Frage an René Röspel von Frauke H. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Röspel,
es mir bewusst und ich verstehe es, dass die größte Aufmerksamkeit der Politik aktuell auf die Pandemie und den Kampf gegen diese gerichtet ist. Nicht verständlich ist und bleibt für mich allerdings der Umgang mit den Menschen im Flüchtlingslager in Moria. Ich halte es für schwierig, einen plakativen Vergleich zwischen den Spargelerntehelferinnen und Spargelerntehelfern, die "ohne großes Wenn und Aber" nach Deutschland einreisen können, und den Geflüchteten in Moria zu ziehen. Allerdings bleibt der Vergleich zwischen Menschenleben und Menschenleben - und ein Menschenleben wiegt niemals und darf niemals stärker wiegen als das Andere.
Warum ist die Würde der Menschen in Moria aktuell antastbar und warum wird ihnen nicht geholfen?
Ich freue mich über eine aussagekräftige Antwort und wünsche Ihnen Alles Gute.
Mit freundlichen Grüßen
F. H.
Sehr geehrte Frau H.,
vielen Dank für Ihre Anfrage. Ich stimme Ihnen zu und kann versichern, dass wir trotz der großen und berechtigten Aufmerksamkeit für die Covid19-Pandemie auch intensiv über die Situation auf den griechischen Inseln und speziell in Moria reden. In Zusammenarbeit mit meinen FraktionskollegInnen Daniela Kolbe und Frank Schwabe habe ich diesbezüglich ein Positionspapier für die Parlamentarische Linke in der SPD-Bundestagsfraktion erarbeitet und mich deshalb in der letzten Zeit nicht nur mit Corona, wirtschaftlichen Problemen vor Ort oder der Rückholung von HagenerInnen aus dem Ausland befasst. Es sollte eigentlich schon längst veröffentlicht werden, aber leider hat die Corona-Situation dann doch zu Verzögerungen geführt. Hier finden Sie es: https://www.parlamentarische-linke.de/positionspapier-zur-situation-von-schutzsuchenden-in-griechenland/
In erster Linie ist uns wichtig, dass wir endlich umgehend mit einer Evakuierung des bereits vereinbarten Kontingents von bis zu 1600 Kindern beginnen. Uns ist klar, dass wir nicht mehr länger darauf warten können, dass sich möglichst viele andere EU-Länder anschließen. Luxemburg schreitet in der Sache voran. Leider sperrt sich Innenminister Seehofer gegen einen "Alleingang" Deutschlands. Der Unions-Fraktionsvize Thorsten Frei erwartet, dass "wenigstens eine Handvoll europäischer Staaten" mitmachen und stellt klar, dass Luxemburg als handelnder Partner nicht reicht.
Das sehen wir als SPD-Bundestagsfraktion anders, müssen aber eben leider mit unserem Koalitionspartner den Kompromiss suchen. Deswegen führt man dann in meinen Augen eigentlich unsägliche Diskussionen darüber, wie vielen Kindern geholfen werden, und wer denn nun welchen Anteil aufnehmen solle. Umso wichtiger finde ich deswegen, dass vor allem der Druck auf die CDU/CSU erhöht wird. Immerhin haben nun 50 Unionsabgeordnete an die EU-Kommission geschrieben und Dringlichkeit angemahnt. Passender hätte ich es gefunden, wenn der Appell direkt an Seehofer adressiert worden wäre, denn dort hakt es, was die sofortige Hilfe angeht.
Für mich persönlich ist klar, dass die bereits getroffene Verständigung auf die Aufnahme von 1600 Kindern nur ein sehr kleiner erster Schritt sein kann. Wir müssen davon ausgehen, dass für die evakuierten Kinder bald "neue" Kinder nachziehen werden. Alles in allem finde ich diese elendige Diskussion um das Schicksal dieser Kinder unwürdig, denn wir sind ein reiches Land, dass nicht lange über die Aufnahme einer solchen Zahl (für Hagen wären es 20 Kinder!?) diskutieren sollte!
Auch wenn ich denke, dass der Vergleich mit den SpargelhelferInnen ein bisschen hinkt, haben sie recht und es zeigt sich daran: Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Die SPD-Bundestagsfraktion hat den Willen zur Soforthilfe für Moria (und auch generell für eine humanere Asylpolitik).
Mit freundlichen Grüßen
René Röspel