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Frage von renate m. •

Frage an Reinhard Schmitz von renate m. bezüglich Soziale Sicherung

hallo hr. schmitz,

warum bestehen die piraten auf ein bedinungsloses grundeinkommen und was wollen sie damit erreichen?

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Antwort von
PIRATEN

Sehr geehrte Frau Mahnken,

Vielen Dank für Ihre Frage. Bitte gestatten Sie mir, meine Antwort mit einer kurzen Klarstellung einzuleiten. Wir PIRATEN bestehen keineswegs auf der Einführung eines Bedingungslosen Grundeinkommens (BGE). Dies würde nämlich bedeuten, dass wir überzeugt sind, die Wahrheit gepachtet zu haben und im Alleinbesitz tiefer Weisheiten zu sein, die die Menschen gefälligst zu begreifen haben. Diese Form von - bedauerlicherweise üblichem - Politikverständnis aber ist nicht das Selbstverständnis der PIRATEN. Wir verstehen uns vielmehr als eine Gruppe von Menschen, die Ideen und mögliche Lösungen für Probleme erarbeitet und als Gedanken und Anregungen in die Gesellschaft unserer Mitmenschen trägt. Das BGE ist eine dieser Ideen, die wir in die gesellschaftliche Diskussion einbringen.
Was wollen wir mit einem BGE erreichen? Kurz gesagt: Ein bedingungsloses Grundeinkommen bekommen alle, unabhängig von „Bedürftigkeit“ oder anderen Kriterien - es ist eben „bedingungslos“. Damit ist es logischerweise ausgeschlossen, dass jemand wegen des Bezugs dieses Grundeinkommens ausgegrenzt, diskriminiert oder gar stigmatisiert wird. Für uns PIRATEN ist dies ein wichtiger Schritt weg von der vorherrschenden Ego-Gesellschaft - mit diesem Begriff zitiere ich frei den langjährigen Herausgeber der konservativen FAZ, Frank Schirrmacher - hin zu einer Konsens-Gesellschaft, in der „Miteinander“ nicht nur auf Wahlplakaten steht, sondern gelebt wird.
Die Notwendigkeit einer solchen Entwicklung wird übrigens vielleicht nirgendwo so deutlich wie in Bremen. So beziehen aktuell gut 17% aller Menschen in Bremen „Transferleistungen“ nach SGB II („Hartz IV“) bzw. SGB XII. Letzteres ist unter anderem zuständig für die Grundsicherung im Alter und somit so eine Art „Hartz IV für Rentner“ (und andere Menschen, die dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehen). Beiden gemeinsam ist, dass hier ständig die Bedürftigkeit nachgewiesen werden muss. Da sitzt dann auch schon mal eine 85-Jährige auf dem Amtsflur und wartet auf ihren Termin.
Eine weitere Zahl des Grauens: Zur Zeit leben knapp 25% der Menschen in Bremen in Armut oder sind akut von Armut bedroht. Das ist jeder vierte Mensch in Bremen.
Die Tendenz beider genannter Gruppen: wachsend. Und mit dieser Armut geht ein weitgehender Ausschluss vom gesellschaftlichen Leben einher. Dem gilt es Einhalt zu gebieten. Dringend.
Nun wird ja gern so argumentiert, dass man nur genug Arbeitsplätze schaffen muss, und dann kommt alles in Ordnung. Abseits davon, dass diese „Lösung“ den SGB-XII-Empfängern nicht weiterhilft, muss man angesichts der gegenwärtigen Entwicklung in der Arbeitswelt stark bezweifeln, dass dieses Konzept verfängt. In Bremen haben beispielsweise einmal Tausende von Schauerleuten Schiffe entladen. Diese Arbeit erledigen heute ein paar Containerkräne in einem Bruchteil der Zeit mit einem Bruchteil von Personal. Im produzierenden Gewerbe sind die Produktivitätszuwächse durch Automatisierung und Optimierung von Prozessen immens. Zu Deutsch: Es ist ein Zeitpunkt absehbar, wo etwa Automobile nur noch von Maschinen gebaut werden - und diese Maschinen übrigens auch von Maschinen. Das ist kein Science-Fiction-Szenario mehr, das ist Realität. Gehen Sie mal auf die nächste Industrie-Messe Ihrer Wahl.
Mit anderen Worten: Das Konzept, mehr Wohlstand für alle durch mehr Erwerbsarbeit für alle zu schaffen, ist ebenso tot, wie es Konrad Adenauer und Ludwig Erhard sind, zu deren Regierungszeiten dieses Konzept zweifellos funktioniert hat. Mögen alle drei - Adenauer, Erhard, das Konzept - in Frieden ruhen.
Wir benötigen also dringend neue Ideen, wenn wir unsere Gesellschaft in eine positive Richtung weiterentwickeln wollen - und ich denke, das möchten wir alle. Dabei sind uns PIRATEN auch andere Konzepte als ein Bedingungsloses Grundeinkommen willkommen. Immer her damit. Nur bitte nicht die toten Konzepte von gestern zur Lösung der äußerst lebendigen Herausforderungen von heute und morgen.

Ich hoffe, Ihre Frage damit zumindest in Ansätzen beantwortet zu haben. Sollten Sie weitere Fragen zu diesem oder einem anderen Thema haben, stehe ich Ihnen selbstverständlich jederzeit gern zur Verfügung.

Mit den besten Grüßen,
Reinhard Schmitz