Frage an Ralph Lenkert von Eric U. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Lenkert,
wir behandeln zur Zeit im Rahmen des Sozialkundeunterrichts in der Berufsschule den Gesetzgebungsprozess und haben folgende Frage an Sie.
Aufgrund der jetzigen finanziellen Situation der Bevölkerung mit mittlerem Einkommen, ist es für uns unverständlich warum die kalte Progression nicht abgeschafft wird. Uns erscheint es so, dass sich die Moral sowie die finanzielle Lage der Bevölkerung verschlechtert. Warum werden die Bürger der mittleren Einkommensschicht nicht durch eine Gesetzesänderung entlastet?
Wir sehen einer Antwort gespannt entgegen.
Sollte es Ihre Zeit erlauben, würden wir uns über einen persönlichen Besuch an unserer Schule freuen, um mit Ihnen weitere Themen diskutieren zu können.
Mit freundlichen Grüßen
Eric Urban
Klassensprecher KM12d
SBBS Technik Gera
Berliner Straße 157
07546 Gera
Sehr geehrter Eric Urban,
vielen Dank für Ihre Anfrage zur kalten Progression, die ich gern beantworte.
Die kalte Progression ist eine automatische Folge des progressiven Tarifverlaufs der Einkommensteuer. Mit progressiv ist gemeint, dass die Steuerbelastung mit steigendem zu versteuernden Einkommen nicht nur absolut sondern auch proportional steigt. Ein solcher Tarifverlauf verringert die Einkommensunterschiede, d.h. er dient der Verteilungsgerechtigkeit. Ich befürworte einen solchen Verlauf, starke Schultern sollen mehr tragen.
DIE LINKE will jedoch die Wirkung der kalten Progression durch eine Steuersenkung für kleine und mittlere Einkommen ausgleichen. Diese Einkommensgruppen sind von der kalten Progression besonders betroffen, da die Progression für diese am stärksten steigt - die Kurve des Tarifverlauf verläuft dort am steilsten, ist derzeit nicht linear. Nach vorsichtigen Schätzungen hätte ein vollständiger Ausgleich der Wirkungen der kalten Progression für die Jahre 2010 bis einschließlich 2014 rund 8 Mrd. Euro gekostet. Dieser Steuerausfall müsste angesichts von Schuldenbremse, Fiskalpakt und dem hohen öffentlichen Investitionsbedarf, insbesondere bei den Kommunen und im Bildungsbereich, gegenfinanziert werden. Was die Unterfinanzierung für Kommunen bedeutet, können wir alle in Gera erleben. Ich möchte mir nicht einmal vorstellen, wie Gera sich entwickeln soll, wenn die Zuweisungen (aus Steuermitteln) weiter sinken würden. Möglich wäre die Verhinderung des Steuerausfalls und eine Verringerung der Progression durch eine Anhebung der Steuern für Vermögende und Besserverdienende, z.B. mittels einer Anhebung des Spitzensteuersatzes von derzeit 42% auf 53%. Letzteres ist das Niveau, das der Spitzensteuersatz zu Helmut Kohls Zeiten hatte. Eine solche Anhebung wird aber von der regierenden großen Koalition abgelehnt.
Das Reformkonzept zur Einkommensteuer der Fraktion DIE LINKE sieht dagegen genau einen solchen gegenfinanzierten Ausgleich für niedrige und mittlere Einkommen vor. Letztere wollen wir entlasten, indem zum einen der steuerfreie Grundfreibetrag von derzeit 8 354 Euro auf 9 300 Euro angehoben wird. Zum anderen wird dies durch eine durchgehende Linearisierung des Progressionsbereichs, d.h. durch eine Abschaffung des sogenannten Mittelstandsbauches oder Waigelbuckels, erreicht. Durch die Linearsierung wird der Tarifverlauf im Bereich der niedrigen und mittleren Einkommen abgeflacht. Das bewirkt zwar keine Abschaffung der kalten Progression, aber eine stark reduzierte Wirkung derselben auf diese Einkommensgruppen.
Ich hoffe, dass ich Ihre Frage ausreichend beantwortete.
Gern diskutiere ich weitere Themen an Ihrer Schule. Zur Abstimmung eines Termins wenden Sie sich bitte an mein Geraer Wahlkreisbüro: ralph.lenkert@wk2.bundestag.de ; 0365 55 11 821
Mit freundlichen Grüßen
Ralph Lenkert