Bestrebungen von Teilen der ukrainischen Regierung, die Kommunistische Partei verbieten zu wollen. Der Staatspräsident der Ukraine, Petro Poroschenko, wurde für diese Pläne im Übrigen von der Parlamentarischen Vollversammlung des Europarates scharf kritisiert. Es ist also nicht so, dass die EU in diesem Punkt wegschaut und keine Kritik übt.
Nun verurteilen Sie, Herr Müller, in Ihrem Schreiben weiter die rechtsradikale Partei Swoboda und stellen die Frage, ob ich mit dieser Partei nicht ein Problem habe. Ich teile Ihre Einschätzung über die Partei, Ihnen dürfte sicher das Attribut, welches ich der Partei vorgesetzt habe, aufgefallen sein. In der Vergangenheit habe ich immer wieder betont, dass wir darauf hinweisen müssen, dass es Parteien in der Ukraine gibt, welche nicht die Werte reflektieren, welche wir in Deutschland und in der EU entwickelt haben und heute auch bemüht sind vorzuleben. Das Programm der Swoboda-Partei ist menschenverachtend, die von Ihnen aufgeführten Ziele finden aber in der Mehrheit der ukrainischen Bevölkerung zum Glück keine Zustimmung. Die Präsidentschaftswahlen im Mai dieses Jahres haben gezeigt, dass die Partei nicht mehr den Rückhalt genießt wie noch 2012 bei den Parlamentswahlen. Sowohl der Kandidat der Swoboda wie auch der KPU erreichten nicht ernstzunehmende Stimmenanteile von unter zwei Prozent.
Sicher kann man kritisieren, dass in der Übergangsregierung im Februar 2014 Mitglieder der Swoboda-Partei ins Kabinett berufen wurden. Nun kann man auch darüber streiten, ob die Bereiche Ökologie, Lebensmittel und Agrar für das im innenpolitischen Umbruch befindliche Land für eine Übergangsregierung von großer Bedeutung sind und ein dritter Vize-Präsident eine große Machtfülle erhalten hat. Wir sollte auf keinen Fall auf die russische Propaganda reinfallen, nach der in der Ukraine ausschließlich "Neofaschisten" das Sagen hätten-
Seien Sie sich sicher, eine Regierung ohne Swoboda-Mitglieder wäre auch mir lieber gewesen. Doch müssen wir nicht nur das Wahlergebnis akzeptieren, sondern auch bedenken, aus welcher Situation und mit welcher Zielsetzung diese Regierung gebildet wurde. Damals galt es, schnell zu handeln und weiteres Blutvergießen zu verhindern. Dies ist in den Verhandlungen mit Frank Walter Steinmeier gelungen und als positiv anzuerkennen. Ich bin unserem Außenminister für diesen besonnenen und unermüdlichen Einsatz sehr dankbar, niemand weiß, wie viele Tote ein weitergehender Konflikt damals gekostet hätte. Es galt, Schlimmeres in der Ukraine zu verhindern und dies ist mit großem Einsatz der Bundesregierung auch gelungen.
Letztendlich sollte doch für uns alle ein Grundsatz internationaler Politik auch im Konflikt der Ukraine gelten, bei aller oben aufgeführter Kritik: dass wir die Integrität dieses Landes und die Souveränität der Bürgerinnen und Bürger in der Ukraine anerkennen sowie die nationale Identität der Ukraine respektieren.
Mit freundlichen Grüßen
Rolf Mützenich