Sie unterstützen nun die CO2-Verpressung und erklärten auf DLF diese Technologie sei sicher. Worauf stützt sich Ihre Fachexpertise? Ähnliches Fundament wie Lauterbachs sichere Impfung?
Sehr geehrter Herr F.,
vielen Dank für Ihre Frage.
Auf dem Weg zur Klimaneutralität brauchen wir eine große Bandbreite an Maßnahmen und Instrumenten. Die Priorität liegt weiterhin auf der Einsparung von Treibhausgasemissionen durch die Energiewende und Dekarbonisierung der Industrie. In einigen wenigen Branchen wird es aber auch in Zukunft Emissionen geben, die nach heutigem Stand der Technologie nicht zu vermeiden sind, etwa in der Zementindustrie. In diesen Bereichen wollen wir technologische Chancen nutzen und ermöglichen, das CO2 direkt bei der Produktion abscheiden, in einer sicheren und stabilen Form speichern und gegebenenfalls im Rahmen geschlossener Kohlenstoffkreisläufe nutzen (Carbon Capture Use/Storage, CCU/CCS).
Die Bundesregierung hat eine Carbon Management-Strategie und eine Änderung des Kohlendioxid- Speicherungsgesetzes erarbeitet. Demnach werden die Anwendung von CCS/CCU, der Transport und die Offshore-Speicherung in Deutschland ermöglicht. Meeresschutzgebiete werden ausgeschlossen. Der strategische Fokus für den Einsatz von CCS liegt dabei auf schwer oder nicht vermeidbaren Emissionen. CCS (Carbon Capture and Storage) steht für die Abscheidung und Speicherung von CO₂, CCU (Carbon Capture and Usage) für die Abscheidung und Nutzung von CO₂.
Dieses Gesetz ist eine Richtungsentscheidung. Ihr waren intensive Vorarbeiten vorangegangen, unter anderem ein eingehender Dialogprozess mit Umweltverbänden, der Wirtschaft und der Wissenschaft im vergangenen Jahr zur Meinungsbildung sowie erste regierungsinterne Abstimmungen.
Wir haben damit eine pragmatische und verantwortungsvolle Richtungsentscheidung getroffen: CCS und CCU werden in Deutschland ermöglicht. Sonst sind die Klimaziele unmöglich zu erreichen. Die Technologie ist auch wichtig für die Wettbewerbsfähigkeit unseres Industriestandorts Deutschland. Ein Verzicht darauf würde uns Wettbewerbsnachteile verschaffen und uns teuer zu stehen kommen. Wir werden auch die Offshore-Speicherung erlauben; Meeresschutzgebiete nehmen wir aber aus. Mit der Erlaubnis schließen wir zu unseren europäischen Nachbarn wie Norwegen und vielen weiteren Staaten auf. Wir stellen uns so der Verantwortung, anstatt sie auf andere zu verlagern.
Unstrittig ist, dass die CCS-Technologie nur eine notwendige Ergänzung in der Klimapolitik ist. Im Zentrum unserer Anstrengungen steht immer, Emissionen erst gar nicht entstehen zu lassen. Deshalb forcieren wir mit enormer Kraft und Erfolg den Ausbau der Erneuerbaren Energien. Wir treiben den Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft, den schrittweisen Ausstieg aus fossilen Energieträgern, mehr Energieeffizienz und eine Kreislaufwirtschaft voran. All das ist Klimaschutz. Aber Deutschland hat das Ziel, bis 2045 klimaneutral zu sein. Das ist sehr ambitioniert. Und es gibt Emissionen in der Industrie, die nur sehr schwer oder gar nicht vermeidbar sind. Das gilt vor allem bei der Herstellung von Zement und Kalk und der thermischen Abfallbehandlung. Hier müssen wir verbleibendes CO₂ abscheiden und speichern. Nur dann können wir diese Industriezweige in Deutschland halten und unsere Klimaziele in der Industrie erreichen.
Um klimaschädliche Emissionen in der Stromerzeugung zu vermeiden, setzt die Bundesregierung auf den beschleunigten Ausbau Erneuerbarer Energien sowie auf den in der Kraftwerksstrategie beschriebenen Kapazitätsmechanismus und im Vorgriff darauf den Neubau von Gaskraftwerken, die auf Wasserstoff umgestellt werden. Für Verstromungsanlagen mit gasförmigen Energieträgern oder Biomasse wird die Anwendung von CCS/CCU im Sinne eines technologieoffenen Übergangs zu einem klimaneutralen Stromsystem ebenfalls ermöglicht, aber jedenfalls bei fossilen Energieträgern nicht gefördert. Es bleibt beim Kohleausstieg; für Emissionen aus der Kohle-Verstromung wird der Zugang zu CO₂-Pipelines ausgeschlossen.
Wir wünschen Ihnen weiterhin alles Gute.
Beste Grüße
Ihr Team Habeck