Frage an Rita Hagl-Kehl von Stefan F. bezüglich Finanzen
Sehr geehrte Frau Hagl-Kehl,
Auf Ihrer Homepage vertreten Sie den Standpunkt, daß die Rente mit 67 Jahren abzuschaffen ist. Als junger Familienvater interessiert mich nun die Generationengerechtigkeit. Hier sind sich viele Experten einig, dass es den heutigen Rentnern (Babyboomer mit einer geringen Rate eigener Kinder) so gut geht und gehen wird, wie noch keiner Rentnergeneration (im Durchschnitt).
Natürlich ist mir klar, dass bestimmte Berufsgruppen wie z.B. Maurer nach 35 Berufsjahren nicht mehr voll arbeitsfähig sind und es entsprechende Regelungen bedarf (wobei es entsprechende Regelungen ja schon heute partiell existieren, z.B. gesetzliche Berufsunfähigkeitsrente)
Auf der anderen Seite plädiert u.a. auch der Bundesbankchef Herr Weidmann in der aktuellen Ausgabe der Zeit (48/13) dafür, die Haushaltsüberschüsse mehr für die rasche Reduktion der Schuldenquote zu verwenden, gerade in Hinblick auf die zukünftige demographische Belastung.
Meine Frage daher: Sind Sie tatsächlich bei steigender Lebenserwartung und besserer Gesundheit der Gesellschaft grundsätzlich dafür die "Rente mit 67" abzuschaffen? Oder gibt es in der SPD doch etwas differenziertere Rentenpläne, die Sie mir kurz hier umreißen könnten?
Da Sie evtl. abgeordnetenwatch.de noch nicht wahrgenommen habe schicke ich Ihnen diese Frage auch an Ihre Kontaktadresse des Bundestages.
Vielen Dank für Ihre Antwort!
Mit freundlichen Grüßen
Stefan Fischer
Sehr geehrter Herr Fischer,
vielen Dank für Ihre Frage nach meinem Standpunkt zu dem Vorschlag, die Rente mit 67 wieder abzuschaffen und Ihr Interesse an den Rentenplänen der SPD.
Meiner Meinung nach liegt der Schlüssel zu einer zukunftsfesten Rentenpolitik darin, dass die Lasten durch verschiedene Formen der Finanzierung gerecht zwischen den Generationen und sozialen Schichten verteilt sein müssen. Wir als SPD setzen uns dafür ein, dass möglichst alle in die sozialen Sicherungssysteme – also auch in die Rentenversicherung – einzahlen. Dies ist allerdings nur schrittweise möglich, da bestimmte Gruppen wie Selbstständige oder Freiberufler in der Vergangenheit nicht in die gesetzliche Rentenversicherung eingezogen waren.
Neben der unabdingbaren Stärkung der umlagefinanzierten gesetzlichen Rentenversicherung, sollte auch die betriebliche Altersversorge ausgebaut werden. Ein Problem hierbei ist, dass diese nur den Beschäftigten in großen Betrieben nutzt und Wettbewerbsnachteile für kleine Firmen schafft. Vor diesem Hintergrund stehe ich für die Stärkung der gesetzlichen Rentenversicherung. Natürlich ist auch die Niedriglohnproblematik ein die Problematik verschärfender Faktor. Durch die Einführung des Mindestlohns konnten wir einen Schritt in die richtige Richtung machen. Wir verfolgen weiterhin das Ziel „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“, um das Lohnniveau von Frauen und Leiharbeitern in Deutschland anzuheben. Außerdem stehen wir als SPD natürlich für die Stärkung der Tarifbindung, wodurch das Lohnniveau und letztlich auch die Rente steigen.
Für mich ist das Modell des österreichischen Pensionssystems vielversprechend, deshalb möchte ich dies kurz ausführen: In einem langwierigen Prozess setzte Österreich massive Reformen im öffentlichen System um, deren Leitsatz mit der Zielformel 80/45/65 – also 80% Bruttoersatzrate vom Lebensdurchschnittseinkommen bei 45 Versicherungsjahren und einem Pensionsantritt von 65 Jahren. In der gesetzlichen Pensionsversicherung sind Arbeitnehmer, Gewerbetreibende und Bauern pflichtversichert. Trotz aller düsteren Prognosen über unaufhaltsam steigende Beiträge blieb der Beitragssatz seit 1988 unverändert bei 22,8%. Sieht man sich die Ausgaben für die Pensionen in Relation zur Entwicklung des Bruttoinlandsproduktes an, zeigt sich ein stabiler Verlauf seit 1985. Im gesetzlichen Pensionssystem werden auch „Teilzeitversicherungszeiten“ aufgrund von Arbeitslosigkeit oder langer Krankheit einberechnet ebenso wie Kindererziehungszeiten. Auch die Art des Berufes spielt eine Rolle, beispielsweise haben Schwerarbeiter die Möglichkeit eines Pensionseintritts ab 60 Jahren, wobei hier auch Abschläge hinzunehmen sind. Die Finanzierung erfolgt im Umlageverfahren aus den Beiträgen und Steuereinnahmen.
Natürlich kann man Deutschland und Österreich nicht direkt miteinander vergleichen, aber ich finde, dass wir uns an den erfolgreichen Reformen orientieren sollten und prüfen, was bei uns in Deutschland machbar ist.
Wenn wir die gesetzliche Rente durch verschiedene Maßnahmen stärken, können wir auf eine Regelaltersgrenze unterhalb von 67 Jahren zurückkehren. Ich bin der Meinung, dass jeder nach seinem Arbeitsleben einen Anspruch auf eine auskömmliche Rente hat und dies durchaus finanzierbar ist, ohne die nachfolgenden Generationen zu überfordern.
Mit freundlichen Grüßen
Rita Hagl-Kehl