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Frage von Babette F. •

Frage an Roland Claus von Babette F. bezüglich Bildung und Erziehung

1 Was ist aus Ihrer Sicht die Ursache des demografischen Wandels in Sachsen-Anhalt und wie sollte man damit politisch umgehen (bitte eine kurze Antwort)?
2 Wie kann aus Ihrer Sicht die Bundespolitik zur Stärkung des ländlichen Raumes in Sachsen-Anhalt beitragen?
3 Wie wird sich der ländliche Raum entwickeln, wenn so viele Grundschulen geschlossen werden, wie dies die CDU/SPD-Landesregierung in Sachsen-Anhalt vorhat?
4 Kann bzw. soll aus Ihrer Sicht die SchulentwicklungsVO des Landes vom 30.5.2013 aufgehoben werden? Bitte begründen Sie Ihre Auffassung.
5 Welche Chancen sehen Sie, die Schließung vieler Grundschulen in Sachsen-Anhalt zu verhindern?

Herzlichen Dank für Ihre Antworten auf dringende Fragen besorgter Eltern!

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrte Frau Fischer,

für Ihre Fragen danke ich Ihnen. Hier sind meine Antworten, die nur deshalb ein wenig später kommen, weil ich im Sommerurlaub war:

1 Was ist aus Ihrer Sicht die Ursache des demografischen Wandels in Sachsen-Anhalt und wie sollte man damit politisch umgehen (bitte eine kurze Antwort)?

Antwort von Roland Claus, MdB:
Der demografische Wandel in Sachsen-Anhalt hat, so denke ich, zwei unterschiedliche Ursachen. Die eine ist die in ganz Deutschland zu beobachtende Veränderung in der Altersstruktur. Diese gründet sich auf einen Rückgang der Zahl der Geburten und die gleichzeitige Erhöhung der Lebenserwartung. Die zweite Ursache besteht in der seit 1990 von den verschiedenen Bundesregierungen betriebenen Deindustrialisierung in ganz Ostdeutschland. Sie hat in Sachsen-Anhalt besonders schwerwiegende demografische Folgen. Die Beseitigung von zehntausenden Arbeitsplätzen in der Chemieindustrie, im Werkzeugmaschinenbau und in vielen anderen Industriezweigen hat zu einer bis heute nicht gestoppten starken Abwanderung junger Menschen geführt. Diese Entwicklung konnte auch durch einige interessante und zukunftsträchtige neue Unternehmen nicht aufgehalten werden. Der gegenwärtige Absturz der zeitweilig enorm auf dem Vormarsch befindlichen Solarindustrie lehrt uns, dass kurzfristige Konzepte nicht geeignet sind, eine Umkehr hin zu einer sich selbst tragenden Wirtschaftsentwicklung, die dann auch wieder für viele junge Menschen attraktiv ist, einzuleiten.

2 Wie kann aus Ihrer Sicht die Bundespolitik zur Stärkung des ländlichen Raumes in Sachsen-Anhalt beitragen?

Antwort von Roland Claus, MdB:
Eine Grundfrage in unserer Gesellschaft ist immer das Geld. Was wäre ein starker ländlicher Raum? Das wäre ein Raum mit attraktiven mittleren und kleinen Städte und ebensolchen Dörfern, die mit Bahn und Bus jederzeit erreichbar und untereinander verbunden sein müssen, in denen es Schulen und Kindergärten, eine gute ärztliche Betreuung, dezentrale Einkaufsmöglichkeiten für regionale Produkte und ein interessantes kulturelles Angebot mit kleinen Theatern und Kinos und schönen Orten für die kulturelle Freizeitbeschäftigung und die sportliche Betätigung gibt. Auch miteinander vernetzte touristische Angebote und ein ausgebautes Radwegenetz würden dazu gehören. Aber wer soll das alles bezahlen? Wir von der LINKEN wollen, dass die Einnahmen der öffentlichen Hand erhöht werden, damit für eben genau solche Projekte genügend Geld vorhanden ist. Das jetzige Steuersystem wird offensichtlich diesen Anforderungen nicht gerecht. Alle merken es in ihrem Alltag: Viele Kommunen sind stark überschuldet, auch die Landes- und Bundesmittel sind knapp, und so nehmen die Dinge ihren Lauf. Wir wollen das ändern: mit der Einführung einer Millionärsteuer, mit einer Vermögensteuer, mit einer stärkeren Besteuerung der viele Millionen und Milliarden umfassenden Erbschaften. Wir halten es für völlig gerechtfertigt, dafür zu sorgen, dass all diese großen Vermögen stärker als bisher zur Finanzierung der öffentlichen Angelegenheiten herangezogen werden. Und das Geld muss dorthin, wo die Menschen sind: in die Kommunen, in die Landkreise. Auch das meinen wir, wenn wir von Umverteilung von oben nach unten sprechen.

