Frage an Rasmus Andresen von Marie A. bezüglich Menschenrechte
Sehr geehrter Herr Andersen,
die EU sollte sich zum Zeichen eines solidarischen Miteinanders klar positionieren und ein System aufbauen, in dem Schutzsuchenden eine menschenwürdige Aufnahme gewährt wird.
Es wird deutlich, dass wir aktuell in keinem Fall solidarisch sind, weder mit den Geflüchteten noch mit Griechenland. Die EU trägt mit ihrer Klima- und Geopolitik weiterhin dazu bei, dass Menschen flüchten müssen und entzieht sich dann der daraus resultierenden Verantwortung. Wie wird dieses Handeln im Parlament gerechtfertigt?
Seit nun fast 5 Jahren wird die Lage in den griechischen Camps von der EU aus der Ferne beobachtet. In „Moria“, dem größten Camp auf Lesbos, leben derzeit fast 20.000 Menschen. Ausgelegt ist das Lager für gerade einmal 3.000 Personen. Ursprünglich diente es als erste Anlaufstelle, von der aus Geflüchtete schnellstmöglich auf europäische Mitgliedsstaaten verteilt werden sollten, um ihnen dort anständige Asylverfahren zu bieten. Inzwischen ist es zu einem Freiluftgefängnis verkommen, in dem die Menschen teilweise über Jahre ausharren müssen. Wie stellen Sie das Recht eines jeden Menschen auf körperliche und geistige Unversehrtheit im Camp Moria sicher? Empfinden Sie die Lebensbedingungen als menschenwürdig?
Sind dies nicht elementare Grundrechte, welche durch die Grundrechtecharta der EU geschützt und gestärkt werden sollen? Und sind es nicht die Werte die wir als Zivilgesellschaft und Sie als Abgeordneter vertreten?
Seit Monaten ist bekannt, dass einige EU Mitgliedstaaten sich der Aufnahme von Geflüchteten verweigern. Warum wird nicht nach einer alternativen Beteiligungsformen gesucht? Die EU ist vor allem anderen eine Wirtschaftsunion. Wieso wird dann nicht eine Lösung in Form von finanzieller Unterstützung der aufnahme-willigen Staaten durch die anderen Mitglieder angestrebt? Welche Lösungsansätze gibt es seitens der EU, die sich um die Aufnahme und die Verteilung der Geflüchteten auf die europäischen Mitgliedstaaten bemüht?
Warum sorgt die EU, bis es eine Lösung gibt, nicht wenigstens für menschenwürdige Bedingungen innerhalb der Camps? In den völlig überfüllten Camps fehlt es an Essen, nicht einmal fließend Wasser ist zu jeder Zeit sichergestellt. Auch die medizinische Versorgung ist absolut mangelhaft und nur durch den Einsatz von Organisationen wie “Ärzte ohne Grenzen” überhaupt noch gegeben. Zu was diese Situation in Zeiten von Corona führen kann, brauche ich Ihnen nicht zu erklären.
Unter diesen katastrophalen Bedingungen, stellen sich weitere Fragen für mich.
Warum werden 70-80% der Familienzusammenführungs-Anträge abgelehnt? Warum hat Deutschland bisher nur 47 Kinder geholt, obwohl die EU bereits vor Monaten die Aufnahme von 1.600 Geflüchteten zugesagt hatte?
Für mich ist diese Situation unverantwortlich. Was würden Sie tun, wenn Mitglieder ihrer Familie dort festsitzen?
Mit freundlichen Grüßen
M. A.
Sehr geehrte Frau A.,
vielen Dank für ihre Frage und ihr damit verbundenes Interesse an GRÜNER Politik. Bitte entschuldigen Sie die verzögerte Antwort.
Die derzeitige Behandlung von Geflüchteten an den Grenzen von Europa ist beschämend. Leider gibt es in vielen EU-Staaten momentan eine Politik der Abschreckung, die das Leben von Menschen auf der Flucht, die Rechtsstaatlichkeit und die Europäischen Werte gefährdet. Wir Grüne/EFA werden weiter daran arbeiten, dass sich diese Haltung verändert und die EU sich ihrer Verantwortung und Vorbildfunktion nach innen und außen bewusst ist und danach handelt.
Gerade in der aktuellen Situation müssen wir aufpassen, dass Geflüchtete nicht gegeneinander ausgespielt werden. Es darf nicht zwischen guten und schlechten Geflüchteten entschieden werden. Jeder Mensch, der sich auf der Flucht vor Krieg, Terror und Verfolgung befindet, braucht unsere Unterstützung und unsere Hilfe.
Wir haben bei dem Feuerausbruch in Moria im September 2020 einen offenen Brief an die Europäische Kommission geschrieben. Wir wollten damit auf die prekäre Situation hinweisen und deutlich machen, dass diese Menschen uns brauchen.
Für alle Fragen zu den Themen Flucht, Migration und Menschenrechte würde ich Sie gerne an Erik Marquardt verweisen. Erik ist ebenfalls grüner Abgeordneter im Europäischen Parlament und die relevante Anlaufstelle für alle Positionen und Aktivitäten unserer Fraktion zum Thema. Er hat kurz nach der Errichtung des Folgecamps auf die Missstände hingewiesen. Hier ein Link zu seiner Website: https://erik-marquardt.eu/
Ich kann Ihnen versprechen, dass ich mich im Europäischen Parlament dafür weiterhin einsetzen werden, dass geflüchtete Menschen die notwendige Unterstützung erhalten, welche sie benötigen.
Mit freundlichen Grüßen,
Rasmus Andresen