Frage an Rebecca Harms von Brigitte S. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrte Frau Harms
Meine Fragen:
Wann erhalten die Opfer endlich die Entschädigung und Entschuldigung die ihnen zusteht?
Wann erhalten die Opfer endlich eine Conterganrente nach europäischem Standard (in England gibt es z.B. die dreifache Rente)?
Wann erhalten die Opfer endlich Hilfe bei Umbauten?
Wann erhalten die Opfer endlich den Ausgleich dafür, dass sie nicht oder nur teilweise in die Rentenkasse einzahlen konnten, da sie nicht oder nur wenige Jahre arbeiten konnten?
Wann erhalten die Opfer endlich die Assistenz die sie benötigen?
Und wann beleuchtet die Politik endlich die Hintergründe des Conterganverbrechens?
Wie stehen Sie persönlich dazu das es ein 3. Contergan Änderungsgesetz geben soll ?
Sehr geehrte Frau Speer,
vielen Dank für Ihre Email und Ihre Fragen.
Ich kann Ihre Enttäuschung über die geringe Entschädigungsrente für Contergan-Opfer und Ihren Appell an unsere moralische Verantwortung als Politiker nachvollziehen.
Ich glaube allerdings, dass die Abgeordneten des Europäischen Parlaments nicht die geeigneten Ansprechpartner sind.
Denn als die Verwendung von Contergan 1961 eingestellt wurde, gab es noch gar keine EU-Gesetzgebung zu Pharmazeutika. Tatsächlich war der Contergan-Skandal der Auslöser der ersten EU-Gesetzgebung in 1965 - um sicherzustellen, dass ein Produkt vor der Vermarktung zugelassen wird. Für Contergan-Opfer ist die EU-Gesetzgebung jedoch ohne Relevanz.
Selbst wenn dem nicht so wäre: die Haftung der Pharmakonzerne in der aktuellen Gesetzgebung ist rein national geregelt. Die entsprechende EU-Richtlinie 2001/83 sieht lediglich vor, dass Hersteller für die zugelassenen Medikamente haftbar sind - aber die genauen Haftungsregeln hängen vom nationalen Zivilrecht/Strafrecht ab. Und dies ist kategorisch nicht harmonisiert, d.h., die EU-Ebene muss sich hier raushalten. Es gibt auch keine europäischen „Renten-Standards“.
Für eine angemessenere Kompensation der Opfer in allen Ländern ist nationaler Druck in den jeweiligen Problemländern notwendig - mit Verweis auf die Situation der Opfer in den Ländern, die eine bessere Entschädigung bekommen (s. Großbritannien, allerdings scheint sich die Regelung hier auf Einmalzahlungen zu beschränken). Insofern wären hier z.B. die nationalen Grünen gefordert, das Thema national anzusprechen.
Ich empfehle Ihnen daher, sich an meine für Gesundheitspolitik zuständigen und in der Behindertenpolitik aktiven Parteikollegen in Berlin und NRW zu wenden. Das wäre zum einen unser Sprecher für Sozial- und Behindertenpolitik Markus Kurth (markus.kurth@bundestag.de) und zum anderen Andrea Asch, Sprecherin für Behindertenpolitik für die nordrhein-westfälischen Grünen (andrea.asch@landtag.nrw.de ). Meines Wissens wird der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend am 1. Februar 2013 eine Öffentliche Anhörung zu diesem Thema durchführen. An der Anhörung können Interessierte als Zuhörerinnen und Zuhörer teilnehmen. Sie müssen sich dazu im Sekretariat des Familienausschusses anmelden. Die Kontaktdaten finden Sie auf den Internetseiten des Bundestages (http://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2013/42314606_kw05_pa_familie/).
Es tut mir leid, dass ich Ihnen nicht konkreter helfen konnte und wünsche Ihnen bei Ihrem Engagement viel Erfolg!
Rebecca Harms