Frage an Reinhold Reck von Norbert N. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Dr.Reck,
Wie soll sich die Bundesregierung gegenüber den Regierungen Russlands, Polens, Ungarns und der Türkei verhalten aufgrund der politischen Situation dort, insbesondere im Hinblick auf EU- und NATO-Mitgliedschaft?
Sehr geehrter Herr N.,
es ist gewiss für keine Bundesregierung einfach, sich zu Russland, Polen, Ungarn und Türkei auf verantwortliche Weise zu verhalten. Es sind ja nicht nur die jeweiligen Regierungen zu sehen, sondern auch die Teile der Bevölkerung, die in Opposition zur Regierung stehen, oder diejenigen, die im Ausland, auch in Deutschland leben. Und umgekehrt darf man die deutschen Staatsangehörigen nicht übersehen, die vorübergehend oder dauerhaft in diesen Staaten leben. Hinzu kommen die vertraglichen Bindungen innerhalb von EU und NATO, die Sie ja ebenfalls erwähnen.
Ich bin überzeugt, dass eine langfristig tragfähige und verlässliche Außenpolitik in erster Linie wertegeleitet sein muss und nicht interessengeleitet. Nicht von Wirtschafts- und Handelsinteressen, auch nicht von machtpolitische und geostrategische Interessen. Wertegeleitete Außenpolitik muss sich über eben diese Werte, von denen sie sich leiten lassen will, Klarheit verschaffen. Soll die Stärke des Rechtes gelten oder das Recht des Stärkeren? Dürfen Menschenrechtsfragen neben Exportförderung und Rohstoffsicherung in ein Schattendasein gedrängt werden? Darf die Forderung nach Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in den Hintergrund treten, wenn es darum geht, uns in Europa Flüchtlinge aus Asien und Afrika möglichst vom Leib zu halten? Kann die im Grundgesetz festgeschriebene Friedenspflicht des deutschen Staates übersehen werden, wenn der US-Präsident massive Aufrüstung von Deutschland fordert?
Ich meine, eine wertegeleitete Außenpolitik kann und darf das alles nicht. Sie muss ihre Werte allerdings gegenüber allen Staaten in gleicher Weise vertreten. Man kann nicht Menschenrechtsverletzungen Russlands oder der Türkei (oder auch Chinas) anprangern, solche der USA aber totschweigen. Man kann nicht die russischen Militärinterventionen der vergangenen Jahre und Jahrzehnte verurteilen, die viel häufigeren US-amerikanischen aber gutheißen. Man kann nicht völlig undemokratische Regime wie z.B. in Saudi Arabien unterstützen, weil sie uns willfährig sind, und andere wie den Irak Saddam Husseins oder das Libyen Ghaddafis zerstören. Derartige Außenpolitik ist unglaubwürdig.
Was Russland und die Türkei angeht, wurden sicher von seiten Deutschlands und der EU viele Fehler gemacht - die aber natürlich nicht die zunehmende Entdemokratisierung, die Verletzung der Menschenrechte, die Schleifung des Rechtsstaates dort rechtfertigen. Hier muss dem menschen- und völkerrechtswidrigen Verhalten der Verantwortlichen sowohl mit großer Klarheit wie auch mit Weisheit und Augenmaß entgegengetreten werden.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr
Reinhold Reck