Frage an Rolf Mützenich von Martin H. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehe geehrter Herr Mützenich,
Sie haben in einem Radiointerview zu der Demonstration der Linken im Bundestag gesagt: "Die Linkspartei achtet nur sozusagen auf einen Teil auch der Opfer und ich glaube, wir sollten doch über alle trauern, die in diesem Konflikt zu Tode oder verletzt werden." ( http://www.dradio.de/dlf/sendungen/interview_dlf/1133414/ ). Was meinen Sie damit? Meinen Sie, dass die Linke nicht über die deutschen Opfer dieses Konfliktes trauert, die zahlenmäßig viel geringer sind als die afghanischen? Welche Hinweise gäbe es dafür? Oder meinen Sie, dass wir über die afghanischen Opfer, die von anderen Afghanen getötet wurden, ebenso trauern sollten, wie über die Opfer, die wir selbst getötet haben, obwohl die NATO es war, die eigentlich den jetzigen Krieg im Jahre 2001 begonnen hat? Hieße das auch, dass z.B. die Opfer des Zweiten Weltkriegs, die durch Deutsche getötet wurden, nicht wichtiger sind als diejenigen, die z.B. durch Japaner oder Amerikaner getötet wurden? Ich dachte bisher immer, es wäre gesellschaftlicher Konsens, dass unsere eigene Schuld mehr zu Gedenken Anlass gibt, als wenn Menschen in Konflikten sterben, an denen wir unbeteiligt sind. So habe ich die Linkspartei jedenfalls verstanden. Wollen Sie diesen Konsens um der effektiveren Kriegsführung willen aufkündigen?
Für Aufklärung wäre ich dankbar,
Ihr
Prof. Dr. Martin Haspelmath
Sehr geehrter Herr Prof. Haspelmath,
vielen Dank für Ihre Frage. Ich habe mich in der von Ihnen zitierten Antwort konkret gegen die Plakataktion der Linken im Bundestag gewandt. Ich halte das Hochheben von Schildern mit den Namen der Opfer des Luftangriffs auch die Tanklastwagen bei Kundus in der Tat für eine Instrumentalisierung der Opfer seitens der Linken. Ihnen ging es dabei nach meiner Überzeugung weniger um das Gedenken der Toten, sondern um wohlfeilen Aktionismus, und in erster Linie darum, ihre Fundamentalopposition gegen den Afghanistaneinsatz medienwirksam zu inszenieren. Damit wir uns Recht verstehen: Ich teile die Trauer um jeden unschuldig getöteten Zivilisten und will auch keinesfalls die deutsche Verantwortung für den verheerenden Luftschlag in Kundus leugnen. Hierzu hat das Parlament - wie Sie wissen - einen Untersuchungsausschuss eingesetzt. Natürlich geht es dabei auch um die Frage der Entschädigung für die Hinterbliebenen. Im Übrigen haben alle Fraktionen des Bundestages und auch die Bundesregierung längst ihr Mitgefühl und ihre Trauer für die Opfer von Kundus ausgedrückt.
Ich stimme Ihnen auch zu, dass es selbstverständlich eine besondere Verantwortung und Schuld für diejenigen Opfer gibt, die durch Deutsche getötet wurden. Sie haben sicher Verständnis dafür, dass hier nicht der Platz für eine ausführliche linguistische Debatte ist. Hierzu nur soviel: Unabhängig von persönlicher Schuld und Verantwortung sollte uns jedes Menschenleben und jedes Opfer gleich viel Wert sein. Die Toten des Völkermordes in Ruanda genauso wie die Toten von Srebrenica. Die Opfer des Stalinismus und des Maoismus ebenso wie die Opfer des Faschismus. Gerade hier gibt es sowohl bei der Rechten als auch bei der Linken durchaus den Hang zur politisch motivierten Einäugigkeit bzw. politischen Betriebsblindheit.
In der Hoffnung Ihre Frage damit beantwortet zu haben, verbleibe ich mit freundlichen Grüßen
Rolf Mützenich