Frage an René Röspel von Eugen S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Röspel,
ich beziehe mich auf Ausschussdrucksache 17(4)636 – Beschäftigtendatenschutzgesetz.
Ist es richtig:
1. Dass mit § 32 Abs. 1 Satz 2 Arbeitgebern das Recht eingeräumt würde, nach laufenden Ermittlungsverfahren zu fragen? Nach Rechtsprechung ist z. Zt. nur die Frage nach Vorstrafen zulässig.
2. Dass mit § 32 Abs. 6 Satz 2 Arbeitgebern das Recht eingeräumt würde, öffentlich zugängliche Daten über Beschäftigte zu erheben; zugleich die bisher nach § 33 Abs. 1 BDSG für derartige Datenerhebungen bestehende Informationspflicht entfallen soll?
Warum sollen Arbeitnehmer im Verhältnis zu Arbeitgebern damit schlechter gestellt werden als andere Betroffene?
3. Dass durch § 32 Abs. 2 Satz 1 ausdrücklich die Frage nach einer Behinderung zulässig sein und nur die Frage nach einer Schwerbehinderung durch § 32 Abs. 3 ausgeschlossen sein soll?
Im Ergebnis würde eine Diskriminierung behinderter Menschen möglich werden; zudem fehlt es beim Begriff „Behinderung“ an präzisen Maßstäben.
4. Dass durch § 32c Abs. 2 Arbeitgebern die Möglichkeit eingeräumt würde, für die Planung von Versetzungen Persönlichkeitsprofile der Beschäftigten zu erstellen?
Was wäre dies anders als Vorratsdatenspeicherung auf betrieblicher Ebene?
5. Dass durch § 32c Abs. 3 Nr. 2 Arbeitgebern die Möglichkeit eingeräumt würde, ärztliche Untersuchungen durchführen zu können, wenn eine Versetzung geplant ist?
Wäre dies nicht die Lizenz für Arbeitgeber, eine Beförderung vom Gesundheitszustand abhängig zu machen?
6. Dass durch § 32d Abs. 3 Arbeitgebern eine Lizenz zur Kontrolle erteilt würde, wenn künftig anlasslose Screenings von E-Mails und Internetzugriffen durchgeführt werden können, um zu prüfen, ob es Straftaten aus dem Bereich der Untreue, Vorteilsnahme oder Bestechlichkeit gegeben hat?
Damit würden Maßnahmen legalisiert, die in der Vergangenheit als Datenschutzskandale galten.
Ich bitte Sie, dem Gesetz nicht zuzustimmen.
Mit freundlichen Grüßen
Eugen Steinberg
Sehr geehrter Herr Steinberg,
vielen Dank für Ihre Frage vom 15. Januar über das Portal abgeordnetenwatch.de zum Thema Beschäftigungsdatenschutz.
Ich war ein wenig überrascht, dass Sie in Ihrem Schreiben auf die nicht öffentlich verfügbare Ausschussdrucksache des Innenausschusses verweisen (Ausschussdrucksachen sind anderes als Plenardrucksachen für den internen Gebrauch gedacht und werden erst bei Zustimmung im Ausschuss durch eine Beschlussempfehlung an das Plenum veröffentlicht, dies ist bei dem von Ihnen zitierten Dokument aber bisher noch nicht geschehen). Kompliment für Ihre Recherchen. Da ich kein Mitglied dieses Ausschusses bin, musste auch ich diese erst einmal bei meinen Kollegen erfragen.
In der von Ihnen zitierten Ausschussdrucksache geht es um einen Änderungsantrag der CDU/CSU und FDP zu dem Gesetzesentwurf der schwarzgelben Bundesregierung (Plenardrucksache 17/4230, diese ist hier zu finden: dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/042/1704230.pdf)
Als SPD-Bundestagsfraktion haben wir in enger Abstimmung mit Gewerkschaften und Betriebs- und Personalräten diesen Gesetzesentwurf bereits frühzeitig abgelehnt und dazu 2011 auch einen eigenen Antrag im Bundestag gestellt (Plenardrucksache 17/7176; zu finden unter dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/071/1707176.pdf).
Dabei wird auch auf die von Ihnen gestellten Fragen eingegangen:
Der aktuelle Entwurf der Koalition enthält nach SPD-Meinung keine explizite Regelung zur Datenerhebung aus sozialen Netzwerken. Eine ursprünglich enthaltene Regelung wurde gestrichen. Vielmehr soll eine solche Datenerhebung jetzt bei allgemein öffentlich zugänglichen Daten ohne Mitwirkung oder Zustimmung des Betroffenen möglich sein. Dazu zählen auch die für alle Mitglieder offenen Bereiche sozialer Netzwerke. Eine so weite generelle Datenerhebung lehnen wir, insbesondere für im Internet verfügbare Daten, ab, zumal die Öffentlichkeitseinstellungen von den Anbietern häufig geändert werden (siehe Facebook) oder Daten von Dritten ohne Kenntnis des Betroffenen öffentlich gemacht werden können.
Weiterhin sind nach § 32 c Abs. 3 Nr. 2 des geplanten Beschäftigtendatenschutzgesetzes ärztliche Untersuchungen bei einem Wechsel der Tätigkeit erlaubt, ohne dass es eine auf einem sachlichen Rechtfertigungsgrund beruhende Einschränkung wie in Abs. 3 Nr. 1 gibt. Das ist zu weitgehend. Zu befürchten ist, dass diese Öffnung insbesondere zulasten älterer Arbeitnehmer geht.
Der Gesetzentwurf der Bundesregierung beinhaltet weiterhin die Datenerhebung ohne Kenntnis des Beschäftigten wegen einer Straftat oder einer schwerwiegende Pflichtverletzung sowie entsprechende präventive Maßnahmen. Die Erhebungsgründe in § 32 e Abs. 2 des geplanten Gesetzes sind immer noch zu weit. Die SPD-Fraktion verlangt daher das „Vorliegen von vorab zu dokumentierenden tatsächlichen Anhaltspunkten für den Verdacht einer Straftat“. Die Datenerhebung ohne Kenntnis des Beschäftigten bei schwerwiegenden Pflichtverletzungen sowie die präventive Erhebungen sind auszuschließen.
Die SPD-Bundestagsfraktion fordert außerdem eine klarstellende Regelung, dass anfallende Daten ausOrtungssystemen nicht auch zur Verhaltens- und Leistungskontrolle genutzt werden dürfen. Diese eindeutige Beschränkung fehlt. Gerade bei Ortungssystemen liegt ein entsprechendes Missbrauchspotenzial nahe.
Unter anderem aus diesen Gründen lehnt die SPD-Bundestagsfraktion den Gesetzesentwurf ab.
Eigentlich sollten nach dem Willen der Koalition das Thema in der letzten Sitzungswoche abschließend behandelt werden. Aufgrund des öffentlichen Protestes, den wir als SPD-Bundestagsfraktion unterstützt haben, wurde das Thema dann aber kurzfristig wieder abgesetzt. Leider ist aktuell nicht davon auszugehen, dass CDU/CSU und FDP die auch von Ihnen kritisierten Stellen im Gesetzesentwurf nachbessern werden. Insofern ist der fortlaufende Protest gegenüber den Regierungsfraktion notwendig. Als Opposition werden wir ebenfalls alle uns zur Verfügung stehenden Mittel nutzen, um das Gesetz doch noch zu Fall zu bekommen.
Mit freundlichen Grüßen
René Röspel