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Frage von Ulrich P. •

Frage an René Röspel von Ulrich P. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Röspel,

ich komme zurück auf Ihre Antwort vom 6.12.07.Dafür bedanke ich mich.

Ich habe dafür Verständnis, dass Sie mich an meinen Wahlkreis- abgeordneten verweisen. Nur, meine Fragen bezogen sich auf eine Stellungnahme von Ihnen auf diesem Portal. Wie sollen diese Fragen ein Kollege beantworten? Als Beispiel: Warum können Sie nicht mehr in Ihren Beruf zurückkehren. Dies wissen nur Sie. Erfreulich waren Sie sehr offen bei der Beantwortung der Fragen des Mitbürgers, auf die ich mich bezogen habe. Leider sind neue Fragen aufgrund Ihrer Antworten aufgetaucht, die auch nur Sie beantworten können. Der Bundestag hat jetzt Sitzungspause. Hier finden Sie bestimmt die Zeit, Anfragen zu beantworten. Darf ich darauf hoffen? Ich darf Ihnen ein besinnliches Weihnachtsfest und eine glückliches, erfolgreiches Neues Jahr wünschen.

Mit freundlichen Grüßen
Ulrich Parth

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Antwort von
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Sehr geehrter Parth,

vielen Dank für Ihre Mail.vom 18.12.07. Lassen Sie mich zu Beginn sagen, dass ich glaube, dass die meisten Ihrer Fragen auch meinem Kollege Herr Ernst-Reinhard Beck beantworten kann. Er hat sicherlich ein ähnliches Arbeitspensum wie ich (ich werde Herrn Beck meine Antwort in Kopie senden). Allerdings will ich Ihre offenen Fragen auch nicht unbeantwortet lassen (ausnahmsweise).

Zu Ihren Fragen bzw. Anmerkungen will ich wie folgt Stellung nehmen. Es ist nicht so, dass wir Abgeordneten in den sitzungsfreien Wochen nichts zu tun hätten. Besonders als direkt gewählter Abgeordneter muss man das Ohr am Bürger haben. Deshalb bin ich regelmäßiger Gast bei verschiedenen Organisationen und Veranstaltungen, die z.T. öffentlich, häufig aber auch nichtöffentlich als Gespräch oder Meinungsaustausch stattfinden (eine Auswahl öffentlicher Termine können Sie auch auf meiner homepage www.roespel.de finden). Daneben müssen aber auch irgendwann einmal die vielen Mappen, die mir meine Mitarbeiter in Hagen und Berlin zusammenstellen mit Anfragen, Terminwünschen oder Problemdarstellungen von mir abgearbeitet werden. Für diese Antwort werde ich mindestens etwa eine halbe Stunde brauchen (inklusive des Lesens der Frage und ohne etwaige notwendige Recherchen meiner Mitarbeiter - Fragen sind leider viel schneller formuliert als Antworten!). Deshalb sind die Anfragen aus meinem Wahlkreis völlig ausreichend zur Füllung einer Nichtsitzungswoche, und deshalb kann ich Anfragen von außerhalb meines Wahlkreises nicht beantworten (es sei denn, sie berühren meine Fachthemen Forschung, Ethik, Stammzellen, Gentechnik usw. - dazu bekomme ich zusätzlich häufig Beantwortungswünsche von Kollegen aus anderen Wahlkreisen). Auch wenn ich die berechtigten Wünsche der Bürger nach Errichtung eines kontinuierlichen schriftlichen Dialoges mit dem Abgeordneten verstehe, muss ich solche Anliegen nach einiger Zeit abbremsen, sonst entsteht über einen „Ping-Pong-Effekt“ neben den täglich eingehenden neuen Vorgängen ein zusätzlicher, nicht mehr zu bewältigender Berg an „Stammkunden“-Post. In solchen Fällen lade ich i.d.R. zu einem persönlichen Gespräch ein, das die ganze Schreibarbeit reduziert. In dieser Woche werde ich beispielsweise nichtöffentliche Gespräche mit Vertretern der Feuerwehr, Hospizarbeit und mit Einzelpersonen zu konkreten Problemen haben, die entweder (das ist die Regel) inhaltlich vorbereitet werden müssen oder aus denen sich wiederum Bearbeitungsnotwendigkeit ergibt z.B. Ministeriumsanfrage, Initiativen, Antragserarbeitung usw.

