Frage an Rolf Mützenich von Uwe J. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Hr. Dr. Mützenich,
in den letzten Tagen und Wochen werden wir u.a. auch von Ihrem Parteivorsitzenden mit der "Parole" konfrontiert, wir, d.h. die Deutschen würden erheblich vom Euro profitieren, es gab sogar die Zahl von angeblich 30 Mrd. €, die Deutschland durch die gemeinsame Währung als "Bonus" in irgendeiner Form gewinnt...., Bitte erklären Sie mir diesen Euro-Mehrwert, wo ist der real zu erfassen, wer profitiert davon?
Ich erinnere mich, dass Deutschland auch schon vor dem Euro Exportüberschüsse erzielt hat, wieso sollte das heutzutage - im hypothetischen Fall des Scheiterns des Euros - nicht möglich sein?
Und bitte legen Sie mir doch auch dar, warum die SPD in vorauseilender Staatsbürgerlichkeit die Unterstützung Griechenlands verkündet, aber zu einer strikten Regulierung der Finanzspekulanten fast nichts zu hören ist. Sind Sie nicht auch der Meinung, dass wir erst den Anfang ! einer global agierenden, rücksichtslosen Finanzwirtschaft erleben, die nicht mehr durch Appelle an die Vernunft etc. zur Räson zu bringen ist? Die Entwertung der realen Arbeit hat ein Ausmaß angenommen, dass - wie Hr. Gysi wohl zu Recht anmerkte - sich daraus die Systemfrage stellt. Was will die SPD, die ja als bürgerliche Partei nicht am Systemzusammenbruch interessiert sein dürfte, dagegen tun?
Mit freundl. Grüßen
U. Jäger
Sehr geehrter Herr Jäger,
vielen Dank für Ihre Fragen.
Für den Fall, dass die Euro-Länder wieder zu nationalen Währungen zurückkehrten, gehen nahezu alle Experten davon aus, dass dies für Deutschland dramatische Folgen hätte. Die deutsche Währung würde 30 Prozent aufwerten und die Exportwirtschaft schwer belasten. M.a.W.: Die deutsche Wirtschaft, bei allen Risiken, profitiert von der Euro-Krise. Dabei geht es nicht nur um den Zinsgewinn, den die Hilfskredite für Griechenland, Portugal und Irland einspielen. Schließlich nimmt die Bundesregierung das Geld ja nicht dem vielzitierten Steuerzahler weg, sondern borgt es sich an den Märkten zu niedrigen Zinsen und verleiht es zu höheren Strafzinsen an die Krisenstaaten weiter. Die Zinsdifferenz sackt der deutsche Fiskus ein – solange die Schuldner zahlen.
Auch gesamtökonomisch sind die Finanzierungsprobleme einiger Euro-Länder bislang ein gutes Geschäft für Deutschland. Denn das sorgt für niedrige Zinsen, also für billige Kredite hierzulande. So hält die Europäische Zentralbank (EZB) aus Rücksicht auf die Krisenstaaten die Leitzinsen bislang niedrig. Der Hauptrefinanzierungssatz liegt derzeit bei 1,25 Prozent. Das ist angesichts des Wirtschaftsbooms in Deutschland extrem niedrig. Laut Commerzbank wäre für die deutsche Konjunktur ein Leitzins von 3,0 Prozent angemessen. Deutschland kann sich am Kapitalmarkt so billig Geld leihen wie nie zuvor. Investoren lassen sich für die als krisensicher geltende Anlage mit rekordniedrigen Zinsen abspeisen.
Zu Ihrer zweiten Frage: Die SPD setzt sich seit langem für eine Regulierung der Finanzmärkte und die Einführung einer Finanztransaktionssteuer ein. Die Finanztransaktionssteuer soll einerseits Spekulationen eindämmen, andererseits einen Teil der Kosten für die Bekämpfung der Finanzkrise aufbringen. Der Finanzsektor muss endlich einen "fairen und substanziellen Anteil an den Kosten der Krise" übernehmen. Ich gebe Ihnen Recht: Es kann nicht sein, dass die Gewinne privatisiert und die Verluste verstaatlicht werden. Zugleich ist uns wichtig, dass die Hilfe nicht in Trippelschritten erfolgt, sondern eine dauerhafte, hinreichende, nachhaltige Lösung gefunden wird, die vor allem die Ursachen dieser Krise wirksam bekämpft und die Gläubiger, die schließlich hohe Zinsen einstreichen, an jeder Rettung beteiligt. Risiko und Haftung müssen wieder in einer Hand liegen. Wenn wir unter Eurobonds verstehen, dass nationale Anleihen von Not leidenden oder in Schwierigkeit geratenen Staaten durch die Gemeinschaft, z. B. den ESM, unter harten Auflagen und Bedingungen garantiert werden, wir also „bürgen“, dann wäre das eine konsequente Hilfe zur Selbsthilfe und zugleich ein wirksames Ausschalten der Investoren, die gegen einzelne Euro-Staaten spekulieren. Denn gegen die Euro-Zone insgesamt ist jede Spekulation zwecklos. Allerdings müsste dieses Instrument durch andere Maßnahmen wie z. B. eine bessere Regulierung der Finanzmärkte verstärkt werden. Wir haben diesen Weg nach intensiver Diskussion in der Fraktion in unserem Entschließungsantrag vom 10. Juni 2011 (BT-Drs. 17/6161) schon genau beschrieben.
In der Hoffnung, Ihre Fragen damit beantwortet zu haben, verbleibe ich
mit freundlichen Grüßen
Rolf Mützenich