Frage an Reinhold Hocke von Tilmann M. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrte/r Kandidat/in,
ich bitte Sie freundlichst um die Beantwortung der folgenden Fragen. Die Sachverhalte wirken zwar primär eher speziell, bei näherem Hinsehen sollten Sie jedoch feststellen das die Thematik starke Brisanz besitzt. Denn: 1,2 Millionen professionell Pflegende sowie ca. 5 Millionen zu pflegende Menschen und deren Angehörige möchten wissen, welche Partei für sie wählbar ist!
Vielen Dank für Ihre Antworten vor Mitte September,
mit freundlichen Grüßen,
T. Müller-Wolff
• Wie sieht das Programm Ihrer Partei zum Umbau des
Gesundheitswesens aus?
• Welche Vorstellungen hat Ihre Partei zur Prävention
und Gesundheitsförderung entwickelt und in welcher
Rolle sehen Sie die professionelle Pflege?
• Wie stellt sich Ihre Partei die Steuerungs- und Lotsenfunktion
professioneller Pflege vor?
• Wie kann Ihrer Meinung nach rechtzeitige pflegerische
Intervention erhebliche Kosten im Gesundheitswesen
einsparen?
• Wie will Ihre Partei die Personalsituation von Pflegenden
und Mitarbeitern im Gesundheitswesen verbessern?
• Bestehen in Ihrer Partei konkrete Überlegungen, dieses
Wachstumspotential gezielt zu nutzen und Fördermittel
in den Arbeitsmarkt Pflege umzuleiten?
• Welche Möglichkeiten sieht Ihre Partei, dass sich die
Personalbemessungen in allen Handlungsfeldern der
Pflege zukünftig am realen Pflegebedarf der zu versorgenden
Klienten orientiert?
Wie steht Ihre Partei zum Erhalt
der Fachkraftquote von 50
Prozent und wie wollen Sie die Versorgungsmängel
beheben?
• Welche Pläne hat Ihre Partei zur weiteren Finanzierung
der Pflegeversicherung?
• Wie steht Ihre Partei zu einer möglichen Erweiterung
der Begutachtungskriterien zur Einstufung der Pflegebedürftigkeit
um psychosoziale Hilfebedarfe?
• Welche Steuerungsmöglichkeiten sieht Ihre Partei, um
den sinnvollen Grundsatz „Ambulant vor Stationär“
konkret zu fördern?
• Wie steht Ihre Partei zur Hospizarbeit und zu Fragen
der finanziellen Absicherung?
• Sieht Ihre Partei Chancen, die Regelung der Arbeitsplatzsicherung
in der Zeit der Begleitung sterbender
Angehöriger auch in Deutschland einzuführen?
• Wie steht Ihre Partei zur strukturellen Zusammenführung
der Pflegeausbildungen?
• Wie planen Sie die Evaluationsergebnisse von Modellprojekten
der Ausbildung in die gesetzliche Berufszulassung
umzusetzen?
• Wie steht Ihre Partei zur Verlagerung der bisherigen
Pflegeausbildung an Hochschulen, wie dies in den
meisten europäischen Ländern bereits heute üblich
ist?
• Mit welchen Maßnahmen will Ihre
Partei dem absehbaren
Pflegepersonalnotstand und der Unterversorgung der
Pflegebedürftigen in Deutschland entgegenwirken?
• Welche Anforderungen stellt Ihre Partei an professionelle
Pflege und wie soll diese finanziell durch Fort und
Weiterbildungen sichergestellt werden?
• Mit welchen Maßnahmen will Ihre Partei Hochschulen
und Praxisfelder der Pflegeforschung fördern und die
Umsetzung in die Pflegepraxis unterstützen?
• Werden Sie einen Ausbau der Forschungskapazitäten
für Pflege an Universitäten fördern?
• Welche Möglichkeiten sehen Sie, diese Ansätze zu unterstützen
und wie fördert Ihre Partei die Schaffung
der Rahmenbedingungen für die professionelle Umsetzung
in die Pflegepraxis?
