Welchen Einfluss kann ein einzelnes MdB nehmen für seinen/ihren Wahlkreis?
Sehr geehrter Herr Stegner,
Die Union klagt gegen das neue Wahlrecht, weil es dann passieren könnte, dass ein Wahlkreis nicht im Bundestag vertreten ist.
Aber wie viel Einfluss kann eine Politikerin/ein Politiker konkret nehmen für den eigenen Wahlkreis.
Viel Politik passiert in Ausschüssen. Niemand kann in allen Ausschüssen sein.
Große Entscheidungen werden gefühlt von der Fraktionsspitze oder Parteispitze vorgegeben und der/die einzelne Politiker/in ist dann über den Fraktionszwang gebunden.
Wo wird also Einfluss genommen für den einzelnen Wahlkreis, was nicht mehr möglich wäre, wenn der Wahlkreis nicht vertreten ist?
Mit freundlichen Grüßen
Sehr geehrter Herr F.,
vielen Dank für Ihre Anfrage auf Abgeordnetenwatch.de.
Tatsächlich passiert die meiste konkrete inhaltliche Arbeit in den Fachausschüssen des Bundestages. Ein Abgeordneter ist, je nach Größe der Fraktion in durchschnittlich zwei oder drei solcher Ausschüsse. Das heißt jedoch nicht, dass seine Einwirkungsmöglichkeiten auf die in diesen Ausschüssen behandelten Themen begrenzt sind.
Der Ausschuss ist die formalste Form der Einflussnahme auf die Politik. Die mit den Bürgerinnen und Bürgern vor Ort gewonnenen Perspektiven und besprochenen Sorgen können jedoch innerhalb der Fraktion auch unter den Kollegen geteilt werden oder direkter Kontakt mit zuständigen Ministerien aufgebaut werden um die Anliegen der Bürger im eigenen Wahlkreis an die Entscheidungstreffenden weiterzugeben. Ebenso kann ein Abgeordneter diese Anliegen an die überregionale Öffentlichkeit tragen und somit in der Bundesbevölkerung eine Sensibilität für lokale Probleme schaffen.
Deutschland ist ein sehr diverses Land. Insofern ist eine Wahlkreisvertretung von Vorteil dafür, speziell vor Ort auftretende und in der Zuständigkeit des Bund liegende Probleme anzusprechen und sicherzustellen, dass diese in der Entscheidungsfindung angemessen Gehör finden.
Die Einwände der Union sind insbesondere vor dem Hintergrund der Sonderkonstellation zu sehen, dass sie als in der Bundestagsfraktion geeinter Zusammenschluss von zwei Parteien (CDU/CSU) an Bundestagswahlen teilnimmt. Dabei sorgt sich nun die nur in Bayern antretende CSU darum, die bundesdeutsche 5%-Hürde zu verfehlen und durch die Abschaffung der Grundmandatsklauseln den Einzug in den Bundestag mittelfristig zu verpassen.
Diese Einwände sind jedoch sehr kurzsichtig. Es wird das Parteiinteresse, die Listen nicht zu fusionieren mit dem Bundesinteresse nach einer angemessenen Vertretung im Bundestag vermischt, wenn nicht gleichgesetzt. Das ist unsachgemäß.
Zur weiteren Lektüre über die von den Ampelfraktionen beschlossene Wahlrechtsreform und die dahinterstehende Ratio verweise ich Sie zudem auf ein FAQ, welches die Position der SPD-Fraktion zum Thema beleuchtet (s. Anhang).
Ich hoffe ich konnte Ihnen weiterhelfen.
Viele Grüße
Ralf Stegner