Frage an Rolf Mützenich von Birgit D. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrter Herr Dr. Mützenich,
auf einem Vortrag der Jobcenter-Mitarbeiterin Inge Hannemann wurden desaströse Arbeitsumstände und unmenschliche Arbeitsanweisungen in den Jobcentern beschrieben.
Gehört hatte ich schon viel von arbeitslosen Menschen selbst, die permanent in sinnlosen, langweiligen und freiheitsberaubenden Maßnahmen in großen Hallen weggesperrt werden, um dort angeblich von Schwarzarbeit und Müßiggang fern gehalten zu werden.
Dabei werden diesen "Bildungsträgern" noch riesige Summen Geldes für diese "Tagesknäste" bezahlt. Kein Arbeitloser traut sich Nein zu diesen "Angeboten" vonseitens der Jobcenter-Mitarbeiter zu sagen, denn dann gibt es eine Sanktion.
Wie inflationär und falsch das Instrument der Sanktionen nun auch trickreich angewandt wird, um die Kassen der Jobcenter zu schonen. So war das vom Gesetzgeber ursprünglich nicht gedacht. Zudem ist die Art der Sanktionen gegen unter 25jährige keine Erziehungmaßnahme, sondern ein Existenzvernichtungsprogramm. Eine positive erzieherische Wirkung wäre gegeben, wenn man erstmal 10% sanktioniert und dann bei jedem weiteren Verstoß in kleine Schritten (10%) höher geht. Wenn ein Junge seinem Vater Ärger macht, schlägt der Vater ihn auch nicht gleich tot, sondern erhöht die Strafen, je nach Schwere eine Tat.
Was gedenken Sie dagegen zu unternehmen, falls Sie gewählt werden?
Sehr geehrte Frau Dunker,
vielen Dank für Ihre Frage.
Die SPD sieht Änderungsbedarf bei den Sanktionsregelungen. Wir wollen, dass die Regelungen zu den Sanktionen im SGB II individueller auf den Einzelfall eingehen. Art und Umfang einer Sanktion müssen abgestuft und leichter zurückgenommen werden können. Zudem müssen die Sanktionsregelungen wissenschaftlich evaluiert werden, um zu überprüfen, inwieweit sie mit der Sicherstellung des soziokulturellen Existenzminimums in Konflikt geraten. Drittens sollten die gesetzlichen Regelungen dahingehend angepasst werden, dass eine schriftliche Rechtsfolgenbelehrung notwendige Voraussetzung für die Anwendung einer Sanktionsregelung ist. Viertens gibt es keinen erkennbaren Grund, warum Jugendliche härter sanktioniert werden als Ältere.
Unser Ziel ist Recht und Ordnung auf dem Arbeitsmarkt. Der Wert der Arbeit muss wieder hergestellt werden. Anstrengung und Fleiß müssen sich für die Menschen wieder lohnen. Der Einstieg in einen gesicherten Beruf muss für alle ebenso möglich sein wie existenzsichernde und sozial abgesicherte Arbeit und für möglichst viele auch der Aufstieg im Beruf
Wir wollen eine aktive Arbeitsmarktpolitik, die sich an modernen Erwerbsbiografien orientiert. Sie soll Arbeitslosigkeit verhindern, die Arbeitsvermittlung verbessern und verfestigte Langzeitarbeitslosigkeit aufbrechen. Wir werden weiterhin ein hohes Augenmerk auf die Situation von älteren Arbeitslosen und Langzeitarbeitslosen richten. Vollbeschäftigung ist unser Ziel.
Der Arbeitsmarkt regelt sich nicht von selbst. Arbeitsmarktpolitik muss dazu beitragen, dass Arbeitslosigkeit schon im Ansatz verhindert wird. Ein hohes Niveau der Mittel für aktive Arbeitsförderung ist unerlässlich, um verfestigte Langzeitarbeitslosigkeit aufzubrechen. Arbeit zu fördern, statt Arbeitslosigkeit zu finanzieren, bleibt ein zentrales Ziel.
Wir wollen die Arbeitslosenversicherung wieder stärken und die finanziellen Mittel für aktive Arbeitsförderung auf hohem Niveau verstetigen, um jedem Langzeitarbeitslosen ein passgenaues und zumutbares Angebot machen zu können. Vorrangig geht es um Beschäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt. Ein nicht unerheblicher Teil von Langzeitarbeitslosen mit mehrfachen Vermittlungshemmnissen hat aber derzeit geringe Chancen auf Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt. Wir dürfen diese nicht zurücklassen. Das gilt auch für Langzeitarbeitslose, die wegen der Anrechnung von Partnereinkommen bisher keinen Anspruch auf aktivierende Leistungen nach dem SGB II haben.
Deshalb werden wir mittelfristig einen öffentlich geförderten Beschäftigungssektor mit Angeboten sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung schaffen, der auch durch den Transfer von passiven in aktive Leistungen finanziert wird. Dabei wollen wir, dass eine adäquate sozialpädagogische Begleitung sowie Qualifizierungsmaßnahmen Bestandteil dieses Angebots sind.
Die Schutzfunktion der Arbeitslosenversicherung ist für viele Arbeitslose nicht mehr gegeben. Viele Menschen erreichen aufgrund unsteter und kurzzeitig befristeter Beschäftigung keine Anwartschaft auf Arbeitslosengeld mehr, obwohl sie Beiträge zahlen. Wir wollen dies durch eine Änderung der Anwartschaftsregelungen wieder verbessern. Wir werden die Rahmenfrist, in der ein Anspruch auf Arbeitslosengeld erworben werden kann, von zwei auf drei Jahre verlängern. Wir setzen uns für Betreuungsschlüssel in den JobCentern ein, die eine echte Betreuung möglich machen, nicht nur eine Verwaltung der Akten.
Ich hoffe, Ihre Frage damit beantwortet zu haben und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Rolf Mützenich