Frage an Rolf Mützenich von Tobias D. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Mützenich,
ich interessiere mich für Ihre persönliche Haltung und die Ihrer Fraktion zur Außenpolitik der BRD gegenüber der DVRK (ab jetzt Nordkorea) und würde mich freuen, wenn Sie mir die Position Ihrer Fraktion oder Ihre persönliche Haltung erläutern könnten. Um die Frage etwas einzugrenzen folgen einige Eckpunkte, die ich besonders spannend finde.
Empfinden Sie die aktuelle Politik gegenüber Nordkorea, mit besonderem Blick auf die Themen Menschenrechte und Denuklearisierung, aber auch bezüglich dem langfristigen Ziel der Entspannung der Situation auf der Koreanischen Halbinsel als hinreichend? Wenn nein, was Bundesregierung besser machen? Gibt es beispielsweise außenpolitische Potentiale gegenüber Nordkorea, die die Bundesrepublik bisher nicht ausnutzt?
Sehen Sie ein Spannungsfeld zwischen den Sanktionen gegen Nordkorea und humanitären Zielsetzungen der Völkergemeinschaft, sehen Sie also die Gefahr möglicher "Kollateralschäden" aufgrund der Sanktionen?
Wäre eine stärkere Rolle der BRD oder der EU als vermittelnde Instanz im festgefahrenen Konflikt auf der Koreanischen Halbinsel wünschenswert? Wenn ja, was könnte hier konkret getan werden?
Sollte ich einen Ihrer Meinung nach wichtigen Aspekt der deutschen Außenpolitik gegenüber Nordkorea ausgelassen haben, würde ich mich sehr freuen, wenn Sie auch hierzu kurz Stellung beziehen könnten.
Ich werde diese Fragen gleichzeitig auch den außenpolitischen Sprechern der anderen Bundestagsfraktionen stellen, um mir ein Bild von den unterschiedlichen Positionen und Standpunkten zu machen.
Vielen Dank für Ihre Antwort,
Tobias Dondelinger
Sehr geehrter Herr Dondelinger,
Vielen Dank für Ihr Interesse an der Haltung der SPD zu Nordkorea. Gemeinsam mit den Fraktionen CDU/CSU, FDP und Bündnis 90/DIE GRÜNEN haben wir anlässlich des 130. Jahrestages der Aufnahme offizieller Beziehungen im Juni 2013 einen Antrag in den Deutschen Bundestag eingebracht. Darin wird die Bundesregierung u.a. aufgefordert, die Beziehungen zu beiden koreanischen Staaten weiter auszugestalten und dynamisch fortzuentwickeln. Wir haben die Bundesregierung aufgefordert, die politische Annäherung der beiden Staaten mit dem Ziel einer Wiedervereinigung nach Kräften zu unterstützen und sich für eine demokratische Entwicklung im nördlichen Teilstaat einzusetzen. Insbesondere soll sich die Bundesregierung für eine Wiederaufnahme des multilateralen Forums der Sechs-Parteien Gespräche, mit Beteiligung der beiden koreanischen Staaten, der Volksrepublik China, der Vereinigten Staaten von Amerika, der Russischen Föderation und Japan einsetzen.
Die politische Situation auf der koreanischen Halbinsel und in ganz Nordostasien steht im Schatten des Nuklearprogramms und der militärischen Drohgebärden seitens Nordkorea. Die Eskalationsspirale stellt eine Gefahr für den Frieden in Nordostasien dar. Ihr Verlauf und Ausgang werden Einfluss auf die zukünftige Gestalt des Internationalen Systems haben. Die Region birgt hohe Risiken und Spannungen, die jederzeit in Gewalt umschlagen können: Streit um Grenzen an Land und vor allem auf dem Meer, Autonomiebestrebungen, Zugang zu Trinkwasser, Nationalismus, Wettrüsten.
Besorgniserregenden Menschenrechtsverletzungen muss Einhalt geboten werden.
Zudem liefert Nordkorea Raketen und Ausrüstung an Länder wie Syrien, einem Kriegsschauplatz an den europäischen Außengrenzen, wo täglich Tod, Flucht und Elend vorherrschen.
Ziel deutscher, europäischer und internationaler Politik muss es sein, Nordkorea von völkerrechtswidrigen Provokationen abzuhalten und den Konflikt in einen diplomatischen Prozess zu überführen. Gelänge dies alles nicht, wären noch größere Aufwendungen für Rüstung und Militär, der Aufbau angeblich funktionstüchtiger Raketenabwehrsysteme, einschließlich der Rückkehr von Ungewissheit und Angst wie im Kalten Krieg.
Bedauerlicherweise fehlen in Europa zur direkten Krisenbewältigung der notwendige Einfluss, die Kapazitäten und der politische Wille. Dennoch gibt es Handlungsmöglichkeiten: Zwei europäische Staaten verfügen immer noch über Atomwaffen. Offizielle Stellungnahmen aus London und Paris, der Besitz von Kernwaffen garantiere eine unabhängige und durchsetzungsfähige Außenpolitik, befördern ähnliche Sichtweisen in anderen Staaten. Es wäre daher besser, wenn die britische und französische Regierung erklären würde, dass Atomwaffen keine Sicherheit schaffen und man langfristig darauf verzichten könne, so wie es US-Präsident Obama getan hat. Frankreich und Großbritannien könnten gemeinsam beschließen, die kernwaffenfreie Zone in Südostasien (Bangkok-Treaty) vertraglich zu respektieren. Dies wäre ein wichtiges Signal auch an die koreanische Halbinsel, wo ein ähnlicher Vertrag seit Jahrzehnten Ziel der Diplomatie ist. Zudem könnte Europa noch intensiver die Zusammenarbeit mit Regionalorganisationen in Asien suchen und anbieten, bei der Lösung von Krisen oder beim präventiven Konfliktmanagement zu helfen.
Für die Lockerung internationaler Sanktionen braucht es eine schrittweise Denuklearisierung Nordkoreas und eine Rückkehr zur Annäherungspolitik. Der UN-Sicherheitsrat hatte im März diesen Jahres mit der Verurteilung des Atomtestes allen Mitgliedsstaaten zusätzliche restriktive Maßnahmen gegenüber Nordkorea empfohlen. Die Europäische Union ist im Juli diesen Empfehlungen mit Zustimmung Deutschlands gefolgt. Ich sehe zur Zeit keine Anhaltpunkte dafür, das internationale Sanktionsregime zurückzufahren.
Meiner Meinung nach sollten jetzt alle Seiten auf möglicherweise als provokativ empfundene Handlungen verzichten. Darüber hinaus sehe ich vor allem die Volksrepublik China in der Pflicht, zu einer weiterhin aktiven Politik der Deeskalation und Diplomatie beizutragen.
In der Hoffnung, Ihre Fragen damit beantwortet zu haben, verbleibe ich
mit freundlichen Grüßen
Rolf Mützenich