Frage an Rolf Geffken von Albrecht W. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrter Herr Gefken,
mit Blick auf die Bundestagswahl im September habe ich mir Ihr Wahlprogramm "Für eine neue soziale Idee" von der ersten bis zur letzten Seite durchgelesen.
Dabei stellten sich mir einige Fragen, ich hoffe Sie können mir diese beantworten.
In ihrem Bundestagswahlprogramm stellen Sie folgende Forderungen auf, die Sie den Wählern in Aussicht stellen:
- Ausweitung von Öffentlichen Dienstleistungen
- Massive Ausweitung von öffentlichen Investitionen durch ein Investitionsprogramm im Umfang von 30 Mrd. Euro mit Lohnkostenzuschüssen im Niedriglohnbereich
- Wiederherstellung der längeren Bezugsdauer des Arbeitslosengeld I
- Anhebung des Arbeitslosengeldes II auf 420 Euro in Ost und West
- Aufstockung des steuerfreien Existenzminimums auf 12000 Euro
- 800 Euro Grundrente für alle
- Gebührenfreiheit in Schule, Lehre und Universität
- Gebührenfreie Kita-Plätze für alle Kinder
- Erhöhung des Kindergeldes auf 250 Euro, keine Anrechnung des Kindergeldes bei Beziehern von Arbeitslosengeld und Sozialhilfe
- Abschaffung der Kaffee-, Bier-, Feuerschutz- und Weinsteuer
- Ermäßigte Mehrwertsteuer beim Handwerk und apothekenpflichtigen Medikamenten
- Anhebung der Fahrtkostenpauschale auf 40 Cent/km
- Erhöhung der Entwicklungshilfe auf 0,7% des BIP
Ich frage Sie, wie möchten Sie diese Wahlgeschenke gegenfinanzieren angesichts einer Staatsverschuldung von 1,4 Billionen Euro (1400 Milliarden Euro)?
Da in Ihrem Wahlprogramm keinerlei Sparmaßnahmen genannt werden, gehe ich davon aus dass diese Wahlgeschenke ausschließlich über Steuererhöhungen und Neuverschuldung finanziert werden sollen. Ich bin allerdings fest davon überzeugt, dass die Spitzenverdiener in unserem Lande (ich gehöre leider nicht dazu) wohl kaum bereit sind noch weitere Steuererhöhungen hinzunehmen und ihr Kapital schleunigst ins Ausland schaffen werden, wenn sie das nicht schon längst getan haben. Angesichts dieser Aussichten dürften die von Ihnen geplanten Steuererhöhungen doch eher Kapitalflucht als zusätzliches Geld in die Kassen für Ihre sozialen Wohltaten bringen.
Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mir mitteilen würden, wie Ihre Wahlversprechen gegenfinanziert sind.
Des Weiteren ist es für mich intellektuell nicht nachvollziehbar, wie Sie in Ihrem Wahlprogramm schreiben können: „Der Trend, die Arbeitszeiten wieder zu verlängern, meist ohne Lohnausgleich, muss gestoppt und umgekehrt werden. Er bedeutet Lohnsenkung und führt zu mehr Arbeitslosigkeit.“ Das Gegenteil ist der Fall, wenn die Löhne sinken, dann wird es auch für den Unternehmer rentabel neue Arbeitsplätze zu schaffen, die Arbeitslosigkeit sinkt. Das hat schon Karl Marx vor über 100 Jahren gewußt, und das beweisen die vielen Unternehmen, die Arbeitsplätze ins billigere (osteuropäische) Ausland verlagern.
Da Sie Ihr Wahlprogramm hoffentlich nicht nur für die Opposition geschrieben haben - denn warum sollte man dann Ihre Partei wählen wenn Sie nicht bereit sind Verantwortung zu übernehmen - wäre ich erfreut, wenn Sie mir meine Fragen beantworten könnten.
