Portrait von Ralph Lenkert
Ralph Lenkert
DIE LINKE
100 %
26 / 26 Fragen beantwortet
Frage von David S. •

Frage an Ralph Lenkert von David S. bezüglich Umwelt

Hallo Herr Lenkert

Vielleicht haben Sie die letzten Tage ja in den Medien gelesen, dass Greenpeace vor gut zwei Wochen eine Aufklärungskampagne gegen den Nestlé-Konzern gestartet hat.

Konkret geht es um Nestlés Schokoriegel "KitKat", für den Nestlé Rohstoffe (Palmöl) vom indonesischen Hersteller Sinar Mas kauft. Dieser Lieferant verletzt internationale Standards und indonesisches Recht, ist an Landkonflikten beteiligt, rodet wertvolle Regenwälder in Orang-Utan-Gebieten und hat massive Expansionspläne. Auf den gerodeten Urwaldflächen werden dann Ölpalmplantagen in Monokulturen angelegt.

Der Fall schlägt im Internet bereits Furore: In Teilen der Blogsphäre wurde das Thema intensiv diskutiert, sowie auch in einigen Foren!

Für Nestlé kam die darauf folgende, massive Kritik wohl völlig unerwartet und so "verschwand" kurzerhand am 19.3. die weltweit größte KitKat-Fanseite auf Facebook für einige Stunden, nur wenige Tage nachdem Greenpeace ihre Enthüllungen veröffentlicht haben! Ausserdem kündigte der Konzern in einer Presseerklärung an, seine Verträge mit Sinar Mas zu kündigen!

Wie man sieht, hat Nestlé bereits nach wenigen Tagen reagiert und versichert, bis 2015 ausschließlich zertifiziertes Palmöl zu kaufen! Doch der Fall ist damit noch lange nicht beendet und der plötzliche moralische "Gesinnungswandel" ist doch sehr zu bezweifeln! Zu erwarten ist, dass der Fall in nächster Zeit stark an Brisanz gewinnen könnte!

Nun zu meiner eigentlichen Frage: Was halten Sie von den Machenschaften Nestlés und vieler weiterer Konzerne, die ähnlich handeln? Haben Sie überhaupt eine Möglichkeit, gegen einen solchen Konzern in Deutschland vorzugehn und wenn ja, was würden Sie tun? Das Beispiel Nestlé ist ja bestimmt kein Einzelfall und macht es somit umso unerträglicher...

Ich bitte Sie inständig, dieses Thema im Umweltausschuss aus aktuellem Anlass auf die Tagesordnung zu setzen und Ihre Ausschusskollegen darauf anzusprechen!

Mit freundlichen Grüßen

David Simsek

Portrait von Ralph Lenkert
Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Simsek,

meine Kolleginnen und Kollegen haben sich in der letzten Wahlperiode ausführlich mit den negativen Folgen von Palmölimporten beschäftigt. Neben den von Ihnen geschilderten Rodungen von Urwaldflächen und dem Anbau von Monokulturen führen derartige Plantagen oftmals auch zur Vertreibung vormals dort tätiger Kleinbäuerinnen und -bauern. Für die Nutzung von Palmöl zur Strom- und Kraftstoffnutzung halten wir daher ein Importverbot für dringend erforderlich. Nur so kann der zusätzliche Druck auf die letzten Regenwaldflächen genommen.

Einer Zertifizierung stehen wir kritisch gegenüber, da indirekte Verdrängungseffekte nicht ausgeschlossen werden können. Lassen Sie mich dies an einem Beispiel aus einem mit der Palmölproblematik vergleichbaren Bereich verdeutlichen. In Brasilien werden neue Zuckerrohrfelder zur Ethanolproduktion nur selten direkt auf Neurodungsflächen angebaut. Sie werden (auch aus klimatischen Gründen) eher auf älteren Agrar- oder Weideflächen in Zentralbrasilien angelegt. Die zuvor darauf angebauten Pflanzungen, beispielsweise Soja-Plantagen, oder die Rinderherden wandern jedoch allzu oft in den Regenwaldgürtel im Norden oder in den ebenso wertvollen Cerrado und führen dort zu neuen Abholzungen. Ferner führt die Vertreibung von Kleinbäuerinnen und Kleinbauern durch Großagrarier nicht nur zu massiven Menschenrechtsverletzungen, sondern vielfach auch dazu, dass diese Menschen sich neues Land suchen. Nicht selten sind es Waldgebiete, die dann der Brandrodung und anschließenden Besiedlung zum Opfer fallen.

Insofern bestehen zurzeit kaum Erfolgsaussichten für ein wirksames Zertifizierungssystem. Den Tropenwäldern, den darin lebenden Menschen sowie den von Vertreibung bedrohten Kleinbäuerinnen und Kleinbauern wird vielmehr am meisten geholfen, wenn das Grundproblem angegangen wird: Der rasant ansteigenden Nachfragedruck der Industriestaaten nach Agrartreibstoffen. Als wichtigste Maßnahmen muss daher zunächst ein Importstopp für biogene Treib- und Kraftstoffe in die EU verfügt und die Nachfrage auf ein akzeptables Maß reduziert werden.

Unsere ausführliches Positionspapier "Keine Agroenergien aus Raubbau oder Vertreibung. Biomasse nachhaltig erzeugen und nutzen" können Sie nachlesen unter: http://dokumente.linksfraktion.net/pdfmdb/7798081185.pdf

Die dort geschilderte Position für Palmöl zur Strom- und Kraftstoffnutzung gilt in ähnlichem Maße für die Verwendung von Palmöl im Lebensmittelbereich. Wir haben uns zunächst auf den Bereich der Agroenergien fokussiert, um zumindest einen zusätzlichen "Flächendruck" zu vermeiden.

Ich werde den "Nestlé-Fall" mit meinen Kolleginnen der LINKEN im Umweltausschuss besprechen, kann Ihnen allerdings gegenwärtig keine Aufsetzung im Umweltausschuss zusagen, da bereits mehrere dringende Anliegen die Tagesordnungen der nächsten Wochen bestimmen.

Mit freundlichen Grüßen,

Ralph Lenkert

Was möchten Sie wissen von:
Portrait von Ralph Lenkert
Ralph Lenkert
DIE LINKE