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Roderich Kiesewetter
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Frage von Stefan R. •

Frage an Roderich Kiesewetter von Stefan R. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie

Laut Wissenschaft, Wirtschafts- und IT-Verbänden, Internet-Pionieren, Bürgerrechtsorganisationen und Millionen von Menschen würde die Urheberrechtsreform in der aktuellen (noch final abzustimmenden Fassung) das freie Internet durch die de facto Pflicht von Upload-Filtern (Artikel 13) und ein strenges Leistungsschutzrecht für Presseverleger (Artikel 11) selbst für kleinste Unternehmen massiv beeinträchtigen.

http://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/urheberrechtsreform-wollt-ihr-europa-zerstoeren-a-1252993.html

https://www.zeit.de/digital/internet/2019-02/eu-urheberrecht-leistungsschutzrecht-uploadfilter-europaeisches-parlament

https://www.sueddeutsche.de/digital/uploadfilter-ergebnis-eu-urheberrecht-1.4329775

Befürwortet wird der Entwurf hingegen u.a. von Teilen der Verwertungsgesellschaften wie z.B. der GEMA, dem Bundesverband Musikindustrie, dem BDZV oder dem Axel-Springer-Verlag
https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/medien/urheberrecht-ein-sieg-ueber-die-digitalkonzerne-16041769.html

Weil ich selber eine Menge kleiner kreativer Firmen, Künstler und Menschen mit eigener Webseite kenne, sorge ich mich, dass deren Chancen und deren Wertschöpfung ausgebremst würden. Große Internetkonzerne wären die einzigen, die es sich leisten können, den Anforderungen nachzukommen und die beim künftigen Betreiben einer Webseite verbundenen juristischen Risiken zu stemmen.

Wie stehen Sie zu den Bedenken, dass dann EU-weit viel weniger Innovationen umgesezt würden?
Teilen Sie die Bedenken, dass die Gegenwart von (generell anfälligen) Uploadfiltern zum Zensurwerkzeug missbraucht werden kann?

Auch wenn eine angemessene Verhütung von Raubkopien immer zu befürworten ist: Würden Sie dafür Teile unserer kulturellen Freiheit opfern?

Werden Sie selber Ihren Einfluss ausüben, um Urheberrechtsreform in ihrer aktuellen Fassung zu verhindern?

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr R.,

vielen Dank für Ihre Nachricht. Zugegeben, eine derart hitzige Debatte um die Urheberrechtsreform wurde nicht erwartet. Es ist aber doch ein Zeichen der Stärke unserer Demokratie, daß unterschiedliche Meinungen offen ausgetauscht werden, als auch das politische System sensibilisiert wird, um geeignete Lösungen zu finden.

Sie werden mir wahrscheinlich im Grundsatz darin zustimmen, daß Autoren, Künstler, Kreative, Musiker und andere Urheber auch in der digitalen Welt einen Anspruch darauf haben, daß ihr geistiges Eigentum geschützt wird. Auf der anderen Seite soll eine Absicherung von Urheberrechten nicht dazu führen, daß das freie Internet eingeschränkt, daß also letztlich das Hochladen von Inhalten blockiert und damit in das hohe Gut der Meinungsfreiheit und -vielfalt eingegriffen wird. Wir nehmen die Sorgen und die Kritik an dem EU-Richtlinienentwurf sehr ernst und werden – so das EU-Parlament dem Entwurf Ende März zustimmen sollte – diese Sorgen bei der dann anstehenden Umsetzung in deutsches Recht berücksichtigen!

Konkret bedeutet dies, daß wir bei der nationalen Umsetzung keinen Anlass für die Plattformen geben werden, Upload-Filter einzusetzen – so wie es auch im Koalitionsvertrag vereinbart wurde. Wir wollen vielmehr, daß Inhalte nach dem Prinzip „Bezahlen statt Blockieren“ hochgeladen werden. Im Einzelnen könnte dies wie folgt aussehen: Unterhalb einer (noch zu definierenden) Bagatellgrenze sollen Uploads von Lizenzgebühren frei sein. Oberhalb dieser Bagatellgrenze müsste die Plattform für urheberrechtlich geschützte Werke Lizenzen erwerben. Um diese Werke erkennbar zu machen, müsste der Urheber diese Werke mit einem digitalen Fingerprint kennzeichnen.

Wäre ein Inhalt durch den Urheber gekennzeichnet, aber (noch) nicht lizensiert, soll der Rechteinhaber mehrere Optionen haben: Er könnte eine Lizenz mit der Plattform abschließen, auf eine Lizenzierung verzichten oder – wenn er seinen Inhalt nicht verbreitet wissen will – die Löschung verlangen. Für Fälle ohne digitalen Fingerprint, etwa bestimmte Remixes, sollte eine Pauschallizenz gelten. Durch die pauschale Vergütung der Nutzung seiner Werke würde der Urheber/die Urheberin an der entsprechenden Wertschöpfung beteiligt werden. Der Upload etwa von Parodien, Persiflagen oder Kritik, aber auch Gifs oder Memes, ist nach der Richtlinie ausdrücklich lizenzfrei gestattet. Entscheidend ist: Die Gefahr des Overblockings ist ausgeschlossen. Meines Erachtens würde damit weder Innovation unterdrückt, noch Missbrauch zugelassen werden. Es wäre doch ein transparentes Regelsystem.

Alles in allem führt dieser Lösungsansatz zu einem fairen Ausgleich zwischen Nutzern, Urhebern und Plattformen.

Nach den intensiven Diskussionen ist meine Fraktion im Bundestags jetzt zuversichtlich, im Rahmen der nationalen Umsetzung der EU-Urheberrechts-Richtlinie einen Weg beschreiten zu können, der die Meinungsfreiheit stärken und Nutzer besserstellen wird, bei dem Urheberwerke fair und effektiv vergütet werden und der die Plattformen einbinden und verpflichten wird. Wir hoffen, mit diesem Modell auch Vorbild für andere Mitgliedsstaaten sein zu können.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen damit zeigen, daß wir damit einer am Gemeinwohl orientierten Lösung näherkommen und alle legitimen Interessen berücksichtigen.

Herzliche Grüße
Roderich Kiesewetter

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