Frage an René Röspel von Stefan K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Hallo Herr Röspel,
ich möchte ihnen die gleiche Frage nocheinmal stellen, der sie gestern beim Treffen mit Campact schon ausgewichen sind:
Es ging um Beschluss des Parteikonvents vom Sept. ´14. Für mich ist es eindeutig, dass dieser mit dem neuen Antrag des Präsidiums für den kommenden Parteitag aufgeweicht werden soll. Gestern hatten sie mich nach einem Beispiel gefragt. Es geht generell um die Wortwahl. Inhaltlich besteht keinerlei Notwendigkeit, die Position der SPD neu zu definieren. Die Roten Linien sind im Konvent gezogen. Warum glauben sie (ganz ehrlich), dass das Präsidium das *scheinbar* Gleiche noch einmal beschliessen lassen will?
Es geht um Feinheiten, z.B. sagt der Konventsbeschluss ganz klar Nein zur Senkung europäischer Standards sei es Verbraucherschutz, Umwelt, Soziales... Im neuen Leitantrag für diesen Parteitag steht zu diesem Punkt als erstes: "Wir wollen fortschrittliche Standards". Erst im Nachsatz wird darauf hingewiesen, dass auch darauf geachtet werden soll, dass unsere Standards nicht gesenkt werden.
Nochmals die Frage: Warum muss ein neuer Antrag dazu her? Wenn die SPD wirklich Nein meint, dann hat sie das schon im Konvent vom Sept ´14 beschlossen.
Ich gehe eher davon aus, dass man dies nutzt, um dann im Nachhinein die gleiche Argumentation bringen zu können, die sie gestern so oft auch anführten. So ungefähr: ´Wir haben ein Teil erreicht (die fortschrittlichen Standards), aber wir sind ja nur der Kleine Bruder, deshalb mussten wir halt auch mal nachgeben´.
Sie erwähnten ebenfalls, dass die SPD nicht Verhandlungsführer ist, sondern nur die EU. Ich denke das Gewicht der deutschen Regierung innerhalb der EU ist in den letzten Jahren offensichtlich geworden. Ich sehe da vielmehr wieder das gleiche Thema (´wir sind zwar mit in der Regierung, aber die anderen sind stärker, also können wir nichts dafür´)
Sie dürfen sich nicht aus der Verantwortung reden! Die SPD ist für alles mitverantwortlich was diese Regierung verursacht!
Sehr geehrter Herr König,
gerne gehe ich nochmal auf Ihre Frage ein, obwohl ich meine, mehrmals bei Ihrem Besuch mit Ihren MitstreiterInnen in dem Termin vor meiner Bürgersprechstunde einige Sachverhalte zu erklären versucht zu haben (aber es war ja auch vor dem Parteitag): Der Bundesparteitag ist das oberste Beschlussgremium der SPD und findet alle zwei Jahre statt. Um zwischen den Parteitagen Beschlüsse zu fassen, treffen sich die Delegierten auf dem Parteikonvent. Auf einem solchen Parteikonvent im September 2014 wurde der Antrag „Unsere Erwartungen an die transatlantischen Freihandelsgespräche“ angenommen und gilt seither als Papier, welches unsere sogenannten „roten Linien“ festlegt (Übrigens hat der Beschluss Bedingungen gestellt, war aber kein kategorisches „Nein“, so wie Sie das beschreiben). Die Diskussion um die abzuschließenden Freihandelsverträge war mit dem Parteikonventsbeschluss aber noch lange nicht abgeschlossen innerhalb der SPD, und sie ist es noch immer nicht. Wenn man so will, hat sie seitdem nochmal an Fahrt aufgenommen. Es ist also nicht überraschend, dass beim ordentlichen Bundesparteitag vom 10. bis 12. Dezember nicht nur ein Antrag des Parteivorstands eingebracht wurde, sondern auch 68 weitere Anträge zum Thema. Dabei waren auch Forderungen nach sofortigem Verhandlungsstopp, aber viele, die im jetzt angenommenen Antrag wiederzufinden sind. (Die SPD-Linke beurteilt die Freihandelsabkommen dabei durchaus anders und strenger als der Seeheimer Kreis, und das ist auch kein Geheimnis.) Die SPD-Linke hat sich immer wieder öffentlich mit deutlicher Kritik positioniert und ist maßgeblich dafür verantwortlich, dass diese „roten Linien“ formuliert und gezogen wurden. Wenn man den Parteikonventsbeschluss der SPD vom letzten Jahr und den am letzten Wochenende beim Parteitag angenommenen Antrag vergleicht, dann findet man zweifelsohne und selbstverständlich Unterschiede in der Wortwahl, zumal der Parteitagsbeschluss auch auf aktuelle Entwicklungen eingeht wie z. B. bei den privaten Schiedsgerichten, bei der Forderung bei CETA nachzuverhandeln oder bei der Ankündigung, dass bei Vorlage des ausverhandelten und beschlussfähigen Texts auf einem Parteikonvent oder Bundesparteitag über die Annahme oder Ablehnung von TTIP abgestimmt werden soll. Was aber unverändert maßgeblich ist, findet sich nach wie vor bereits in der Einleitung des Beschlusses (der unten aufgeführt und dessen Lektüre zu empfehlen ist), in dem es eindeutig heißt: „Auf dem Parteikonvent im September 2014 haben wir einen Grundsatzbeschluss zu den transatlantischen Freihandelsabkommen gefasst. Der Bundesparteitag bestätigt diesen Beschluss. Er ist für uns weiterhin maßgeblich und stellt die programmatischen Maßstäbe dar, die unsere Politik leiten“ An diesem Punkt hat sich also nichts geändert, weder für mich, noch für die SPD. Das ist der Konsens. Was das mögliche Abstimmungsverhalten Deutschlands in dieser Frage anbelangt, habe ich Ihnen ja auch versucht im Gespräch darzustellen, dass es bei den durch die WählerInnen 2013 geschaffenen Mehrheitsverhältnissen in der Regierungskoalition bleibt (auch wenn ich mir das anders wünschen würde!). Das habe ich auch erklärt bei dem von Ihnen angesprochenen Beispiel der Abstimmung über die Zulassung des Genmaises 1507 auf europäischer Ebene: Die SPD-geführten Bundesministerien haben sich in der Bundesregierung GEGEN die Zulassung des Gen-Maises ausgesprochen, Frau Merkel und die CDU-Ministerien FÜR die Zulassung, deshalb hat Deutschland damals mit Enthaltung gestimmt. Das ist nun mal so. Die SPD und ich werden sich also weiterhin für faire und gerechte Handelsabkommen einsetzen und dafür, dass sich Deutschland gegen eine Absenkung von Standards einsetzt.
Mit freundlichen Grüßen,
René Röspel