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Rita Hagl-Kehl
SPD
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Frage von Birgit D. •

Frage an Rita Hagl-Kehl von Birgit D. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung

Sehr geehrte Frau Hagl-Kehl,

mit Fassungslosigkeit habe ich gerade gelesen, dass Sie auch für die Verlängerung der betäubungslosen Ferkelkastration gestimmt haben. Das ist ein Skandal. Mir drängt sich der Verdacht auf, dass auch die SPD eine Tierquäler-Partei ist. Das ging schon mit dem Koalitionsvertrag los, indem sich die SPD gemeinsam mit CDU/CSU darauf geeinigt hat, Tierschützer, die in Ställe „einbrechen“ (um Missstände aufzudecken!), härter bestrafen zu wollen. Im September hat die SPD zusammen mit CDU/CSU zwei verschiedene Anträge von FDP und Grünen zu Verschärfungen bei Tiertransporten abgelehnt. Und nun diese unselige Fristverlängerung!

Genau dieses "Weiter-So-für-die-Wirtschaft-koste-es-was-es-wolle" ist der Grund dafür, dass der SPD die Wähler in Scharen weglaufen.

Bitte erläutern Sie mir Ihre ganz persönlichen Beweggründe, warum Sie dafür gestimmt haben, dieses qualvolle Prozedere beibehalten zu wollen.

Und kommen Sie mir nicht mit einer vorformulierten Textwüste von Ihrem SPD-Kollegen Rainer Spiering. Und auch nicht mit dem Totschlagargument Arbeitsplätze (ich weiß, eine makabre Wortwahl in Zusammenhang mit dem sensiblen Thema Tierschutz). Wenn Geschäftsgrundlagen ethisch nicht vertretbar sind und zu gesundheitlichen Gefahren von Mensch, Tier und Umwelt führen, dürfen Arbeitsplätze kein Argument mehr sein.

Mich interessiert wirklich, ob Sie als Politikerin noch Empathiefähigkeit für andere Lebewesen haben, und wie Sie persönlich zum Thema Tierschutz stehen.

Mit freundlichen Grüßen,
B. D.

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Antwort von
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Sehr geehrte Frau D.,

vielen Dank für Ihre Frage, in welcher Sie Ihre Enttäuschung über die Verlängerung der betäubungslosen Ferkelkastration zum Ausdruck bringen. Ich kann Ihre Frustration nachvollziehen, versichere Ihnen gleichzeitig, dass es auch inner-halb der SPD-Bundestagsfraktion eine emotionale Debatte zu diesem Thema gab, denn wir lehnen die betäubungslose Kastration von Ferkeln vehement ab.

Die SPD-Bundestagsfraktion hat sich immer für ein Verbot der betäubungslosen Ferkelkastration eingesetzt, auch wenn der Deutsche Bauernverband und die Wirtschaft für eine Verschiebung des Verbotes geworben haben. Für mich persönlich ist diese Kastrationsmethode nicht mit einer artgerechten Tierhaltung vereinbar. Bei ordnungsgemäßer Umsetzung des Tierschutzgesetzes hätte spätestens mit dem Bericht des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft vor zwei Jahren der Startschuss für die drei diskutierten Verfahren Ebermast, Impfung und Kastration unter Vollnarkose fallen müssen. Der ehemalige Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft Christian Schmidt hat in den (bereits als Übergangsfrist vorgesehenen) letzten fünf Jahren versäumt, die Voraussetzungen für die im Tierschutzgesetz 2013 vorgegebene schmerzfreie Ferkelkastration zu schaffen. Nun musste der Bundestag die Initiative ergreifen, um eine Lösung in letzter Minute herbeizuführen.
Als Abgeordnete der SPD-Bundestagsfraktion setzte ich mich dafür ein, dass die Lebensbedingungen von Nutz-, Heim- und Wildtieren nachhaltig verbessert werden. Deshalb habe ich mir die Entscheidung nicht leicht gemacht, diese Gesetzesänderung mitzutragen. Im parlamentarischen Willensbildungsprozess wurde jedoch deutlich, dass es derzeit keine Alternative gibt, die die gegenwärtige Praxis flächendeckend in Deutschland ablösen könnte. Würde es jetzt nicht zu einer Fristverlängerung kommen, wäre zu befürchten, dass es in Deutschland zu massiven Strukturbrüchen bei den deutschen Sauenhalterinnen und Sauenhaltern käme. Die Folge wäre, dass wir es zu verantworten hätten, dass mehrere Millionen Ferkel über mehr als tausend Kilometer aus Ost- und Nordeuropa importiert werden würden. Diese würden auch auf Dauer nicht nach deutschen Tierschutzstandards kastriert werden und noch dazu weite Transportwege zurücklegen. Das ist aufgrund des europäischen Binnenmarktes zulässig und wäre unter Tierschutzaspekten ebenfalls mehr als bedenklich.

