Frage an Roland Claus von Ludwig L. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Roland Claus,
Sie haben sich bei diese Abstimmung enthalten. Ich verstehe nicht wie dies zur angekündigten Programmatik der Linksfraktion für die gegenwärtige Legislaturperiode laut ihrem Bundeswahlprogramm passt. In dem genannten steht:
• keine Auslandskriegseinsätze der Bundeswehr zulassen – auch nicht unter UN-Mandat: keine Militärberater zur Unterstützung autoritärer Regimes entsenden;
Mir ist nicht klar, wieso dies kein Auslandskriegseinsatz der Bundeswehr ist, bzw wieso im Sudan kein autoritäres Regime existiert.
Bisher war mir eine konsequente Antikriegspolitik der Linkspartei verständlich, doch nun "torpedieren" sie sich selber. Die Linkspartei wurde doch nicht gewählt, um bei wichtigen Entscheidungen im Bundestag sich zu enthalten, uns somit weder eine Position zu beziehen, bzw. ihren Wählern keine klare Stimme zu geben. Das Bundeswahlprogramm gilt doch irgendwie für alle Mitglieder der Fraktion. Warum begeben Sie sich in eine Position, die bestimmt von der Mehrheit derjeniger die sie gewählt haben, aber mehr noch von denen, die Sie persönlich und ihre Partei im Wahlkampf konsequent und mit den zur Verfügung stehenden Mitteln, nämlich ihren Parteigenossen an der Basis nicht mitgetragen werden kann, da diese dann sich und ihre Wahlmotivation verraten würden.
Ich würde mich freuen wenn Sie, auch wenn Sie wahrscheinlich nicht viel Zeit haben, mir antworten würden.
Mit freundlichen Grüßen
aus der Basis in Chemnitz
Ludwig Löwe
Sehr geehrter Herr Löwe,
ja, das stimmt: Ich habe mich bei der Abstimmung zur Verlängerung des deutschen Beitrags zur UNO-Mission im Sudan (UNMIS) enthalten.
Bei allen anderen Abstimmungen zu deutschen Beiträgen zu Militäreinsätzen habe ich mit Nein gestimmt. Darunter auch bei der anderen den Sudan - und zwar konkret die Provinz Darfur - betreffenden Abstimmung über die Mission UNAMID.
Meine beiden Voten sind - da bin ich mir ganz sicher - durch das von Ihnen herangezogene Wahlprogramm der LINKEN von 2009 gestützt. Es heißt dort: „DIE LINKE lehnt alle völkerrechtswidrigen Militär- und Kriegseinsätze, auch mit UN-Mandat, ab. Kriege sind immer inhuman und die gravierendste Menschenrechtsverletzung.“
Das UNMIS-Mandat muss meiner Überzeugung nach anders behandelt werden als all jene Mandate, gegen die ich gestimmt habe. UNMIS ist ein friedenserhaltender Einsatz, der auf die Umsetzung eines Friedensabkommens gerichtet ist. Die Mission ist nicht völkerrechtswidrig, sie erfolgt auf der Grundlage des Völkerrechts. Der deutsche Beitrag zu UNMIS besteht in der Entsendung unbewaffneter Militärbeobachter. Da im Januar 2011 das Referendum über die weitere Zukunft Südsudans stattfindet, droht in den nächsten Monaten eine Eskalation der Spannungen, die in einen neuen Krieg münden kann. Das muss durch energische diplomatische Bemühungen von UN, Afrikanischer Union, Europäischer Union, China und anderen verhindert werden. Die UN-Soldaten bilden in dieser Situation einen Puffer zwischen den aufgerüsteten und in Stellung gebrachten Truppen des Nordens und des Südens. Das ist eine klassische Blauhelm-Aufgabe. Ein jetziger Abzug der Blauhelme wäre eine Einladung zur Wiederaufnahme der Gewalt.
In unserem Wahlprogramm von 2009 heißt es auch: „Wir wollen, dass die UNO gestärkt wird.“ Meine Enthaltung hat auch mit diesem Grundsatz zu tun. Würden die deutschen Militärbeobachter jetzt aus UNMIS zurückgezogen, hätte das nur geringe Auswirkungen auf die Mission selbst, aber die politisch-symbolische Bedeutung wäre erheblich. In der jetzigen Situation die UNO im Stich zu lassen, halte ich für nicht vertretbar.
Zugleich kann ich aber in Sachen UNMIS auch nicht mit Ja stimmen. Die Entsendung von Militärbeobachtern dient leider auch der Vertuschung von eklatanten Versäumnissen der Politik und Diplomatie, und es hat sich bis heute nichts daran geändert, dass die sich gegenüberstehenden Konfliktparteien auch von Mitgliedern des UN-Sicherheitsrates weiter aufgerüstet werden.
In dieser widerspruchsvollen Situation habe ich mich für eine Enthaltung entschieden. Jede neu entstehende Situation konkret zu bewerten und die Abstimmungsentscheidung auf der Grundlage sowohl der Parteiprogrammatik wie auch dieser Einzelfallprüfung zu treffen halte ich für das unverzichtbare Recht eines Abgeordneten.
Ich würde mich freuen, wenn ich mit meiner Antwort Ihr Verständnis für meine Enthaltung gewinnen könnte, und verbleibe mit freundlichen Grüßen
Roland Claus, MdB