Frage an Rico Gebhardt von Christoph S. bezüglich Soziale Sicherung
Ist es für Gemeinden mit hohem Leerstand günstig, Arme in den leeren Wohnungen unterzubringen oder müssen diese Gemeinden dabei heftig draufzahlen?
Oder wollen sozial Schwache in solche Gegenden eben nicht hin?
Sehr geehrter Herr S.,
vielen Dank für Ihre Frage.
Grundsätzlich glaube ich nicht, dass man anhand der wirtschaftlichen Verhältnisse eines Menschen generell vorhersagen kann, wo er oder sie gerne wohnen möchte; da spielen weitere Faktoren eine Rolle, etwa die Sozialisation, familiäre Bindungen, Freundschaften, berufliche Möglichkeiten und anderes. Zudem genießen alle Bürgerinnen und Bürger der Bundesrepublik Deutschland gemäß Artikel Art. 11 Abs. 1 des Grundgesetzes das Recht, ihren Wohnort frei zu wählen: „Alle Deutschen genießen Freizügigkeit im ganzen Bundesgebiet.“ Es wäre deshalb verfassungswidrig, Menschen zu zwingen, an einen bestimmten Ort zu ziehen. Wir werden uns Bestrebungen, dieses Prinzip aufzuweichen, auch weiter entgegenstellen.
Indes haben Sie natürlich Recht, dass es Gebiete mit hohem Leerstand gibt und andererseits die Wohnungsmärkte vor allem in Ballungszentren überhitzen. Eine soziale Segregation findet definitiv statt, weshalb politisch Anreize für eine soziale Durchmischung der Quartiere sowie für einen besseren räumlichen Ausgleich zu sorgen ist. Eine wichtige Rolle spielen dabei bessere Verkehrsanbindungen des Umlandes in die Großstädte, damit beispielsweise mehr Menschen mit gut bezahlten Jobs, die vor allem in den Großstädten zu finden sind, angesichts der Vorteile des Landlebens sich für eben dieses entscheiden können.
Insofern Sie auf Menschen anspielen, die ihre Miete durch Sozialleistungen finanzieren, so wären die „Kosten der Unterkunft“ sicher in vielen Fällen auf dem Lande geringer als in der Großstadt, wo das Mietniveau höher liegt. Aus den vorgenannten Gründen verbietet es sich allerdings, Menschen deshalb zum Zwangsumzug zu verpflichten. Eine Bindung finanziell schwacher Haushalte (Sozialrentner, Bezieherinnen von Arbeitslosengeld II oder auch von Menschen mit Behinderungen) an periphere Räume bzw. Gemeinden "weit ab vom Schuss" würde vor allem auch die Möglichkeiten dieser, sich am gesellschaftlichen Leben zu beteiligen oder Wege zurück in den Arbeitsmarkt zu finden, deutlich erschweren. Letztlich könnte dies zu einer gewissen Verfestigung der sozial benachteiligenden Umstände führen und die Ausbildung bestimmter Milieus oder Parallelgesellschaften begünstigen. Hingegen können finanziell besser gestellte Haushalte aufgrund eigener Mobilität und Flexibilität ihre Teilhabe an der Gesellschaft und ihre Versorgung auch in peripheren Räumen und Gemeinden sichern.
Mit freundlichen Grüßen
Rico Gebhardt