Frage an Ralph Brinkhaus von Michael H. bezüglich Migration und Aufenthaltsrecht
Guten Tag Herr Brinkhaus.
(Mit einer kurzen Frage hoffe ich auf eine baldige Antwort)
Heute ist das folgende in der Presse zu lesen:
"Thüringen will 500 Menschen aus den überfüllten Flüchtlingslagern in Griechenland aufnehmen - als humanitären Akt, wie die Landesregierung betont. Der Bund lehnt das jedoch ab!"
Bitte erklären Sie diese Vorgehensweise. Ich bin total erschrocken, dass immer wieder das Kompetenzgerangel zwischen dem Bund und den Ländern stattfindet. Eine europäische Lösung des Flüchtlingscamps Moria, die seit Jahren diskutiert wird, scheint nicht in Sicht. Warum verhält sich Deutschland so abweisend?
Hierbei geht es um Menschen, so wie Sie.
In welchem Land leben wir eigentlich? Ich schäme mich für unser Land.
Freundliche Grüße
M. H.
Sehr geehrter Herr Hartmann,
vielen Dank für Ihre Frage zur Flüchtlingspolitik über Abgeordnetenwatch.
Sehr geehrter Herr Hartmann, Deutschland hat in den vergangenen Jahren so viele Menschen in Not aufgenommen wie kein anderes Land in Europa. Deutschland steht in der Asyl- und Migrationspolitik also innerhalb der EU an vorderster Stelle. Das war nur mit dem großartigen ehrenamtlichen Einsatz vieler Bürgerinnen und Bürger möglich. Ich versichere Ihnen, dass wir auch weiterhin helfen werden. Das ist unser Selbstverständnis und auch das Selbstverständnis der meisten Bürgerinnen und Bürger in diesem Land. Und darauf sind wir sehr stolz. Deswegen stehe ich auch dazu, dass unser Land aus humanitären Gründen weiterhin Flüchtlinge aufnimmt.
Aber richtig ist auch, dass es unterschiedliche Auffassungen dazu gibt, was der beste Weg der Hilfe ist. Denn wir wissen spätestens seit 2015, dass wir Flucht aber auch reguläre Zuwanderung so steuern und begrenzen müssen, dass es den Zusammenhalt unserer Gesellschaft nicht zerstört. Da sind wir in den letzten Jahren durch die Initiative der CDU/CSU Bundestagsfraktion und der Bundesregierung viel besser und klarer geworden. Aber genau dieser Punkt bleibt angesichts der sehr großen Zahl von Menschen, die explizit nach Deutschland kommen wollen, eine Daueraufgabe. Und genau darüber streiten wir politisch: Nicht ob man hilft, sondern wie man hilft: Wem kann man besser und effizienter vor Ort helfen, wer hat keine andere Alternative als nach Europa zu kommen, wie können wir die Flüchtlinge besser innerhalb von Europa verteilen, wie können wir diejenigen schneller zurückschicken, die nicht schutzbedürftig sind und wie werden wir besser in der Integration von den Menschen, die zu uns gekommen sind.
Speziell im Hinblick die „Hilfe vor Ort“ erhält Entwicklungsminister Gerd Müller mehr finanzielle Mittel als jemals zuvor: Nie war der Haushalt des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) höher als heute. So wurde er in der Regierungszeit von Kanzlerin Angela Merkel seit 2004 von knapp vier Milliarden auf über 10,8 Milliarden Euro im Jahr 2020 angehoben. Maßnahmen zur Bekämpfung von Fluchtursachen haben für die deutsche Entwicklungspolitik höchste Priorität. Dabei orientiert sich die Arbeit des BMZ an dem Dreiklang: Fluchtursachen mindern, Flüchtlinge unterstützen, aufnehmende Gemeinden stabilisieren und stärken.
Wie von Ihnen angesprochen hat u.a. Thüringen seine Bereitschaft zur Aufnahme von Sonderkontingenten von Migranten und Flüchtlingen von den griechischen Inseln erklärt. Das Bundesinnenministerium (BMI) hat hier jedoch zu Recht Bedenken. Die Verabschiedung von Landesaufnahmeprogrammen erfolgt aus guten Gründen nur nach Zustimmung des BMI. Ein Aufnahmeprogramm eines Landes berührt immer auch die einwanderungspolitische Kompetenz des Bundes und die Beziehungen des Bundes mit auswärtigen Staaten. Aufnahmeprogramme müssen im größeren Kontext betrachtet und koordiniert werden. Anderenfalls würden wir unseren Versuch untergraben, innerhalb der EU endlich einheitliche Aufnahmeregelungen für humanitäre Flüchtlinge zu erreichen. Die humanitäre Aufnahme von Flüchtlingen muss auf die Interessen der gesamten Bundesrepublik Deutschland ausgerichtet sein und in Abstimmung mit unseren europäischen Nachbarstaaten, den zuständigen EU-Organen und beispielsweise auch dem UNHCR erfolgen. Hinzu kommt, dass, ungeachtet von vorübergehenden Wohnsitzverpflichtungen, durch die humanitäre Aufnahme von Flüchtlingen offensichtlich auch andere Bundesländer im Hinblick auf die Schaffung von Unterbringungsmöglichkeiten und Integrationsangeboten betroffen sind. Es muss vermieden werden, dass für denselben Personenkreis die Aufnahme in Deutschland aufgrund zweier verschiedener Rechtsgrundlagen und mit zwei verschiedenen Rechtsfolgen erfolgt. Das Zustimmungserfordernis des Bundes ist daher unverzichtbar. Wir müssen weiter bundeseinheitlich ordnen und steuern, wer nach Deutschland kommen kann und wer nicht.
Grundsätzlich haben wir im Koalitionsausschuss vereinbart, Griechenland bei der schwierigen humanitären Lage auf den griechischen Inseln zu unterstützen und im Rahmen einer europäischen „Koalition der Willigen“ einen angemessenen Anteil von den insgesamt etwa 1000 bis 1500 Kindern zu übernehmen. Dabei geht es vorwiegend um Kinder, die wegen einer schweren Erkrankung dringend behandlungsbedürftig sind und solchen, die unbegleitet und jünger als 14 Jahre alt sind. Deutschland ist bereits mit der Übernahme von 47 unbegleiteten Minderjährigen im April dieses Jahres vorangegangen und das trotz der Einschränkungen durch Corona. Derzeit erfolgen weitere Übernahmen von insgesamt 243 medizinisch behandlungsbedürftigen Kindern inklusive ihrer Kernfamilie. Insgesamt sprechen wir hier von 928 Personen.
Sehr geehrter Herr Hartmann, es bleibt das Ziel der CDU/CSU-Fraktion wie auch der Bundesregierung, die humanitären Herausforderungen auf den griechischen Inseln und an den EU-Außengrenzen gemeinsam und in Abstimmung mit unseren europäischen Partnern zu lösen.
Mit freundlichen Grüßen
Ralph Brinkhaus