Nur wenn die Ferkelerzeugung in Deutschland bleibt, kann souverän über Tierschutzstandards entschieden werden. Vor diesem Hintergrund haben sich nahezu alle Sachverständigen in der Anhörung des Landwirtschaftsausschusses am 26. November 2018 für die Fristverlängerung ausgesprochen. Der von der Fraktion Die Linke benannte Sachverständige Dr. Palzer vom Bundesverband Praktizierender Tierärzte e.V. (bpt) schreibt in seiner Stellungnahme:
„Aus all diesen Gründen hält der bpt eine Verschiebung des Termins schon seit längerem für unabdingbar.“

Eine bloße Fristverlängerung war für die SPD-Bundestagsfraktion jedoch keinesfalls ausreichend. Anders als es CDU/CSU und FDP im Jahr 2012 getan haben, haben wir nun im Gesetz Sicherungen eingebaut, die garantieren, dass nach zwei Jahren nun wirklich die Alternativen flächendeckend zur Verfügung stehen. Das Bundeslandwirtschaftsministerium wird verpflichtet, die bisherige Verweigerungshaltung aufzugeben und unter anderem im Rahmen einer Rechtsverordnung die Voraussetzungen für die Alternativmethoden flächendeckend zu schaffen – so z.B. durch die Entwicklung und Bereitstellung von Schulungsprogrammen, durch die Unterstützung der Betriebe bei der Anschaffung von notwendigen Narkosegeräten und durch entsprechende Aufklärungskampagnen.

Obwohl intensive Diskussionen nicht nur im politischen Raum geführt wurden, hat sich das zuständige Bundesministerium gemeinsam mit den betroffenen Verbänden, Einzelhändlern und Schlachtereien weggeduckt. Stattdessen haben alle Beteiligten auf den sogenannten vierten Weg gesetzt, der nach deutschem Tierschutzgesetz nicht zulässig ist, denn eine Schmerzausschaltung wird nicht erreicht. Das haben wir nicht mitgetragen und werden wir nicht zulassen!

Wichtig für die SPD ist vor allem, dass Rechtssicherheit geschaffen wird und die Verfahren den Anforderungen des Tierschutzgesetzes sowie des Arzneimittel- und Veterinärrechts entsprechen. Auch wenn das Ergebnis nicht zu unserer Zufriedenheit ist, drängt unsere Fraktion darauf, den Tierschutz weiter zu verbessern: Wir fordern, ein Verbot von Kupieren von Schwänzen und Enthornen von Tieren, gekoppelt an die Fristverlängerung bis 2020. Des Weiteren fordern wir ein TÜV Heimtierhaltungssystem, eine Verordnung zur Durchführung von Tierbörsen zu erlassen und die Reglementierung des Internethandels von lebenden Tieren.

Ich danke Ihnen recht herzlich für Ihr Engagement für den Tierschutz und betone nochmals, dass die SPD-Bundestagsfraktion ausdrücklich gegen die betäubungslose Kastration von Ferkeln ist. Wir werden auch weiterhin für eine stetige Verbesserung des Tierschutzes kämpfen.

Mit freundlichen Grüßen

Rita Hagl-Kehl

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