Sie meinen, ich hätte jetzt zu weit ausgeholt? Nein, das glaube ich nicht. Ihre Kommune, Ihr Landkreis werden erst dann eine Stärkung Ihres konkreten ländlichen Raumes in Angriff nehmen können, wenn diese bundespolitischen Voraussetzungen geändert werden.

3 Wie wird sich der ländliche Raum entwickeln, wenn so viele Grundschulen geschlossen werden, wie dies die CDU/SPD-Landesregierung in Sachsen-Anhalt vorhat?

Antwort von Roland Claus, MdB:
Sehen Sie, da haben wir das konkrete Beispiel. Die CDU/SPD-Landesregierung beruft sich auf den demografischen Faktor und auf die nicht vorhandenen finanziellen Mittel. Aber beide Parteien tun im Bund nichts dafür, damit sich die finanzielle Situation verbessert. In Ihren Fragen klingt es ja an: Sie, sehr geehrte Frau Fischer, sehen sehr genau den Teufelskreis, in dem sich das alles bewegt. Es sind weniger Kinder da, also werden Schulen geschlossen, also ziehen Familien weg, weil die Wege zur Schule zu weit sind, und dann sind noch weniger Kinder da, und am Ende werden ganze Dörfer aussterben und Regionen veröden. Wie könnte man gegensteuern? Mit kleineren Klassen in kleineren Schulen. Das wäre höchst attraktiv, es könnten fantastische und sehr spezielle Bildungsangebote entwickelt werden, und junge Leute würden sagen können: Da ziehe ich hin, da geht es meinen Kindern glänzend. Aber damit sind wir wieder bei der Geldfrage. Solche Entscheidungen kosten viel Geld. Und so brauchen wir also ein gesellschaftliches Klima, in dem klar ist: Lasst uns dieses viele Geld ausgeben, denn es ist ausgegeben für die beste Sache der Welt: für die Zukunft unserer Kinder. Und es ist ausgegeben für die Zukunft auch unserer Region, unseres Landes. Ich kann Ihnen, sehr geehrte Frau Fischer, versichern, dass DIE LINKE genau für eine solche Veränderung des gesellschaftlichen Klimas kämpft. Es muss uns gelingen, zu einer neuen Steuergesetzgebung zu kommen. Es muss der ungeheure Reichtum unseres Landes von oben nach unten verteilt werden.

4 Kann bzw. soll aus Ihrer Sicht die SchulentwicklungsVO des Landes vom
30.5.2013 aufgehoben werden? Bitte begründen Sie Ihre Auffassung.

Antwort von Roland Claus, MdB:
Ich beziehe ich mich auf die Positionen der Fraktion der LINKEN im Landtag von Sachsen-Anhalt. Und die sind ganz klar und eindeutig: Die Landesregierung muss die Kürzungspläne beim Lehrkräftepersonal endlich aufgeben. Seit 2007 macht DIE LINKE in Sachsen-Anhalt immer wieder deutlich, dass Schulnetz und Lehrkräftebedarf eng miteinander verknüpft werden müssen. Die gegenwärtige Schulnetzplanung ist mit den Lehrerinnen- und Lehrerzahlen im Personalentwicklungskonzept nicht untersetzt. Damit drohen eine Erhöhung der Lehrerarbeitszeit, eine Kürzung der Stundentafel, eine Kürzung von Anrechnungsstunden, die Lehrkräfte außerhalb des Unterrichts zu leisten haben, und eine Erhöhung der Klassenfrequenz sowie steigender Unterrichtsausfall zu befürchten. Das alles ist Sparen am völlig falschen Fleck. Deshalb fordert DIE LINKE ein Umsteuern.

5 Welche Chancen sehen Sie, die Schließung vieler Grundschulen in Sachsen-Anhalt zu verhindern?

Antwort von Roland Claus, MdB:
Sehr geehrte Frau Fischer, eine Chance zur Verhinderung der Schließung besteht nur dann, wenn damit aufgehört wird, Schulpolitik nach Kassenlage zu machen. Dies erfordert – wie ich weiter oben versucht habe, deutlich zu machen – ein politisches Umdenken. Gute Bildung kostet viel Geld, kleine Schulen in Regionen mit einer weiter rückläufigen Kinderzahl zu betreiben noch mehr. Zu schaffen ist das nur, wenn gesellschaftliche Mehrheiten erkennen, dass die Erhaltung eines lebendigen, zukunftsträchtigen ländlichen Raumes mehr ist als nur ein Faktor, der sich irgendwie „rechnen“ muss. Den demografischen Wandel zu meistern heißt, sehr dicke Bretter zu bohren. Ich kann Ihnen versprechen, dass ich mich genau dafür seit vielen Jahren im Deutschen Bundestag einsetze und auch weiter einsetzen werde.

Mit allen guten Wünschen für Sie

Roland Claus