Frage an Reinhard Brandl von Robin B. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Brandl,
Vielen Dank für ihre Ausführungen zu ihrer Erschütterung wegen den Ereignissen vom 11. März in Japan und ihr verlorenes "Grundvertrauen in die Leistungsfähigkeit der modernen Industrie". Mir stellen sich aufgrund dessen die Fragen:
"Warum nehmen sie die Betreiber nicht in Haftpflicht?" und
"Warum haben Sie am 17.3. immer noch GEGEN die unverzügliche Abschaltung aller deutschen AKW gestimmt?", obwohl sie schockiert von den dortigen Katastrophen waren. Die Sanierung wird sich auf Jahre hinziehen. Das Leben von Tausenden in Trümmern. Insbesondere zeigen auch die neueren Überflutungen in den USA, wie moderne Industrien hilflos gegenüber Unwägbarkeiten der Natur sind und den Menschen zusätzlichen Gefahren aussetzen.
Bezüglich Ihrer Zielvorgaben für die Erneuerbaren Energien, frage ich mich welchen Weg sie dorthin gehen wollen, wenn die derzeitigen Gesetzesinitiativen eine Erneuerbare Energiewende verstellen anstatt sie zu ebnen. "Wohin erfolgt der Ausstieg?"
mit freundlichen Grüßen
Robin Baumgartner
Sehr geehrter Herr Baumgartner,
vielen Dank für Ihre Frage vom 30. Juni 2011.
Als Bürger meines Wahlkreises können Sie sich gerne auch direkt an mich wenden, insbesondere wenn Sie konkrete Vorschläge zur Ausgestaltung von Gesetzesvorhaben haben. Ich nehme diese - insbesondere auch im Bereich der Erneuerbaren Energien - regelmäßig auf und bringe Sie in die parlamentarische Beratungen mit ein.
Eine sofortige Abschaltung aller Kernkraftwerke halte ich vor allem mit Blick auf die Versorgungssicherheit für nicht zielführend.
Zu Ihrer Frage bezüglich der Haftung der Betreiber von Kernkraftwerken, kann ich Ihnen folgenden Sachstand mitteilen:
Für Drittschäden, die durch ein nukleares Ereignis verursacht werden, haftet ausschließlich der Inhaber einer Kernanlage gemäß dem Pariser Atomhaftungsübereinkommen in Verbindung mit §§ 25ff. des Atomgesetzes (AtG). Andere Personen als der Inhaber, zum Beispiel Zulieferer, können zum Schadensersatz nicht herangezogen werden (sog. rechtliche Kanalisierung der Haftung auf den Inhaber). Die Haftung setzt ein Verschulden des Inhabers nicht voraus (Gefährdungshaftung). Sie ist summenmäßig unbegrenzt. Soweit Personenschäden durch Arbeitsunfall- oder Berufskrankheitenversicherungen abgedeckt sind, leisten diese Ersatz. Die Träger dieser Versicherungen haben jedoch einen Rückgriffsanspruch gegen den Inhaber des Kernkraftwerks. Der Umfang der Haftung bestimmt sich im Übrigen nach den §§ 27 ff. AtG in Verbindung mit dem Bürgerlichen Gesetzbuch.
Zur Erfüllung etwaiger gesetzlicher Schadensersatzverpflichtungen hat der private Inhaber einer Kernanlage gemäß § 13 AtG Deckungsvorsorge bis zur Höchstgrenze von 2,5 Mrd. Euro zu treffen. Die Deckungsvorsorge kann durch eine Haftpflichtversicherung oder durch eine sonstige finanzielle Sicherheit erbracht werden (§ 14 AtG).
Für die in Deutschland betriebenen Kernkraftwerke, für die jeweils eine Deckungsvorsorge in Höhe von 2,5 Mrd. Euro festgesetzt wurde (vgl. § 9 Abs. 1 der Atomrechtlichen Deckungsvorsorge-Verordnung), wird ein gemischtes Modell praktiziert: Die Deckungsvorsorge wird zunächst bis zu einem Betrag von 255,645 Mio. Euro durch Versicherung erfüllt, darauf aufstockend bis zu dem Betrag von 2,5 Mrd. Euro stellen die Muttergesellschaften der Kernkraftwerksbetreiber die Deckungsvorsorge durch gegenseitige Garantiezusagen sicher. Für Schäden, die über diesen Betrag hinausgehen, haben der Betreiber eines Kernkraftwerkes sowie aufgrund von Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen auch dessen Muttergesellschaft als Folge der unbegrenzten Haftung mit ihrem gesamten sonstigen Vermögen einzustehen. Muttergesellschaften der Kernkraftwerksbetreiber sind die vier großen Energieversorgungsunternehmen (E.ON, RWE, Vattenfall Europe und EnBW).
Mit freundlichen Grüßen
Reinhard Brandl