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Roderich Kiesewetter
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Frage von Bernd D. •

Frage an Roderich Kiesewetter von Bernd D. bezüglich Gesundheit

Dr. med. B. M.

Sehr geehrter Herr Kiesewetter,

leider wissen wir nicht, wie Sie zur Einführung der sogenannten Widerspruchslösung in das deutsche Transplantationsrecht stehen.

Wir sind Mitglieder des Vereins „Gegen den Tod auf der Organwarteliste“ und wir möchten Ihnen gern ein Argument vorstellen, dass in der bisherigen Debatte fast keine Rolle gespielt hat.

Die Organspende wird meist als ein Akt der Barmherzigkeit gegenüber Menschen in Not angesehen. Es geht um eine asymmetrische Beziehung zwischen einem großzügigen Menschen und einem Bedürftigen.

Ist das realistisch?Wir alle können gar nicht wissen, ob wir einmal zu potentiellen Spendern werden, weil wir nach einem dramatischen Ereignis hirntot auf einer Intensivstation liegen, oder ob wir selbst oder ein uns lieber und wichtiger Mensch einmal dringend ein Spenderorgan brauchen wird.

Die zweite Möglichkeit ist übrigens viel wahrscheinlicher: Jedem Organspender werden im Durchschnitt 3,4 Organe entnommen und damit ca. 3 Empfänger versorgt. Wenn jeder Empfänger etwa 9 Menschen hat, für die sein Weiterleben sehr wichtig ist (Kinder, Eltern, Geschwister, enge Freunde usw.), dann profitieren etwa 30 Menschen existentiell von jedem Organspender.

Praktisch niemand, der ein Organ braucht, lehnt eine Transplantation ab. Niemand sagt nein, wenn z.B. das Leben seines Kindes von einer Transplantation abhängt. Eine Ausnahme sind die Zeugen Jehovas. Wenn sie die Transplantation bei ihrem Kind ablehnen, wird ihnen umgehend das Sorgerecht gerichtlich entzogen und danach wieder zurückgegeben.

Wenn es so selbstverständlich ist, ein Organ haben zu wollen, wenn man es braucht, ist dann das Nein zur Organspende moralisch in Ordnung? Ist es dann moralisch akzeptabel, sich mit der Frage nicht beschäftigen zu wollen? Kann man dann nicht verlangen, dass man wenigstens ausdrücklich „Nein“ sagen muss?

Mit v. Grüßen
B. M.

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Dr. M.,

vielen Dank für Ihre Nachricht. Eine abschließende Antwort auf diese ethisch hoch brisanten Fragen kann ich an dieser Stelle nicht geben. Wir haben dazu wie Sie sicher wissen eine intensive Debatte im Bundestag geführt. Dabei spielen für mich folgende Anhaltspunkte eine wesentliche Rolle:
Ca. 10.000 Menschen in Deutschland warten derzeit auf ein Spenderorgan und stehen auf den Wartelisten der europäischen Vermittlungsstelle Eurotransplant. Bedauerlicherweise ist aber die Zahl der Organspenden in den vergangenen Jahren jedoch gesunken, auf zuletzt nur noch 797 (postmortalen) Organspenden im Jahr 2017. Ich halte eine Widerspruchslösung für angemessen und moralisch vertretbar. Denn jeder Mensch kann potenzieller Organspender sein, aber auch davon profitieren, wenn sein Leben auf dem Spiel steht. Meiner Bewertung nach, wird mit dieser Lösung dem Gemeinwohl am größten Rechnung getragen. Wenn jemand allerdings zu Lebzeiten dem ausdrücklich widerspricht, so ist dieser hochpersönlichen Entscheidung, basierend auf individuellen moralischen Empfindungen, Folge zu leisten. Das würde also keine Pflicht zur Spende bedeuten, jeder kann auch problemlos ablehnen. Es ist jedoch wichtig, daß sich jeder Einzelne mit der Frage auch beschäftigt. Wie konkret dies in der Verwaltungspraxis umgesetzt wird, sollte noch abschließend debattiert werden. Die offene Debatte ist alleine deshalb ein wichtiges Signal, weil es das Thema in das Bewusstsein der Bevölkerung bringt. Dadurch, daß wir das Thema auf die Tagesordnung gebracht haben, sensibilisieren wir und regen an, daß jeder Einzelne sich Gedanken macht.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen meine Haltung zu diesem schwierigen Thema verständlich darlegen.

Herzliche Grüße
Roderich Kiesewetter

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