Frage an René Stadtkewitz von Jörn W. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sie schreiben, Ihnen sei die Junge Freiheit, bzw. ihre Strategie nicht bekannt. Müßte nicht ein Politiker, der sich so häufig über "Extremismus" äußert, ein wenig mehr Kenntnis über "extremistische" Veröffentlichungen haben? Ist es nicht ein wenig doppeldeutig, wenn Sie einerseits der faschistischen "Jungen Freiheit" ein Interview geben, andererseits die linke "junge Welt" attackieren?
Stehen Sie noch heute zu Ihrer Aussage, die Sie auf der gemeinsamen Demonstration von NPD, CDU und ipahb getätigt haben, wonach der "Linksextremismus" gefährlicher sei, als der "Rechtsextremismus"? Setzen Sie tatsächlich eine dumme Parole wie "Deutschland verrecke" oder ein brennendes Auto mit Brandanschlägen auf Asylantenheime, mit antisemtischen Morden und faschistischem Straßenterror gleich?
Halten Sie die aktuelle Taktik der Pankower CDU, gemeinsam mit NPD-Kadern auf die Straße zu gehen um einen rechtskräftigen Beschluß, den über den Bau der Moschee, der vom CDU-Stadtrat Federlein ordnungsgemäß genehmigt wurde, rückgängig zu machen? Macht dieses Fischen in trüben braunen Gewässern das Bild der Berliner CDU nicht noch um einiges trauriger? Immerhin hat sich die CDU dadurch aus jeder konstruktiven Kommunalpolitik verabschiedet.
Was halten Sie von der These, daß Faschismus immer aus der Mitte der Gesellschaft entspringt?
Sehr geehrter Herr Wegner,
Zum ersten Teil Ihrer Frage: Ich bleibe dabei, dass ich nicht erkennen kann, was Sie mir im Hinblick auf mein Interview in der "Jungen Freiheit" vorwerfen. Ich habe mir inzwischen einige Exemplare dieser Zeitung angesehen und teile Ihre Auffassung nicht. Ich bleibe ebenso dabei, dass entscheidend doch wohl sein muss, was ich in diesem Interview gesagt habe. Dies interessiert Sie offenbar überhaupt nicht, sondern Sie stören Sie einzig an der Tatsache, dass ich mich einem Interview dieser Zeitung nicht verweigert habe. Vielleicht sollten Sie diese Zeitung einmal ansehen, bevor Sie diese auf Ihre Art attackieren und mit Schmutz bewerfen. Nachfolgend einige Äußerungen von bekannten Personen, die alle wohl unverdächtigt sind, Rechtsextremismus in unserem Land fördern zu wollen.
So äußerte sich der SPD-Politiker Egon Bahr im November 2004 in einer 3Sat-Sendung:
„Ich habe die Zeitung über Monate ein bisschen verfolgt, fand sie interessant, intelligent, rechtskonservativ – aber nicht nazistisch – und habe gedacht, nachdem ich auch gesehen habe, dass sie auch den 20. Juli fabelhaft behandelt haben, einschließlich der dortigen Sozialdemokraten, ich könnte ein Interview geben. Mir kommt es doch auf den Inhalt an! Ich sehe mit entsetzen, dass man sich darauf beschränkt, zu diskutieren, ob ich der Zeitung ein Interview hätte geben sollen.“ (3Sat-Sendung „Kulturzeit“, November 2004)
und später Egon Bahr weiter:
„Ich kenne keine deutsche Zeitung, die die Erinnerung an den 20. Juli so leidenschaftlich engagiert, so ernst und so ausführlich behandelt hat wie die JUNGE FREIHEIT.“
oder
der ehemalige Tagesspiegel-Kulturchef (!), Verleger und Publizist Wolf Jobst Siedler (Berlin) (mehrfach Autor der JUNGEN FREIHEIT) in einem Grußwort: „Ich lese sie immer wieder mit Interesse, manchmal mit Spannung, auch weil dort mitunter Beiträge erscheinen, die aus dem bundesrepublikanischen Trott herausfallen. Ich habe nicht feststellen können, weshalb die JUNGE FREIHEIT vom Verfassungsschutz beobachtet wird.“ (JF 05/04, 23. Februar 2004)
oder
Der Journalist und Publizist Peter Scholl-Latour (mehrfach Autor der JUNGEN FREIHEIT) in einem Grußwort zum zehnjährigen Bestehen der JF als Wochenzeitung: „Die JUNGE FREIHEIT bedeutet für mich, dass es in der deutschen Medienlandschaft noch unabhängige Geister gibt und Journalisten, die das Risiko eingehen, gegen den Strom zu schwimmen.“ (JF 05/04, 23. Februar 2004)
oder
der SPD-Politiker und ehemalige Landesminister und Fraktionschef im Düsseldorfer Prof. Dr. Friedhelm Farthmann gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters am 3. März 2005: „Die ständige Bekämpfung (der JUNGEN FREIHEIT) durch das Meinungskartell finde ich schlimm.“ Er habe an dem Blatt nichts Anstößiges finden können. (O-Ton Reuters)
oder
der ehemalige Bundesforschungsminister und langjährige SPD-Bundestagsabgeordnete Dr. Andreas von Bülow nach einem ausführlichen Interview mit der JUNGEN FREIHEIT gegenüber der Frankfurter Rundschau vom 09. März 2001: „Die mir zugesandten Belegexemplare der JUNGEN FREIHEIT ... lassen eine Verfassungswidrigkeit auch nicht im Ansatz erkennen.“