• Wird Ihre Partei weiterhin unqualifizierte und unkontrollierte
Pflege zulassen?
• Wie steht Ihre Partei zu der gesetzlichen Registrierung
und Lizenzierung von Pflegenden?
• Wird Ihre Partei die Errichtung von Pflegekammern in
Deutschland unterstützen?
• Könnten Sie sich vorstellen, eine/einen Bundesbeauftragten
für alle Pflegeberufe zu etablieren?
Sehr geehrter Herr Müller-Wolff,
herzlichen Dank für Ihre Fragen. Sie geben mir Gelegenheit, das Wahlprogramm der FDP zur Sozialen Sicherheit vorzustellen. Unsere deutschen sozialen Sicherungssysteme sind für alle erkennbar nicht mehr leistungsfähig. Aus diesem Grunde und zur Senkung der viel zu hohen Lohnzusatzkosten, die sich im internationalen Wettbewerb wie eine gigantische Sondersteuer auf Arbeitsplätze auswirken, wollen wir die grundlegende, verlässliche Neuordnung der sozialen Sicherungssysteme. Halbherzige Reparaturen, die den Beitragsanstieg nur verzögern, langfristig aber nicht verhindern, lehnen wir ab. Die Bürger müssen sich auf die Veränderungen einstellen und durch private Vorsorge Versorgungslücken schließen können. Für die Absicherung des Krankheitsrisikos schlägt die FDP einen Systemwechsel vor: den privaten Krankenversicherungsschutz mit sozialer Absicherung für alle.
Jeder Bürger ist verpflichtet, einen Mindestumfang an Leistungen, die so genannten Regelleistungen, für den Krankheitsfall abzusichern. Der Verpflichtung sich zu versichern, kann er dabei bei einem Versicherer seiner Wahl nachkommen. Er ist frei darin, seinen Versicherungsschutz so zu gestalten, wie es seinen Bedürfnissen entspricht, also z. B. mit einem hohen oder niedrigen Selbstbehalt, mit unterschiedlichen Selbstbeteiligungen, mit einem sehr unfangreichen Leistungskatalog, mit einer vollständig freien Arztwahl oder der Akzeptanz bestimmter Einschränkungen. Jeder Bürger hat bei Geburt und beim Versicherungswechsel einen Anspruch darauf, im Umfang der Regelleistungen unabhängig von seinem Gesundheitszustand ohne Risikozuschläge versichert zu werden. Um allen einen bezahlbaren Versicherungsschutz zu gewährleisten, muss jedes Krankenversicherungsunternehmen einen Pauschaltarif mit Kontrahierungszwang anbieten, der weder nach Alter, Geschlecht, Risiko oder sonstigen Kriterien differenziert. Der soziale Ausgleich erfolgt nicht mehr wie bisher unkoordiniert und mit teilweise ungerechten Auswirkungen in der Gesetzlichen Krankenversicherung, sondern über das an den einheitlichen Kriterien der Leistungsfähigkeit und Bedürftigkeit ausgerichtete Steuer- und Transfersystem. Ein entsprechender Pauschalbetrag als Bestandteil des liberalen Bürgergeldes sorgt dafür, dass auch Bürger, die nur über geringe oder gar keine finanziellen Mittel verfügen, eine Krankenversicherung abschließen können. Auch die Pauschalen für Kinder sowie die Kosten im Zusammenhang mit Schwangerschaft und Mutterschaft werden durch die Steuerzahler finanziert.
