Frage an Renate Harant von Peter P. bezüglich Familie
Sehr geehrte Frau Harant,
Ihre Partei wirbt derzeitig mit familienfreundlicher und sozial gerechter Politik. Auch wird regelmäßig die Wichtigkeit einer guten Bildung betont.
Diese Versprechungen konnten wir bereits bei der letzten Kommunalwahl hören. Doch wie paßt das alles zu den Beschlüssen, die Ihre Partei in der jetzt ablaufenden Legislaturperiode getroffen hat?
Als ein Beispiel möchte ich das von der SPD eingeführte Kitakostenbeteiligungsgesetz bemühen. Es sorgt dafür, dass die Eltern von Kindergartenkindern mit steigendem Einkommen auch höhere Betreuungskosten zu zahlen haben. Vergleicht man zwei Familien, die mit ihren Bruttoeinkommen am unteren und am oberen Ende der Einkommenstabelle liegen stellt man fest, dass die eine Familie bei knapp dreifachen monatlichen Nettoeinkommen knapp den zehnfachen Satz an Betreuungskosten zu zahlen hat. Die meisten Eltern, die sich am oberen Ende der Einkommenstabelle befinden sind Akademiker, die sich für Ihre Ausbildung verschuldet haben und diese Schulden nun zurückzahlen müssen. Sie zahlen gleichzeitig ein vielfaches an Steuern und Sozialabgaben. Ihr Beruf bedingt oftmals höhere Ausgaben, z.B. für repräsentative Bürobekleidung. Sie übernehmen nicht selten sehr viel Verantwortung und arbeiten häufig deutlich länger als tarifliche Wochenarbeitszeit. Kurz: Sie verdienen sich ihr Mehr an Einkommen.
Wo bleibt da die von Ihnen propagierte Gerechtigkeit, wenn diese Eltern nun auch noch unverhältnismäßig höhere Kitakosten zu zahlen haben?
Die bisherigen PISA-Tests haben gezeigt, dass die Kinder von Akademikern im Durchschnitt deutlich höhere Bildungsabschlüsse erreichen (sicherlich eher eine Frage der Einstellung der Eltern denn eine Frage des Geldes). Angeblich soll Deutschland im internationalen Wettbewerb nur noch als Bildungsstandort bestehen können. Aber wie, wenn man den Garanten für gebildeten Nachwuchs über Abgaben die Möglichkeit verwehrt, Kinder großzuziehen?
Mit freundlichen Grüßen,
Peter Petereit
Sehr geehrter Herr Petereit,
als vor vier Jahren eine Erhöhung der Kitagebühren um 6 % beschlossen wurde (nachdem die Beiträge mehrere Jahre unverändert geblieben waren), kam es zur Einführung einer neuen Gebührentabelle, die 40 Einkommenskategorien unterscheidet und die mittleren und höheren Einkommen deutlich stärker belastet, während sich bei den Empfängern von Transferleistungen und niedrigen Einkommen die Beiträge nicht verändern.
Ich hatte mich damals in meiner Fraktion gegen diese Lösung gewandt, weil ich - ähnlich wie Sie - das Verhältnis zwischen
Einkommenshöhe und Gebührenhöhe unangemessen und ungerecht fand. Wer das Doppelte verdient, muss drei- bis viermal mehr für die Kita bezahlen.
Leider konnte ich mich damals, auch gegen unseren Koalitionspartner PDS, nicht durchsetzen.
Umso wichtiger war mir seitdem das Ziel, die Kindergartengebühren ganz abzuschaffen. Nach zähem Ringen ist nun der Einstieg gelungen: ab Januar 2007 ist das letzte Kitajahr beitragsfrei, auf das zweite und dritte Kitajahr soll die Regelung im Laufe der nächsten Legislaturperiode ausgedehnt werden.
Für mich sind damit zwei gleichermaßen wichtige Ziele erreicht: zum einen wird der Kindergarten als Bildungseinrichtung anerkannt und wie die Schule und die Hochschulen kostenfrei zugänglich. Das schafft mehr Chancengleichheit.
Zum anderen werden dadurch alle Familien finanziell entlastet. Wer Kinder hat (ich habe drei und mittlerweile 2 Enkel), weiß, dass dies längst überfällig und gesamtgesellschaftlich gerecht ist.
Es würde mich sehr freuen, wenn diese Maßnahme dazu beitrüge, dass in Akademikerfamilien (um die ging es Ihnen ja) , aber nicht nur dort, wieder mehr Kinder aufwachsen.
Mit freundlichen Grüßen
Renate Harant