oder
der ehemalige SPD-Politiker Klaus von Dohnanyi in einer Rede am 18. März 2003: „Für Deutschlands Zukunft, für unsere Demokratie und Kultur ist heute nichts wichtiger als ein Klima offener und breiter Meinungsfreiheit. Sie ist das Fundament der Demokratie. Wir müssen uns vor einer Bedrückung durch allzu mächtige Political Correctness schützen.“
oder
der Extremismusforscher und Politikprofessor an der TU Chemnitz, Prof. Dr. Eckhard Jesse, schreibt in einem Beitrag für die Tageszeitung Die Welt vom 4. Februar 2002 über die JUNGE FREIHEIT: „Offenkundig wird mit zweierlei Maß gemessen. Als linksextremistisch gilt vielfach nur noch eine gewalttätige Variante, als rechtsextremistisch hingegen bereits jede Form der ‘Neuen Rechten’. Wer im Neuen Deutschland einen Artikel schreibt, kommt ‘ungeschoren’ davon. Wer der JUNGEN FREIHEIT ein Interview gibt, provoziert eine Kampagne. Die Erosion der Abgrenzung zwischen demokratisch und extremistisch geschieht am linken, nicht am rechten Rand, wie gemeinhin behauptet.“
Diese Zitaten ließen sich beliebig fortsetzen. Aber hier abschließend eine Einschätzung der Jungen Welt (!) vom 29. Juni 2005: „Es ist üblich, dass Demagogen ihre Kontrahenten Demagogen nennen. Populist ist immer der andere, und sollte das nicht reichen, greift man tief in den Sack der Political Correctness und holt diverse Knüppel raus. Nationalist, Ausländerfeind, Rechtspopulist heißt dann der Gegner, und es ist unerheblich, ob das irgendeinen realen Bezug hat. Diese bewährte Methode der Journaille haben sich die Parteien längst zu Eigen gemacht. Die SPD zeigt sich derzeit dabei besonders eifrig.“
Nehmen Sie sich die Zeit und denken Sie einmal über diese Zitate in Ruhe nach.
Zum zweiten Teil Ihrer Frage:
Es geht nicht darum Linksextremismus und Rechtsextremismus gleich setzen zu wollen, sondern es geht darum, Extremismus in jeder Form zu verurteilen und mit allen rechtsstaatlichen Mitteln zu bekämpfen. Sie irren, wenn Sie den Eindruck gewonnen haben, dass allein der Hinweis auf die Gefahr, die von Extremisten überhaupt ausgeht und dabei auch den Linksextremismus zu erwähnen, eine Relativierung von Rechtsextremismus bedeutet.
Es gab nie eine gemeinsame Demonstration mit der NPD und es wird eine solche auch nicht geben. Die Bürgerinitiative hat diese Demonstration angemeldet und dazu aufgerufen. Dies ist das gute Recht jedes Bürgers. Der Demonstrationszug mit ca. 1.500 Menschen konnte erst mit einer einstündigen Verspätung gestartet werden, weil Vertreter der Bürgerinitiative genau wie ich darauf bestanden haben, dass Vertreter von rechtsradikalen Parteien den Demonstrationszug der Bürgerinitiative verlassen. Mit Hilfe der Polizei ist dies dann auch gelungen. Dass einige Vertreter dann hinter dem Demonstrationszug liefen, können Sie den Bürgern und auch nicht mir anhängen. Vielleicht sollten Sie einmal mit einem PDS-Vertreter reden, warum Sie sich vor einiger Zeit nicht daran störten gemeinsam mit NPD und Republikaner gegen HartzIV zu demonstrieren oder was sie unternommen haben, um die Teilnahme zu verhindern.
Es gibt keinen rechtskräftigen Beschluss eines Baustadtrates. Sie wissen wahrscheinlich auch nicht, dass es sich hier um einen Verwaltungsakt, nämlich die Beurteilung eines Bauantrages nach §34BauGB, handelt. Hierzu kann der Baustadtrat keine Beschlüsse fassen, sondern er hat darauf zu achten, dass die ihm unterstellte Verwaltung unter Berücksichtigung geltenden Rechts einen Bescheid erlässt. Wenn Sie sich die Mühe gemacht hätten, sich mit unseren Argumenten auseinanderzusetzen, dann wüssten Sie auch, worauf es uns immer ankam. Es ging und geht der CDU-Pankow darum, dass unter Berücksichtigung des Bürgerwillens ein ergebnisoffener Dialog mit dem Bauherren zustande kommt. Es ist doch nicht unmöglich in Berlin einen Standort zu finden, der geeigneter scheint, als der jetzt gewählte. Vergleichen Sie meine Antworten zu anderen Fragen auf dieser Internetseite. Ich hoffe sehr, dass auch Sie eines Tages in der Lage sind, zu akzeptieren, dass es tausende Bürgerinnen und Bürger in Pankow gibt, die eine andere Auffassung haben als Sie und dass diese Bürger dennoch keine "Faschisten" oder "Rechtsradikale" sind.
Mit freundlichen Grüßen
René Stadtkewitz