Mit freundlichen Grüßen und herzlichem Dank
Albrecht Walther
1. Um den Zeugen Karl Marx zu erst in Schutz zu nehmen: Im ersten Band des Kapitals finden sich wichtige Ausführungen zu Arbeitszeit und Arbeitstag. Darin belegt er, daß das Kapital auf den Kampf der Arbeiter um eine Arbeitszeitverkürzung regelmäßig mit einer Intensivierung (Verdichtung) der Arbeit reagiert. Intensivierung heißt: Rationalisierung, Automation, Qualifizierung. Und in der Tat: Nicht zufällig hat der Kampf um die 35-Stunden-Woche in der Metallindustrie zu einer Intensivierung der Arbeit beigetragen, zu mehr Qualität u n d zu einem Sinken(!) der Lohnstückkosten. Sinkt die die Bereitschaft der Arbeiter, für eine Verkürzung der Arbeitszeit aktiv einzutreten (und das ist die Situation heute!), so sinkt der Anreiz zu Qualifikation, Intensivierung und Verdichtung. Der Arbeitstag wird verlängert (wir liegen längst über 40 Stunden wöchentlich!). Gleichzeitig werden aber nicht m e h r Leute eingestellt, sondern die (noch) beschäftigten Arbeiter werden länger beschäftigt. Die Überstunden wachsen unaufhörlich bei gleichzeitig wachsender Arbeitslosigkeit. Eines ist klar: Es ist von diesem Kräfteverhältnis abhängig wie sich die Arbeitszeit entwickelt und nicht davon, was für das Kapital "gut" oder "schlecht" ist. Allerdings kann der Gesetzgeber Mindeststandards einführen, die wenigstens annähernd eine Balance in diesem Kräfteverhältnis herstellen helfen können.
2. Deutschland ist "Exportweltmeister". Gleichzeitig wächst die Zahl der Arbeitslosen. Nicht "Eurogate" oder "Airbus" entlassen in großem Maßstab Arbeitnehmer, wohl aber "Karstadt" und andere Firmen, die auf ein gewisses Niveau der Massenkaufkraft angewiesen sind. Es ist also nicht ein "Wahlversprechen" , wenn wir von der Notwendigekit gesetzlicher Mindestlöhne sprechen, sondern eine wirtschaftliche Notwendigkeit. Dafür bedarf es übrigens n i c h t des Verweises auf Karl Marx, da genügt schon Ludwig Erhard.... Mit geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen, Leiharbeit, befristeten Beschäftigungen, 1-Euro-Jobs etc. läßt sich weder die soziale Existenz von Familien oder einzelnen Bürgern sichern noch eine effektive Konsumnachfrage herstellen.
3. Natürlich bedarf die Stimulierung dieser Nachfrage a u c h öffentlicher Investitionen, ja eines Milliarden-Investitionsprogramms. Projekte dafür gibt es zu Hauf. Die Defizite der öffentlichen Haushalte sind da kein Gegenargument. Zum einen hat eine verfehlte Steuerpoilitik dazu geführt, daß eine gigantische Umverteilung unseres Reichtums (ist Deutschland ein armes Lasnd ???) von unten nach oben stattfindet und weiter stattfindet. Zum anderen haben die öffentlichen Haushalte das Gros ihrer wachsenden Aufwendungen für den Zinsendienst zu leisten. Das Problem liegt in der zunehmeden "Entstaatlichung", in der wachsenden Handlungsunfähigkeit des Staates (und damit der Wirksamkeit des Rechts) selbst. D i e wollen wir nicht zuletzt durch eine offensivere Steuerpolitik, vor allem in der DURCHSETZUNG des Steuerrechts herstellen.
4. Wäre es angesichts dieser Sachlage nicht sinnvoll Sie richteten Ihre Beschwerde über unsere "Versprechen" nicht an und sondern an das geltende Recht, vor allem das Grundgesetz, das UNABHÄNGIG von einer aktuellen Haushaltslage den Sozialstaat ebenso verlangt wie die Sozialverpflichtung des Eigentums und dabei die Möglichkeit der Überführung von großen Unternehmen in Gemeineigentum ermöglicht? Man wirft uns vor, wir seien in Wahrheit "Konservative". Richtig: W i r wollen geltendes Verfassunsgrecht anwenden und umsetzen und mit dem Verfassungsbruch anderer Schluß machen!
Dr. Rolf Geffken