Halten Sie Friedrich Merz - obwohl wir keine direkte Kanzlerwahl haben- über alle Zweifel gesetzt und wählbar als Kanzler wenn es zu einer neuen Fassung der GroKO mit stabiler Regierung kommen sollte?

Sehr geehrter Herr B.,
vielen Dank für Ihre Frage. Ich habe durchaus Zweifel an einer Kanzlerschaft von Friedrich Merz. Die letzten Ereignisse und Entscheidungen, bezogen auf den Tabubruch der CDU im Kontext der Zusammenarbeit mit der AfD in der Migrationspolitik sowie die fragwürdige Kleine Anfrage zur politischen Neutralität gemeinnütziger Vereine, lassen mich eher skeptisch auf seine Wählbarkeit und die Stabilität einer möglichen GroKo blicken. Seine 180-Grad-Wendungen bei zentralen Wahlaussagen und Themen wie der Schuldenbremse halte ich für mehr als problematisch. Man kann nicht an einem Tag A sagen und am nächsten Tag B tun. Auch die Aussage von Friedrich Merz, er werde am ersten Tag seiner Amtszeit mit der Richtlinienkompetenz die deutschen Grenzen schließen, muss deutlich hinterfragt werden. Neben der offensichtlichen Tatsache, dass dies mangels Personal nicht möglich wäre, ist auch klar, dass dies europarechtlich nicht umsetzbar ist. Wer dennoch postuliert, hier keine Kompromisse eingehen zu wollen, der hat vergessen, dass wir uns nicht in einer Präsidialdemokratie befinden und eine parlamentarische Demokratie so nicht funktioniert. Das macht die SPD nicht mit. In Zeiten wie diesen, in denen der internationale Rechtsdruck zunimmt, in denen Donald Trump gegen seine internationalen Partner arbeitet und in denen die amerikanische Demokratie unter anderem durch Tech-Milliardäre bedroht wird, müssen Deutschland und die Europäische Union stabil sein und zusammenhalten. Ob ein Koalitionsvertrag zwischen SPD und Union möglich ist, der diese Stabilität und politische Handlungssicherheit gewährleistet, müssen wir in den weiteren Sondierungsgesprächen mit der Union ausloten. Klar ist: Es gibt viel zu tun!
Für uns ist es aber wichtig, in den Gesprächen Kompromisse zu finden und die rechtsextremen Antidemokraten aus der Regierungsverantwortung herauszuhalten, um weitere schwere Katastrophen für unser Land abzuwenden. So wie in Österreich darf es nicht enden. Wir stehen für klare Kante gegen Rechtsextreme, für soziale Gerechtigkeit, für Investitionen in unsere marode Infrastruktur und für eine Politik, die nicht nur den Wohlhabenden dient.
Mit freundlichen Grüßen
Ralf Stegner