Frage an Renate Hendricks von Florian L. bezüglich Öffentliche Finanzen, Steuern und Abgaben
Hallo Frau Hendricks,
vor wenigen Tagen habe ich in meinem Briefkasten Ihre Wahlwerbung gefunden.
Nur gut, daß ich Werbung per eindeutigem Aufkleber auf dem Briefkaste ablehne... aber dies wäre wohl eine Debatte um das goldene Kalb und ich möchte keinen Schmuh in Richtung "Bürger/Wähler Information vor der Wahl ist keine Werbung" lesen müssen.
Ich frage mich nun allerdings was mir der Inhalt Ihrer Zustellung sagen soll?
Folgende Deutung habe ich für mich daraus erlesen: Du Einheimischer assimiliere Dich, so dass Du in dem Volk der zugereisten Türken aufgehst".
Wie ich dazu komme? Hm... ein Flugblatt komplett auf Türkisch in einem Briefkasten mit unzweideutig einheimischen Namen... was soll ich davon halten?
Aber mal was anderes... wäre es nicht günstig, die Freibeträge für Eltern zu erhöhen und stattdessen das Elterngeld zu senken oder gar abzuschaffen?
Würde somit nicht ein kinderreicher Haushalt mit arbeitendenen Eltern gestärkt?
Wird die SPD eigentlich an den 400 € Jobs festhalten?
Sollten diese Stellen nicht erheblich eingedämmt werden?
Wie stehen Sie zur Personalvermittlung/Zeitarbeit?
Wissen Sie, dass es auf dem Brüser Berg Firmen gibt die sich zu 75 % mit solchen Kräften am laufen halten und das seit 4 - 5 Jahren? Es soll dort auch Arbeitskräfte geben die seit 4 - 5 JAhren nicht fest eingestellt werden. Gleiches gilt für eine "soziale Bank" auf der Ministeriumsmeile und einigen größeren Firmen in Richtung Bonner Innenstadt.
Sehen Sie die Zeitarbeit eigentlich als NAchteil für den Wirtschaftsfaktor?
Viele Grüße...
Sehr geehrter Herr Lessel,
zunächst ist es mir ein Anliegen, mich für das versehentlich eingeworfene Anschreiben zu entschuldigen. Ich denke, Sie haben Verständnis dafür, dass mir dies bei weit mehr als 3.000 Hausbesuchen irrtümlich passieren kann.
In der Vergangenheit ist Familienförderung fast ausschließlich fiskalisch über Kindergeld und Steuerfreibeträge geschehen. Statt in gute Bildungs- und Betreuungsangebote zu investieren, wird Geld unmittelbar an die Eltern ausgezahlt. Die OECD hat diese Form der Familienförderung als problematisch thematisiert.
Wir müssen heute erkennen, dass dieses System, vor allem in Bezug auf die Bildung, Gewinner und Verlierer geschaffen hat. Nicht alle Kinder erhalten zuhause die erforderliche Unterstützung. Deshalb empfiehlt die OECD auch, die Bildungseinrichtungen stärker zu finanzieren, damit alle Kinder von guter Bildung profitieren können. Deutschland gibt im Vergleich mit anderen Ländern immer noch deutlich weniger Geld für Bildung aus. Deshalb hat die SPD in ihrem Programm auch festgelegt, dass deutlich mehr Geld in die Bildung investiert werden muss.
Bildung beginnt aus meiner Sicht sehr früh. Insbesondere Kinder aus benachteiligten Familien werden in guten Bildungseinrichtungen gefördert. Deshalb lehne ich eine Betreuungsgebühr - wie CDU und CSU sie fordern - kategorisch ab. Diese Gebühr setzt die falschen Anreize für Eltern. Insbesondere bei denen aus einkommensschwachen Hintergründen. Die Herausforderungen der nächsten Jahre sind: die enge Kopplung von Herkunft und Bildung in Deutschland aufzulösen und ein ausreichend finanziertes Bildungssystem zu schaffen, dass allen jungen Menschen Chancen bietet, ihre Potentiale zu entfalten. Das heißt aber auch, dass Bildung kostenfrei ist und in einer guten Qualität vorgehalten wird.
Die von Ihnen aufgeworfenen Fragestellungen zur Zeitarbeit und Personalvermittlung sind Kernfragen auf dem heutigen Arbeitsmarkt. Eine gute Ausbildung, ein erfolgreiches Studium sind heute keine Garantie mehr für eine gesicherte berufliche Perspektive. Die Generation Praktikum wird über Zeitverträge, Mini-Jobs oder andauernde Praktika in oftmals jahrelange Warteschleifen ohne klare Perspektive geschickt. So geht die Sicherheit in unserer Gesellschaft verloren. Unsichere Arbeitsverhältnisse, dies betrifft oft auch Menschen mit qualifiziertem Bildungsabschluss, zunehmender Missbrauch von Zeit- und Leiharbeit sowie eine Lohnspirale nach unten prägen zunehmend den Arbeitsmarkt. Das Normalarbeitsverhältnis droht zur Ausnahme zu werden.
Die SPD möchte daher "Gute Arbeit" für alle Menschen. Von guter Arbeit müssen die Menschen leben können. Wir wollen prekäre Beschäftigung in jeder Form überwinden. Deshalb setzen wir uns für einen flächendeckenden, gesetzlichen Mindestlohn ein. Wer Vollzeit arbeiten geht, muss von seinem Lohn auch anständig leben können. Es verletzt die eigene Menschenwürde, wenn man zusätzlich zur vollen Erwerbstätigkeit Hartz-IV-Aufstocker werden muss.
Wer Mindestlöhne verweigert und weiter auf Niedriglöhne setzt, macht Menschen dauerhaft abhängig von staatlicher Hilfe - im Erwerbsleben und im Alter, weil keine ausreichenden Rentenansprüche aufwachsen können. Dies schädigt zudem unsere gesamten Sozialsysteme. Deshalb gilt, wer voll arbeitet, muss von seiner Arbeit auch leben können.
Wir werden Leiharbeitsverhältnisse rechtlich besser absichern. Neben einer Lohnuntergrenze gehört dazu auch die Stärkung des Prinzips "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit." Nach einer angemessenen Einarbeitungszeit soll für die Arbeit in demselben Unternehmen der Grundsatz "equal pay" uneingeschränkt gelten. Beschäftigte müssen durch die Wiedereinführung des Synchronisationsverbots (Beschäftigung, die auf einen konkreten Auftrag beschränkt ist) vor moderner Tagelöhnerarbeit geschützt werden.
Die Zeiten, in denen immer mehr junge Menschen sich mit teils unbezahlten Praktika, Minijobs, mit Leih- und Zeitarbeit oder ständig befristeten Verträgen von einer prekären Beschäftigung zur nächsten hangeln, muss ein Ende haben. Aber auch ältere Menschen mit ihren vielfältigen Kenntnissen sind für die Wirtschaft wichtig und gehören nicht aufs Abstellgleis gestellt. Dies ist im Wahlprogramm der SPD sehr deutlich formuliert.
Mit freundlichen Grüßen
Renate Hendricks