Frage an René Röspel von Gerhard R. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Röspel,
die Ehrlichkeit Ihrer Antwort betr. Afghanistankrieg an Herrn Romano vom 4.3.2010 habe ich mit Respekt registriert.
Sie schrieben: "Wenn 2001 die Entscheidung über die Entsendung deutscher Truppen nach Afghanistan nicht mit einer Vertrauensfrage verbunden worden wäre, hätte ich den Einsatz, wie auch andere SPD-Kollegen, abgelehnt".
Werden Sie sich in einer vergleichbaren Situation zukünftig für die Kriegsvermeidung entscheiden?
Wie viele SPD-Kollegen sind Ihnen bekannt, die damals wegen der Vertrauensfrage gegen ihre Überzeugung mit JA gestimmt hatten?
Halten Sie einen Teilabzug der NATO-Truppen schon jetzt für verantwortbar, wenn Rückzugsräume für Flüchtlinge und große Städte besetzt bleiben?
Mit freundlichen Grüßen
Gerhard Reth
Sehr geehrter Herr Reth,
vielen Dank für Ihre Fragen zum Thema ISAF.
Vermutlich werde ich mich auch in Zukunft für die Kriegsvermeidungsstrategie entscheiden, so habe ich es auch in der Vergangenheit getan. Problematisch ist nur, dass wir als Abgeordnete (aber damit stehen wir nicht allein) oft nicht hundertprozentig wissen, wie sich gewisse Entscheidungen in der Zukunft auswirken werden – und das bezieht sich nicht nur auf Auslandseinsätze. Deshalb muss ich immer wieder abwägen.
2001 haben sich nach meiner Erinnerung ca. zwanzig bis dreißig SPD-Abgeordnete in der Fraktionssitzung (dort gibt es vor wichtigen Entscheidungen im Plenum Probeabstimmungen) gegen das ISAF-Mandat ausgesprochen. Probleme damit hatten aber sicherlich noch mehr. Wie bei jedem Auslandseinsatz der Bundeswehr würde ich in einer ähnlichen Situation wieder an Hand des Einzelfalls unter Abwägung aller mir bekannten möglichen Auswirkungen entscheiden.
Vermutlich hat Gerhard Schröder 2001 mit der ISAF-Entscheidung (erfolgreich) versucht, Deutschland aus dem Irak heraus zu halten. Das ändert nichts an meiner damaligen Überzeugung, erklärt für mich aber teilweise die Entscheidungen im damaligen Kanzleramt.
Ich bin kein Militärexperte, insofern kann ich Ihre Frage nach einem Teilabzug nur bedingt beantworten. Aber so weit ich weiß, war es viel zu lange die Strategie von ISAF, nur große Städte und Ballungszentren zu schützen, die ländlichen Gebiete aber den Aufständischen zu überlassen. Dabei muss man wissen, dass nur 24 Prozent der afghanischen Bevölkerung in urbanen Gebieten lebt. Die afghanische Geschichte zeigt außerdem, dass man die Provinzen und die dort lebenden Stämme nicht vernachlässigen darf. Deshalb wurde die Strategie mit den Jahren revidiert, die Folgen waren unter anderem der verstärkte Einsatz von PRT (die ich auf Grund der Vermischung von Zivilem und Militärischem durchaus kritisch sehe), Entwicklungshilfemaßnahmen und Bodentruppen in ländlichen Gebieten. Der blutige Anschlag auf das UN-Gästehaus letztes Jahr sowie auf das Einkaufzentrum in diesem Jahr zeigen aber exemplarisch, wie schwierig es allein ist, den Ballungsraum Kabul zu schützen. (Der erwähnte zweite Anschlag hat aber auch gezeigt, dass die afghanischen Sicherheitskräfte mittlerweile besser in der Lage sind, auf solche Gefahren erfolgreich zu reagieren.) Auch wenn ich grundsätzlich den Rückzug der westlichen Truppen aus Afghanistan begrüßen würde, so sehe ich deshalb derzeit vor Ort dafür nicht die notwendigen Bedingungen.
Da Sie sich sehr für das Thema Afghanistan interessieren, empfehle ich Ihnen als weiterführende Lektüre das aktuelle SPD-Positionspapier „Dauer und Perspektive des deutschen Afghanistaneinsatzes“, welches ich Ihnen anbei mit zuschicke. Sehr zu empfehlen sind auch die laufenden Berichte der „Taskforce Afghanistan-Pakistan“ der SPD-Bundestagsfraktion. Den aktuellen Forderungskatalog der TaskForce übersende ich Ihnen ebenfalls anbei. Bei weiteren Fragen zu dem Thema würde ich Sie bitten, sich an meine Kollegen Angelika Graf, Johannes Pflug oder Christoph Strässer zu wenden, da diese die Experten für das Thema sind (ich bin kein Mitglied der Taskforce).
Ich hoffe Ihre Fragen beantwortet zu haben und verbleibe mit freundlichen Grüßen
René Röspel