Frage an Reinhard Grindel von Thomas H. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Grindel,
vielen Dank für Ihre heutige Antwort. Ihre Ausführungen klingen in der Theorie sehr gut, beschönigen aber leider die Probleme, die sich aufgrund fehlender Durchführungsverordnungen sowohl für die Polizeibeamten, als auch für den Bürger aus der unklaren Gesetzestext-Formulierung ergeben.
Sie schreiben, dass die Auslegung des Begriffes "allgemein anerkannter Zweck" die Aufgabe der zuständigen Stellen in Polizei und Justiz ist.
Allerdings erhält man von jedem Polizisten eine unterschiedliche Antwort auf konkrete Fragen http://www.copzone.de/phpbbforum/viewforum.php?f=8 und die Aussagen diverser Behörden widersprechen sich ebenfalls gegenseitig http://www.messerforum.net/showthread.php?s=c9893232fbb6194e97633b834f24d313&t=56381
Deshalb ist die vom Gesetzgeber gewollte Ausnahme im Sinne des legalen Führens in der Praxis überhaupt nicht vorhanden! Außer der nicht sehr hilfreichen Aussage, dass die „Selbstverteidigung kein berechtigtes Interesse“ darstellt, konnte mir in den letzten zwei Jahren Niemand verbindlich sagen, für welche Tätigkeiten ich ein Einhandmesser führen darf und für welche nicht! Da das BKA für jeden Feststellungsbescheid mehrere 100 Euro verlangt, hilft mir dieser Hinweis auch nicht weiter.
Warum ist es scheinbar nicht „sozialadäquat“, wenn ich mein einhändig zu öffnendes Taschenmesser in der Hosentasche trage, um es bei Bedarf für diverse Schneidaufgaben zu nutzen? Warum ist es dagegen völlig legal, wenn ein gewaltbereiter Jugendlicher mit einem feststehenden Messer, welches eine 12cm lange Klinge hat, durch die Innenstadt läuft?
Welcher positive Effekt steht dieser Einschränkung des gesetzestreuen Bürgers gegenüber? Welchen Gewinn für die öffentliche Sicherheit sehen Sie dadurch gegeben, dass die „Adressaten des Messertrageverbotes die Nachricht durchaus verstanden haben“, wenn dies lediglich dazu führt, dass sie statt Einhandmessern andere Messer oder Werkzeuge als Waffe missbrauchen?
MfG
Thomas Huber
Sehr geehrter Herr Huber,
gerne beantworte ich die auf Abgeordnetenwatch gestellten Fragen. Jedoch habe ich die von Ihnen nun erneut angeführten „Fragen“ bereits bei Ihrer letzten Anfrage und bei einer Reihe vorheriger Beiträge über Abgeordnetenwatch beantwortet. Ich glaube nicht, dass es einem fruchtbaren Meinungsaustausch über dieses Portal förderlich ist, wenn immer wieder die gleichen „Fragen“ gestellt werden, weil die Antwort einem kleinen Kreis von Fragern nicht „passt“. Da wir mit der konkreten Beantwortung der gestellten Fragen zum Messertrageverbot scheinbar nicht weiterkommen, möchte ich es - ein letztes Mal - mit einer Art kleinem Gleichnis aus einem anderen Bereich der Ordnungswidrigkeiten versuchen.
Viele Polizeieinsätze befassen sich mit Lärmbelästigung. Wie stellt die Polizei eigentlich konkret fest, ob Zimmerlautstärke vorliegt oder nicht. Wie viel Geräusche bei jeweils welcher Tätigkeit sind gesetzlich während der Nachtruhe erlaubt? Warum gibt es für verschiedene (private) Lärmemittenten keine gesetzlich festgelegten Dezibelzahlen und warum hat nicht jeder Streifenwagen ein Messgerät dafür dabei, um das zu kontrollieren? Woher soll der Bürger denn wissen, wie viel Lärm er machen darf, ohne eine Ordnungswidrigkeit zu begehen? Warum kommt jeder Polizist da zu einer anderen Einschätzung? Warum wird häufig ermahnt und verwarnt, manchmal aber ein Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet? Ist es für den Bürger erträglich und zumutbar, dass in seltenen Fällen sogar eine gerichtliche Klärung von Zweifelsfällen nötig ist?
So etwa würde es sich anhören, wenn man Ihre Fragetechnik auf das Thema Ruhestörung übertragen würde - ein Bereich, der von der Polizeiarbeit und von der Einordnung als Ordnungswidrigkeit mit dem Messertrageverbot vergleichbar ist. Und die Antwort wäre ganz klar: der Gesetzgeber kann und muss bei der Ahndung von Ordnungswidrigkeiten den Polizisten vor Ort einen Beurteilungsspielraum lassen, der eine bürgerfreundliche und lebensnahe Bearbeitung dieser Fälle erlaubt. Und ich habe keinen Zweifel, dass die Polizisten in Deutschland in der Lage sind, diesen Spielraum verantwortungsvoll auszufüllen.
Wenn Sie bestimmte Absichten mit dem Tragen des Messers verbinden - Brauchtumspflege, Weinrebschneiden, Einsatz mit dem DLRG - dann sollten Sie diese klar benennen und werden klare Antworten bekommen. Abstrakte Auskünfte sind nicht zielführend. Im Rahmen der Verwaltungsvorschriften für das Waffengesetz wird der Bund seinen Beitrag zu einer einheitlichen Rechtsauslegung leisten. Ansonsten ist dies aber Aufgabe der Ordnungsbehörden. Im übrigen steht im Rahmen von Ordnungswidrigkeitsverfahren der Rechtsweg offen.
Mit freundlichen Grüßen
Reinhard Grindel MdB