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Rolf Mützenich
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Frage von Christine K. •

Frage an Rolf Mützenich von Christine K. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrter Herr Dr. Mützenich,

Sie haben an den Entscheidungen zum ESM nicht teilgenommen. Ihre Partei hat jedoch mehrheitlich mit JA zum ESM Vertrag gestimmt. Dennoch habe ich eine Frage zu diesem Themenkreis.

Im ESM Vertrag steht zum Haftungskapital des ESM (700 Milliarden):

- Die Gouverneure können das Haftungs-Kapital durch Ausgabe neuer Aktien bis in Billionenhöhe beliebig erhöhen (Art. 8 Abs. 2, Art. 10 Abs. 1).

- Im Verlustfall und aus sonstigen Gründen muss nicht eingezahltes ESM-Haftungskapital binnen 7 Tagen eingezahlt werden. Kann ein Mitglied nicht zahlen, wird der dann offene Betrag auf die übrigen Aktionäre umgelegt (Art. 9, Art. 10, Art. 25 Abs. 1 c, 2).

- Wird das Aktienkapital nicht erhöht (Ziff. 6), haften die Deutschen, je nachdem wie viele ESM-Aktionäre zahlungsunfähig werden , für (Minimum) 27 % - x % (Maximum 100 %) aus € 700 Mrd. Wird das Aktien-Haftungs-Kapital durch Wagemut oder gar Dummheit der Gouverneure erhöht (Art. 8, Art 10), kann sich daraus erhöhte Haftung über € 700 Mrd. hinaus ergeben (Art. 9, Art. 10, Art. 25 Abs. 1 c, 2).

Damit ist die Budgethoheit des deutschen Parlaments meiner Meinung nach null und nichtig.

Sie schrieben ja im September 2011 an Herrn J., es würde seitens Deutschland für die Schulden anderer Staaten "gebürgt". Das klingt zunächst mal harmlos.

Es würde mich interessieren, wie Sie den ESM Vertrag aus heutiger Sicht sehen.

Mit freundlichem Gruß

Christine Kirchhoff

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Antwort von
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Sehr geehrte Frau Kirchhoff,

vielen Dank für Ihre Fragen.

Im Einvernehmen mit meiner Fraktionsführung konnte ich aus privaten Gründen nicht an der Abstimmung im Deutschen Bundestag teilnehmen.

Ich gebe Ihnen Recht: Deutschland geht durch die Gewährung von Bürgschaften für notleidende Staaten im Rahmen der europäischen Rettungsschirme erhebliche finanzielle Risiken ein. Diese Risiken sind jedoch nach den mir vorliegenden Informationen vertretbar – denn sie sind nicht nur ein Signal der innereuropäischen Solidarität, sondern auch ein Gebot der wirtschaftlichen Vernunft.

In der aktuellen Debatte über die mit der Euro-Rettung verbundenen Kosten rückt der Mehrwert der Euro-Mitgliedschaft für die Bürgerinnen und Bürger leider zunehmend in den Hintergrund. Zu einer ehrlichen Bilanz gehört aber auch, Belastungen und Vorteile gleichermaßen in den Blick zu nehmen. Wer das beherzigt, erkennt, dass Deutschland nicht der „Zahlmeister Europas“, sondern der größte Gewinner der Währungsunion ist. Etwa 40 Prozent der deutschen Exporte gehen in die Eurozone, wodurch in Deutschland mehr als drei Millionen Arbeitsplätze gesichert werden. Im Jahr 2010 belief sich der positive Effekt der Währungsunion für die deutsche Wirtschaft auf 165 Milliarden Euro, das entspricht 6,4 Prozent der Wirtschaftsleistung.

Der Exportnation Deutschland kann es auf Dauer nicht gut gehen, wenn die Wirtschaft im Rest Europas am Boden liegt. Unser Wohlstand beruht auf den in Deutschland hergestellten Produkten, die auch von unseren europäischen Partnerländern gekauft werden. Wenn es uns nicht gelingt, diese Länder dauerhaft zu stabilisieren, dann droht die Krise auch auf Deutschland überzugreifen. Wir retten nicht Griechenland oder Spanien, sondern wir retten letztlich auch den Wohlstand und die Arbeitsplätze in Deutschland! So hat in meinem Wahlkreis die Autofirma Ford Ende April diesen Jahres Kurzarbeit beschlossen, weil die Absatzmärkte in Südeuropa für den Kleinwagen Fiesta eingebrochen sind. Diese Solidarität ist selbstverständlich keine Einbahnstraße. Die betroffenen Staaten müssen ihrer Verantwortung gerecht werden, Fehlentwicklungen abstellen und Schulden abbauen. Nur wenn die Eurozone stabilisiert wird, können die Länder die gewährten Kredite zurückzahlen.

Die von Ihnen aufgestellte These, die Budgethoheit des Deutschen Bundestages sei null und nichtig, halte ich aufgrund des bisher getroffenen Beschlüsse für nicht nachvollziehbar. Der von Ihnen vermittelte Eindruck, der Gouverneursrat könne bedingungslos und unwiderruflich Geld in beliebiger Höhe abrufen, ist so nicht richtig. Tatsächlich gilt gemäß Artikel 9 Absatz 3 des ESM-Vertrages, dass der geschäftsführende Direktor Kapital von den Mitgliedsstaaten abrufen kann. Dies allerdings nur, sofern diese Summe bereits vom Deutschen Bundestag als zugesagt beschlossen und noch nicht abgerufen wurde. Eine Ausweitung des Rettungsschirmes über die vereinbarte Summe hinaus erfordert nach Art. 10 Abs. 1 des ESM-Vertrages die erneute Entscheidung des Bundestages. Hinzu kommen die bisher festgelegten Volumina aus dem deutschen Anteil der EFSF und der Kredite aus dem Griechenland-Hilfspaket.

Der ESM, der Notkredite und Bürgschaften zur Verfügung stellt, beruht auf einem völkerrechtlichen Vertrag und braucht nach GG Art 59/2 als Grundlage ein innerstaatliches Zustimmungsgesetz. In diesem Gesetz ist die Parlamentsbeteiligung dadurch gegeben, dass die Richtlinien, die der Gouverneursrat erlässt vom Haushaltsausschuss des Bundestages kontrolliert werden. Der Gouverneursrat wiederum besteht aus den Finanzministern. Diese müssen wiederum alle wichtigen Entscheidungen zunächst in ihren Heimatparlamenten behandeln oder verabschieden.

Schon diese wenigen Ausführungen zeigen, wie kompliziert diese Fragen sind. Es gibt natürlich auch Sachverständige, die Ihnen zustimmen würden. Wie Sie wissen, wird die Rechtmäßigkeit der jetzt beschlossenen Maßnahmen derzeit vom Bundesverfassungsgericht geprüft. Ich kann Ihnen versichern, dass allen Beteiligten die Tragweite Ihrer Entscheidungen bewusst sind. Wir müssen Informationen und Argumente abwägen und am Ende zu einer Entscheidung kommen. Dies tun wir nicht leichtfertig, sondern nach bestem Wissen und Gewissen und auch im deutschen Interesse.

In der Hoffnung, Ihre Fragen damit beantwortet zu haben, verbleibe ich

mit freundlichen Grüßen

Rolf Mützenich

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