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Renate Künast
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Frage von Thomas P. •

Was kann man gegen die wohl zu harte strafrechtliche Verfolgung von Schutzsuchenden in Deutschland tun?

Sie haben kürzlich den Begriff Clankriminalität kritisiert:

https://www.tagesspiegel.de/politik/streit-um-begriff-wird-man-auch-in-zukunft-noch-von-clankriminalitat-sprechen-10408651.html

Der Begriff ist aufhetzend und diskriminierend. Er trägt auch dazu bei, dass Schutzsuchende wohl härter strafrechtlich verfolgt werden als Deutsche.

Sollte der Begriff gesetzlich verboten bzw. als Volksverhetzung deklariert werden?

Es gibt aber weitere Probleme für die Schutzsuchenden. Sie kennen die deutschen Gesetze nicht, werden aber danach bestraft. Liegt hier nicht zumindest teilsweise Schuldunfähigkeit vor?

Manche Gerichte berücksichtigen das. Aber müsste nicht der Gesetzgeber generell die strafrechtl. Verfolgung von Schutzsuchenden regulieren, d.h. Herkunft, Religion, gesellschaftliche Standards, Traditionen usw. anerkennen. Dies würde zu deutlich weniger Strafen führen. Und die Deutschen könnten sich auch darauf einstellen und mehr Rücksicht auf die Schutzsuchenden nehmen.

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Guten Tag,

 Wer Straftaten und Gewalttaten verübt, den Rechtsstaat und unsere demokratischen Institutionen ablehnt, Polizei und Behörden bedroht, muss Konsequenzen zu spüren bekommen. Begangene Straftaten müssen aufgeklärt und bestraft werden. Das gilt für alle Menschen, die in Deutschland leben, ganz egal welche kulturelle, religiöse oder ethnische Identität sie haben. Bezüglich der Schuldunfähigkeit: Nur weil man ein Gesetz nicht kennt, ist man nicht schuldunfähig. Der Begriff der Schuldfähigkeit bezeichnet grob formuliert, dass man aufgrund seiner seelischen Verfassung in der Lage ist das Unrecht der Tat zu erkennen. Wenn ein*e Täter*in also eine psychische Erkrankung hat oder bei der Tat unter Vollrausch steht und deshalb nicht in der Lage ist das Unrecht der Tat zu erkennen, ist er*sie schuldunfähig. Dabei kommt es aber auf die tatsächlichen Umstände an (z.B.: ich füge gerade einem Menschen Schmerzen zu) und nicht die rechtlichen Grundlagen (das ist eine Körperverletzung nach §§ 223 ff. StGB).
Dabei gibt es in Deutschland keine Sippenhaft. Sprich ein*e unbescholtene*r Bürger*in darf nicht sanktioniert werden, nur weil ein Verwandter oder eine Verwandte möglicherweise eine Straftat begangen hat. 
Der Begriff „Clankriminialität“ ist undifferenziert, stigmatisiert pauschal vermeintlich „nicht-deutsche“ Familien oder ganze Bevölkerungsgruppen und kann dadurch rassistische und diskriminierende Stereotype befördern. Notwendig ist hingegen eine differenzierte Betrachtung von Straftaten und deren Hintergründen sowie zielgerichtete Maßnahmen für Prävention und Integration von Menschen mit Migrationsgeschichte.

 Freundliche Grüße,
Team Künast


 

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