Die Nicht-Sitzungswochen dienen aber auch der Nachbereitung und der Vorbereitung von Sitzungswochen. Bei den Fachthemen muss ich auf dem neuesten Stand bleiben und die Berichterstatterthemen für den Ausschuss oder die Plenardebatte lassen sich nicht mal eben in einer Stunde in der Sitzungswoche vorbereiten. Das Arbeitspensum in den Nichtssitzungswochen ist also nicht viel geringer als in einer Sitzungswoche. Es ist aber weniger „Sitzungsarbeit“, sondern mehr „Schreibtischarbeit“. In der Regel komme ich auf etwa 50 Stunden plus Termine am Wochenende. Leider lagen Sie mit der Vermutung falsch, dass ich vor Weihnachten Zeit zur Beantwortung gehabt hätte. Unmittelbar im Anschluss an die Sitzungswoche bin ich auf eine Ausschussdelegationsreise nach Israel gefahren, die zwar sehr interessant, aber auch sehr anstrengend, weil mit dichten Gesprächsprogramm versehen, war. Nach der Rückkehr am 22.12. habe ich über die Weihnachtstage die dringendste Post erledigt, bin eine Woche mit Familie ins Sauerland gefahren und sitze nun vor dem Berg, der sich in zwei Wochen Büropause angesammelt hat.

Sie haben mich darüber hinaus gefragt, warum ich nicht mehr in meinen alten Beruf zurückkehren kann. Ich habe bis zu meinem Eintritt in den Bundestag als wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Tumorforschung gearbeitet. In der Forschung muss man immer auf dem neuesten Stand sein und regelmäßig seine Ergebnisse publizieren. Insbesondere in den Lebenswissenschaften ist der Informationszuwachs enorm. Ein Einstieg nach mehreren Jahren Pause ist dabei nur sehr schwer möglich. Da ich mein Mandat als Hauptberuf ansehe, habe ich seit neun Jahren nicht mehr wissenschaftlich im Labor gearbeitet und auch nicht mehr publiziert. Mit mir ist daher auch meine Stelle gegangen. Eine Rückkehrmöglichkeit habe ich nicht. Dass ich keine Chance zur Rückkehr an die Uni habe, bei der Konkurrenz an vielen (jungen) guten Wissenschaftlern, die in den letzten Jahren kontinuierlich geforscht und publiziert haben, weiß ich. Eine Möglichkeit wäre natürlich, dem Lobbydruck nachzugeben und mir über genehme Entscheidungen jetzt schon den Einstieg in die Wirtschaft (vermutlich besser dotierter Anschlussjob) nach meinem Ausstieg aus dem Mandat zu sichern. Das widerstrebt mir aber zutiefst. Deshalb bin ich sehr froh, dass das jetzige System der Abgeordnetenentschädigung und –versorgung mich wirtschaftlich und finanziell unabhängig genug macht, mich kritisch mit Lobbyinteressen auseinandersetzen (Lobbyarbeit ist übrigens per se nichts Schlechtes – ich bin froh über Informationen von z.B. DGB, Greenpeace, Kirche oder Kinderschutzbund) und die Entscheidungen treffen zu können, die ich für richtig halte.

In der SPD zahlen die Mitglieder Beiträge entsprechend ihres Nettoeinkommens. Daher zahle ich satzungsgemäß monatlich 261,20 Euro Mitgliedsbeitrag. Darüber hinaus zahlen Mandatsträger Sonderbeiträge an ihren Unterbezirk, Landesverband und an den Parteivorstand, mit denen unterschiedliche Aufgaben der Parteiarbeit finanziert und auch für den Wahlkampf angespart werden. Insgesamt zahle ich monatlich etwa 800 Euro meines Nettoeinkommens an die SPD. Das ist eine Frage der Solidarität und Gerechtigkeit. Schließlich finanziert auch das einfache Parteimitglied mit kleinem Einkommen den Wahlkampf mit, den ich selbst alleine nicht finanzieren kann (in den USA muss man entweder reich sein oder Spenden von Unternehmen sammeln, um kandidieren zu können). Nach Paragraph 18 Parteiengesetz werden die Sonderbeiträge der Mandatsträger vom Staat genauso wie Parteimitgliedsbeiträge oder Spenden behandelt, sprich mit 38 Cents pro Euro bis zu einer Gesamthöhe von 3.300 € je Person und Jahr „subventioniert“. Ich halte das für richtig und würde es mir ausdrücklich wünschen, wenn die Parteien ausschließlich über die Beiträge und Spenden ihrer Mitglieder und von staatlichen Zuschüssen finanziert würden. Das würde sie weniger abhängig machen (oder in Gefahr bringen) von Unternehmensspenden. Als Schatzmeister der SPD Hagen folge ich einem alten Parteibeschluss, keine Unternehmensspenden anzunehmen, um möglichen Interessenkonflikten von vornherein vorzubeugen. Die Hagener SPD finanziert sich also ausschließlich durch die Arbeit, Spenden und Beiträge ihrer Mitglieder und indirekt, aber geringfügig von staatlichen Zuschüssen über die wenigen Zuschüsse der Landes- oder Bundespartei. Gut so.

