Wie ist Ihre Haltung zu einer Impfpflicht?
Sehr geehrter Herr Brandl,
ich bitte Sie gegen eine Impfpflicht, egal in welcher Form zu stimmen.
Als Christin sehe ich es als meine Verpflichtung das Angebot einer Impfung sehr genau abzuwägen. Ich fühle mich für mich und für meine Mitmenschen verantwortlich. Und ich habe genau abgewogen, wie ich mich und andere für mich bestmöglich schützen kann. In letzter Instanz bin ich meinem Gewissen verpflichtet. Ich habe meine Entscheidung getroffen und diese hat mein Gegenüber zu akzeptieren, genauso, wie ich die Entscheidung anderer zu akzeptieren habe. Nach meine Auffassung von Demokratie verhält es sich da genauso.
Zudem hat sich in der letzten Zeit herausgestellt, dass die Impfung weder vor Ansteckung, noch vor Weitergabe des Virus schützt. Und es werden auch in zunehmender Zahl Nebenwirkungen bekannt.
Das wichtigste Argument ist aber, die körperliche Unversehrtheit.
Ich bitte Sie um eine Antwort. Danke.
Mit freundlichen Grüßen
Irmgard H.
Sehr geehrte Frau H.,
Im Kampf gegen die Pandemie halte ich die schnelle Entwicklung wirkungsvoller Impfstoffe für einen der größten Erfolge. Ich selbst habe volles Vertrauen in die Impfung und habe mich auch stets impfen lassen, sobald ich an der Reihe war. Mir sind die Sorgen vieler Menschen angesichts der bestehenden Impfreaktionen und Nebenwirkungen bewusst. Aber wenn man alle Risiken und möglichen Folgen abwägt, war die Impfung in den vergangenen Jahren der weitaus bessere Weg, als ohne Impfung auf gut Glück durch die Pandemiejahre zu gehen.
In diesen Tagen gilt allerdings: Neue Virusvariante - neue Lage. Omikron sorgt für verhältnismäßig milde Krankheitsverläufe. Es sieht derzeit so aus, als käme unser Gesundheitswesen mit der Zahl der Corona-Patienten gut zurecht.
Unabhängig von meiner persönlichen Einstellung zur Impfung habe ich deshalb gegen die Vorschläge einer Impfpflicht gestimmt. Ich halte sie im Augenblick nicht für verhältnismäßig. Wir können die Menschen nicht dazu verpflichten, sich gegen die eigenen Überzeugungen impfen zu lassen, wenn die rot-grün-gelbe Regierung zugleich mildere Maßnahmen wie Maskenpflicht und Zugangsregeln über Bord wirft.
Mein Abstimmungsverhalten vom 07. April 2022 bedeutet jedoch nicht, dass ich eine Impfpflicht unter allen Umständen ablehne. Sollten wir in eine Situation kommen, in der uns ein wirkungsvoller und sicherer Impfstoff vor einem Kollaps des Gesundheitssystems rettet, wäre die Debatte eine ganz andere. Auch die Menschen, die seit Monaten auf wichtige Operationen warten oder im Winter 2021 nur schwer einen Platz in einer Notaufnahme oder Intensivstation ergattern konnten, haben ein Recht auf körperliche Unversehrtheit. Es ist also immer ein Abwägungsprozess zwischen Rechten des Einzelnen und den Rechten der Vielen.
Natürlich wünscht sich niemand eine solch bedrohliche Situation und eine solch schwierige Entscheidung. Für alle Zeit ausschließen können wir sie aber auch nicht. Deshalb sollten wir uns bereits heute vorbereiten. Wir könnten schon jetzt die damit verbundenen rechtlichen, organisatorischen und ethischen Fragen abklären, so dass wir im Falle eines Falles nur noch über ja oder nein abstimmen müssen. Ich möchte nicht erleben, dass wir irgendwann unvorbereitet vor diese Abstimmung gestellt werden und dann der Vorwurf kommt, wir hätten aus den Corona-Jahren nichts gelernt. Leider hat ein entsprechender Entwurf der Union bei der Abstimmung am selben Tag ebenfalls keine Mehrheit gefunden. Wir gehen nun mit wenig Vorbereitung in die Zukunft.
Mit besten Grüßen
Reinhard Brandl