Frage an Roderich Kiesewetter von Heike R. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Roderich,
Länder und deren Menschen sollte man nicht an den jeweiligen, aktuellen Regierungen und deren Politik bewerten.
Angela Merkel hat angesichts der der 5-6 Millionen Holocoust Opfer erklärt, dass es deutsche Staatsräson sei, zu Israel zu stehen.
Quelle:https://de.wikipedia.org/wiki/Holocaust
Natürlich ist es völlig inakzeptabel Opferzahlen gegeneinander aufzuwägen!
Aber wieso ist es bei Merkel keine deutsche Staatsräson an der Seite Russlands zu stehen, angesichts derer 27 Millionen Opfer Hitlerdeutschlands?
quelle:http://www.zeit.de/2007/25/27-Millionen-Tote
Noch eine Frage, wie wollen wir ernsthaft Putin für seine Besetzung der Krim verurteilen, wenn wir Israels Besetzungen akzeptieren und eben nicht sanktionieren? Ich lese oft, dass die Israelis mit deren Siedlungspolitik die Araber aus deren Heimat verjagen. Wo kann ich lesen, dass Putin die Ukrainer aus der Krim verjagt?
ich bin wahrlich keine Putin Anhängerin, aber unsere Politik kommt mir sehr USA lastig und absolut nicht mehr zeitgemäß vor. Da fällt mir das Zitat ein...wer zu spät kommt, den bestraft das Leben...;
Über Ihre Antwort zur generellen Staatsräson würde ich mich freuen, zumal auch unser Ex Bundespräsident da der Kanzlerin etwas widersprochen haben soll?
Mit freundlichem Gruß
Dr.med. Heike Rogall
Sehr geehrte Frau Dr. R.,
vielen Dank für Ihre Nachricht. Das Existenzrechts Israels als deutsche Staatsräson ist sehr wohl einzigartig, weil das nationalsozialistische Deutschland als Verursacher des Holocaust eine besondere Bürde und Verpflichtung dem demokratischen Deutschlands auferlegt hat. Uns für die Sicherheit des jüdischen Staates einzusetzen, war und ist eine historische Pflicht. Die Beziehungen zu Russland sind damit nicht gleichzusetzen - haben wir doch wie Sie sagen großes Leid über die russische Bevölkerung im 2. Weltkrieg gebracht und Russland die größte Opferzahl zu erleiden - Russland war und ist ja aber nicht in seiner Existenz gefährdet, deshalb ist ein Vergleich nicht angebracht. Die historische Verantwortung ist aber unumstritten und wurde durch Bundeskanzlerin Merkel bspw. ebenfalls beim Besuch der Siegesparade in Moskau in der Vergangenheit gewürdigt. Bezüglich der Völkerrechtsverletzungen ist es wohl so, daß Russland mit seiner Destabilisierungsstrategie viele Ukrainer, rund 500.000, nach Polen vertrieben hat (viele natürlich haben zuvor schon dort gearbeitet), als auch nach Russland und den westlichen Teil der Ukraine. Die verbliebene Bevölkerung ist eingekesselt und nicht sicher. Dieser Zustand ist unhaltbar und nicht akzeptabel - willkürliche Grenzverschiebungen und die Verletzung der Souveränität haben wir im KSZE-Prozess der 1970er Jahre gemeinsam mit der Sowjetunion gegeißelt, das Pariser Abkommen der 90er Jahre hat dies bekräftigt und in der Sicherheitsarchitektur in Europa verankert. Das Budapester Abkommen hat zusätzlich die Souveränität der Ukraine, anerkannt durch Russland, festgeschrieben (im Gegenzug Abgabe der Atomwaffen und damit wegweißend für nukleare Abrüstung!). Aufgrund dieser Verletzung gemeinsam vereinbarten Rechts in einem gemeinsamen Raum der Sicherheit sind Sanktionen eine angemessene Reaktion. Die Alternativen wären Zuschauen oder ebenfalls militärische Mittel einzusetzen. Das können wir nicht wollen.
Ich wünsche Ihnen ein frohes, besinnliches Weihnachtsfest und alles Gute für 2018!
Herzliche Grüße
Roderich Kieswetter