Frage an Reinhard Loske von Carolin S. bezüglich Energie
Sehr geehrter Herr Loske,
als Abiturientin, sie sich auf ihre Wirtschaftsprüfung vorbereitet, interessiere ich mich für die deutsche Atompolitik. In letzter Zeit habe ich divergierende Aussagen zum Thema deutscher Export und Import von Atomstrom gelesen.
Auf der einen Seite wird behauptet, dass Deutschland seit dem Moratorium Atomstrom aus Frankreich importieren muss, auf der anderen Seite wird gesagt, dass Deutschland schon seit langer Zeit Atomstrom importiert.
Meine Fragen sind nun: Stimmt es, dass wegen der zur Zeit abgeschalteten Kernkraftwerke zusätzlicher Atomstrom aus dem Ausland benötigt wird, weil die Energieversorgung sonst nicht mehr gewährleistet ist?
Warum importiert Deutschland überhaupt Atomstrom, wenn ebenfalls berichtet wird, dass in Deutschland mehr Atomstrom als nötig produziert wird, der dann wiederum ans Ausland verkauft, also exportiert wird?
Ich bin gespannt auf Ihre Antwort.
Mit freundlichen Grüßen,
Carolin Scheil
Sehr geehrte Frau Scheil,
vielen Dank für Ihre Frage.
Die atomare Katastrophe in Japan hat uns alle geschockt. Viele erkennen nun welches Risiko die Atomenergie birgt und wenden sich ab. Der Ruf nach einer entschiedenen Energiewende wird immer lauter. Das bedeutet für die Politik nicht nur, die Verlängerungen der Laufzeiten der Atomkraftwerke zurückzunehmen sondern
• die sieben ältesten und den Schrottreaktor Krümmel Atomkraftwerke dauerhaft und endgültig stillzulegen;
• für die anderen neun Meiler die strengsten Sicherheitsvorschriften anzuwenden, d.h. das bereits erarbeitete sog. Kerntechnische Regelwerk aus dem Jahr 2009 muss sofort in Kraft gesetzt werden. Alle AKW müssen aber schnellstmöglich, spätestens bis Ende 2017, für immer vom Netz;
• verstärkt in den Ausbau der Erneuerbaren Energien und deren Infrastruktur zu investieren;
• Energieeinsparung und Energieeffizienz endlich als wesentliche Aufgabe der Energiepolitik anzunehmen.
Derzeit sind die sieben ältesten sowie Krümmel als besonders störanfälliges AKW aufgrund des 3-monatigen Moratoriums vom Netz. Damit wird die Menge des in Deutschland erzeugten Stroms erst einmal um maximal 9.800 MW reduziert. Die Warnungen vor drohenden Blackouts oder die Drohszenarien von massiven Atomstromimporten aus den Nachbarländern sind jedoch haltlos. Mit diesen Drohkulissen wollen die Atomkraftwerksbetreiber, die sich mit dem Betrieb alter abgeschriebener AKW eine goldene Nase verdient haben, die Öffentlichkeit und die Politik vom Weiterbetrieb der AKW in Deutschland überzeugen.
Dieses wirtschaftliche Interesse ist meines Erachtens aber leicht zu durchschauen. Denn Deutschland verfügt über enorme Kraftwerksreserven. Das Bundeswirtschaftsministerium beziffert diese in seinem „Monitoringbericht Versorgungssicherheit“ auf 13.200 MW. Wenn die Stromimporte jetzt steigen, bedeutet dies lediglich, dass die Energieversorger aufgrund betriebswirtschaftlicher Erwägungen lieber Strom im Ausland kaufen als ihre ruhenden Kraftwerke zu nutzen. In den vergangenen Jahren war Deutschland mit einem Überschuss von bis zu 22 Milliarden Kilowattstunden Strom seit Jahren einer der größten Stromexporteure in Europa.
Der Strommarkt ist seit über zehn Jahren nicht mehr national sondern seit der Liberalisierung europäisch. Das entbindet uns jedoch nicht von der Verantwortung, unseren Teil für eine saubere und risikoarme Energieversorgung beizutragen. Die internationale Vorbildfunktion einer Energiewende in der Exportnation Deutschland wäre gewaltig.
Weitere Informationen finden Sie auch in einer Kurzanalyse des Ökoinstituts: http://www.oeko.de/oekodoc/1064/2010-110-de.pdf
Mit freundlichem Gruß
Reinhard Loske