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Reinhold Reck
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Frage von Daniel F. •

Frage an Reinhold Reck von Daniel F. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Volksentscheide wurden vor einiger Zeit abgeschafft (wenn auch später im Landesrecht wieder aufgenommen), um sich in Verbindung anderer Mittel gegen eine erneute Diktatur zu schützen. Auch nannten Sie Beispiele wie die Entwicklung der Türkei und Großbritannien, die deutlich die negativen Auswirkungen solcher Möglichkeiten hervorheben.
Welche Reglementierungen bräuchte es, damit solche Gefahren nicht bestehen? Kann diese Gefahr überhaupt ausgemerzt werden?

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Antwort von
ÖDP

Sehr geehrter Herr F.,

ich unterscheide zwischen populistischen Plebisziten, die von den Herrschenden nach ihrem Gutdünken genutzt werden - dazu zählen die genannten Beispiele, aber auch die Volksabstimmungen während der Nazizeit - und guten direktdemokratischen Verfahren, wie sie z.B. in der Schweiz seit über 150 Jahren auch auf Bundesebene regelmäßig praktiziert werden. Die Kernpunkte guter Verfahren sind:

1. Die Initiative für eine Volksentscheidung geht immer vom Volk aus oder sie ist in bestimmten Fragen durch die Verfassung vorgeschrieben (z.B. bei der Abtretung von Souveränitätsrechten an die EU). Sie kann jedenfalls nicht von der Regierung oder vom Parlament nach Gutdünken angesetzt werden.
2. Es gibt sowohl ein Recht zur Gesetzesinitiative als auch ein Recht, vom Parlament verabschiedete Gesetze innerhalb einer bestimmten Frist dem Volk zur Entscheidung vorzulegen.
3. Es werden mehrstufige Verfahren in festgelegten Zeitschienen durchlaufen, um ausreichend Zeit für Diskussion und demokratische Willensbildung zu haben und Entscheidungen nicht durch aktuelle tagespolitische Ereignisse bestimmt werden.
4. Alle Stimmberechtigten erhalten Abstimmungsbroschüren, in denen die Abstimmungsfragen und das Pro und Contra jeweils gut verständlich dargestellt sind.
5. Die Hürden für Volksbegehren sind so niedrig, dass es in der Praxis immer wieder zu Abstimmungen kommt, die Abstimmung also zum Normalfall der Demokratie wird und nicht zum außergewöhnlichen Sonderfall.

Wenn man sich übrigens die Geschichte der Weimarer Republik genauer ansieht, dann wird klar, dass die Erosion der Demokratie nicht durch die Volksabstimmungen kam (es kamen damals eh nur zwei zustande), sondern durch die problematische Konstruktion der Rolle des Reichspräsidenten im Verhältnis zu Reichskanzler und Reichstag. Dieses Problem hat das Grundgesetz durch die Einführung des konstruktiven Misstrauensvotums äußerst elegant gelöst. Meines Erachtens gefährden gute direktdemokratische Verfahren (als Ergänzung und Korrektiv der repräsentativen Organe) die Demokratie nicht, sondern im Gegenteil: sie stärken die Teilhabe und das Verantwortungsbewusstsein der Bürgerinnen und Bürger.

Mit freundlichen Grüßen
Ihr
Reinhold Reck