Wir setzen damit auf ein freiheitliches, privates Versicherungsmodell, das auf den Prinzipien des Wettbewerbs unter Anbietern von Gesundheitsleistungen und Versicherungen und der sozialen Verantwortung beruht. Funktionsfähiger Wettbewerb entsteht durch Wahlfreiheit der Patienten, privatrechtliche Organisation der gesetzlichen Krankenkassen, durch Tariffreiheit und flexible Vertragsstrukturen. Nachhaltigkeit entsteht durch den Aufbau von Altersrückstellungen, die bei einem Wechsel des Versicherers nicht verloren gehen dürfen. Nur so ist der freie Kassenwechsel möglich. Für die FDP gilt: Wahlfreiheit statt Zwangsversicherung, soziale Marktwirtschaft statt bürokratische Staatswirtschaft, Eigenverantwortung statt Bevormundung. Für die soziale Pflegeversicherung fordern wir ebenfalls den Systemwechsel mit einem gleitenden Übergang in ein nachhaltiges und generationengerechtes Pflegeversicherungssystem. Auch in der Pflege gilt für die FDP: Weg von der Zwangsversicherung, hin zu einer Pflicht zur Versicherung. Jeder Bürger muss, bei freier Wahl von Versicherung und Tarif, ein vorgegebenes Leistungsniveau absichern. Zusätzlich soll jeder motiviert werden, seinen Versicherungsschutz je nach Präferenz auszuweiten. Ein Versicherungswechsel muss möglich sein.
Der FDP-Vorschlag eines gleitenden Übergangs in ein kapitalgedecktes Pflegeversicherungssystem ist verbunden mit dem Aufbau von Altersrückstellungen. So können die Kosten aufgefangen werden, die auf eine alternde Gesellschaft zukommen. Gleichzeitig wird, anders als beim Umlageverfahren, vermieden, dass diese Kosten auf nachfolgende Generationen verschoben werden. In einem kapitalgedeckten Pflegeversicherungssystem besteht auch kein Zusammenhang mehr zwischen der Höhe des Erwerbseinkommens und dem individuellen Versicherungsbeitrag. Diese Abkehr von der lohngebundenen Finanzierung der Pflegeversicherung ermöglicht es, den Teufelskreis von hoher Arbeitslosigkeit und steigenden Beiträgen bzw. Rekorddefiziten – im Jahr 2004 bereits in Höhe von 823 Millionen Euro – endlich zu verlassen. Der soziale Ausgleich soll aus dem Versicherungssystem dahin verlagert werden, wo er treffsicherer ist: ins Steuer- und Transfersystem. Der Beitrag für den gesetzlich verpflichtenden Versicherungsumfang ist im Bürgergeld-Modell der FDP als Pauschale enthalten. Im Rahmen einer grundlegenden Reform wollen wir eine Dynamisierung der Leistungen, das bedeutet eine Anpassung an die allgemeine Preisniveau- und Kostenentwicklung im Pflegebereich, eine stärkere Berücksichtigung des besonderen pflegerischen Bedarfes Demenzkranker sowie eine Stärkung der Pflege im häuslichen Umfeld. Nur durch eine Dynamisierung der Leistungen wird der Umfang der zusätzlichen individuellen Vorsorge abschätzbar – die soziale Pflegeversicherung ist und bleibt eine Teilkaskoversicherung. Eine Ausweitung von Leistungen ist allerdings nur möglich, wenn gleichzeitig die Finanzierung geklärt ist. Wir schlagen vor, dem Pflegebedürftigen und seinen Angehörigen mehr Freiheit in der Auswahl der Pflegeleistungen zu ermöglichen. So kann dem individuellen pflegerischen Bedarf stärker Rechnung getragen werden. Die FDP fordert ebenfalls einen Bürokratieabbau in der Pflege. Ziel aller hier zu ergreifenden Maßnahmen muss es sein, den Pflegenden mehr Zeit für die Pflege und soziale Betreuung des Pflegebedürftigen zu geben und mehr Transparenz über die Qualität der Pflegeleistungen zu gewährleisten. Sehen Sie mir bitte nach, dass ich aus Zeitgründen nicht auf jede Einzelfrage eingehen kann. Ich danke Ihnen für Ihr Interesse an der Sicht der FDP.
Mit freundlichen Grüßen
Reinhold Hocke