Zum Thema „Kostenpauschale“ gebe ich Ihnen aus Zeitgründen (ich sitze jetzt schon über eine Stunde an Ihrem „Vorgang“) drei Punkte aus einem meiner Antwortbriefe zum Thema zur Kenntnis:

1. Abgeordnete sollen nach dem Grundgesetz und nach allgemeiner Auffassung nicht weisungsgebunden, frei und unabhängig ihr Mandat wahrnehmen können. Das bedeutet letztlich, dass nicht Finanzbeamte darüber zu entscheiden haben, was zu meiner politischen Arbeit zählt (und absetzbar ist) und was nicht. Müsste ich mir dann künftig von BASF oder wem auch immer die Fahrtkosten für eine Veranstaltungsteilnahme ersetzen oder eine Quittung ausstellen lassen für die mir entstandenen Kosten (die ich lieber selbst trage, um „sauber“ zu bleiben)? Nein. Ich möchte meine Unabhängigkeit selbst bei solchen „peanuts“ bewahren. Und ich möchte auch künftig der Schulklasse im Hochsauerland für die Diskussion über Gentechnologie zur Verfügung stehen können, ohne mir Fahrtkosten erstatten oder Belege anfertigen zu lassen (natürlich vom Rektor mit Schulstempel versehen). Ein Abgeordneter sollte den Bürgern ohne großen (Kosten-) Aufwand zur Verfügung stehen.

2. Aus meiner Sicht ist die jetzige Regelung mit der Pauschale deutlich günstiger als deren Abschaffung. Für die über 600 Mitglieder des Bundestages bräuchte es einige neue Personalstellen, um der Belegflut Herr zu werden. Für den MdB selbst wäre das natürlich auch mehr Zeit für reine Verwaltungsarbeit und ein deutlicher finanzieller Verlust, da es eine Reihe von Ausgaben gibt, für die man keine Belege bekommt (unter 20-30 € komme ich bei keinem Sommerfest weg, und ich werde zu vielen eingeladen…).

3. Um die durch die Pauschale abgedeckten Kosten einigermaßen zu kompensieren, müsste meine Abgeordnetenentschädigung ziemlich heftig erhöht werden: Von der Steuer absetzen kann man etwas nur, wenn man auch Steuern bezahlt. Wenn ich also meine sämtliche Kosten, die bisher über die Pauschale abgedeckt werden – z.B. sämtliches Porto in Berlin und im Wahlkreis, Mietkosten für Wahlkreisbüro (kann man natürlich einsparen, wenn man kein Interesse an Bürgerkontakten hat), Mietkosten für die Zweitwohnung in Berlin (die ich mir mit einem Kollegen teile und die eher bescheiden, aber günstiger als Hotelübernachtungen ist), Fahrtkosten, Telefonkosten im Wahlkreisbüro, Veranstaltungen, Druckkosten usw. - von der Steuer absetzen müsste, müsste ich auch mindestens so viel Steuern bezahlen. Bei einem Steuersatz von etwa 30 % müsste die Abgeordnetenentschädigung mindestens verdoppelt, wenn nicht verdreifacht werden (ich habe es nicht genau ausgerechnet), damit ich netto (bei einer i.d.R. 70-Stunden-Woche) etwa so viel herausbekomme wie jetzt (ich bekomme etwa 400,- € netto im Monat mehr als der Schulleiter eines Gymnasiums). Und da sind wir spätestens bei dem Punkt, dass das „nicht kommunizierbar“ ist. Es sei denn, Sie schaffen es, die Bild-„Zeitung“ zu einer solchen Kampagne zu bewegen…

Bitte haben Sie Verständnis, dass dies meine abschließende Antwort auf Ihre Fragen sein muss. Ich gehe davon aus, dass mein Kollege Beck Ihnen auf alle weiteren Fragen ausführlich antworten wird.

Mit freundlichen Grüßen und guten Wünschen für 2008

René Röspel