Frage an Renate Künast von Jan-Hendrik H. bezüglich Raumordnung, Bau- und Wohnungswesen
Sehr geehrte Frau Künast,
Wie stehen Sie zu dem Beschluss des Baus von temporären Gebäuden für die Unterbringung von Flüchtlingen auf dem Tempelhofer Feld und den Zielen der Bürgerinitiative "100% Tempelhofer Feld" ?
Vorab vielen Dank für Ihre Antwort.
Jan-Hendrik Heuschkel - 16 Jahre - Schüler der Königin-Luise-Stiftung, Berlin
Fragen im Rahmen unseres Projekts für "Politische Bildung"
Lieber Herr Heuschkel,
vielen Dank für Ihre Frage.
Grundsätzlich befürworten wir Grüne ein dezentrales Wohnen von Geflüchteten in Wohnungen, nicht in Massenunterkünften ohne Privatsphäre. In den Tempelhofer Hangars ist die Situation unerträglich. Diese Hallen eignen sich vielleicht für den Dreh von Hollywood-Filmen, nicht jedoch als Wohnort für Menschen. Die Heizungen fallen aus, das Licht geht nur für alle an oder aus, es bleiben pro Person zum Teil nur 2 Quadratmeter, es gibt nicht genügend Duschen, selten Fahrten zu Duschen und die Dixieklos, die als reguläre Toiletten dienen, stehen bei Minusgraden in der Kälte. Die hygienischen Zustände sind also menschenunwürdig und zudem die Gesundheitsversorgung katastrophal. Hier ist dringend Besserung geboten. Statt dieser Situation mit Drohgebärden zu begegnen, besteht hier eiliger Handlungsbedarf!
Insgesamt ist der Senat mit der Unterbringung von Geflüchteten komplett überfordert. Tempelhof ist nur deshalb in der Debatte, weil der Senat bislang an anderer Stelle versagt hat. Nicht nur wurden sämtliche Behörden personell ausgemagert, auch viele landeseigene Gebäude und Flächen wurden verscherbelt. Anstatt nun anzufangen, planvoll zu agieren, wollte der Berliner Senat im Eiltempo eine Änderung des Tempelhofer-Gesetzes im Parlament durchsetzen. Wir Grüne finden, dass der Senat schlecht beraten wäre, seinen ehemaligen Masterplan nun durch die Hintertür umzusetzen. Temporäre Unterbringungsmöglichkeiten entlang des Tempelhofer Damms und auf dem Vorfeld sind aus unserer Sicht auch ohne Änderung des Gesetzes möglich. Die von Rot-Schwarz geforderte Änderung des Volksgesetzes darf jedoch unserer Ansicht nach nur im absoluten Ausnahmefall passieren. So oder so ist das derzeitige Vorgehen kein sonderlich respektvoller Umgang mit direkter Demokratie. Eine solche Änderung keine zwei Jahre nachdem sich die Berliner*innen die „Tempelhofer Freiheit“ gegen den Senat erkämpft haben, schafft weder Vertrauen noch Akzeptanz. Sogar Einzelne aus den Regierungsfraktionen im Abgeordnetenhaus versagen der Koalition für dieses planlose Vorgehen ihre Unterstützung.
Statt sich auf das Tempelhofer Feld zu versteifen, sollte der Senat also endlich alle leerstehenden Gebäude überprüfen, beispielsweise das ehemalige Innenministerium. Dabei dürfen sich die Zuständigen nicht von parteipolitischen Motiven und „Sorgen“ leiten lassen, sondern eine gerechte und vor allem menschenwürdige Unterbringung sicherstellen. Insbesondere auch das Hin- und Herschieben von Verantwortung muss ein Ende haben.
Ich hoffe, Ihnen weitergeholfen zu haben.
Mit freundlichen Grüßen
Renate Künast